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Sympathiekampagne und neue Personen

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Ein Grunddilemma dieses Wahlkampfes war es, daß die ÖVP den Bürgerprotest gegen die sozialistische Mißwirtschaft nicht für sich zu nutzen verstand. Die Oppositionsrolle der Volkspartei war für viele Wähler deshalb nicht überzeugend ausgefallen, weil sie in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen mit dem herrschenden System identifiziert und dafür mitverantwortlich gemacht wurde.

Dies reicht von der angeblichen Proporzwirtschaft in der verstaatlichten Industrie bis zur Identifizierung mit dem von den Bauern zunehmend ungeliebten, weil nicht durchschaubaren Agrarsystem.

Der Wahlkampfführung der ÖVP gelang es auch nicht, eine konsequente und durchgängige Oppositionslinie politisch und werblich umzusetzen. Nach der plakativen Propagierung des zentralen Oppositionsthemas „Wir führen Österreich aus den roten Zahlen“, das die wirtschaftspolitische Angriffsspitze auf breiter Front hätte transportieren sollen, wurde diese Linie plötzlich verlassen und ein Sympathieplakat mit spielenden Kindern affi-chiert.

Dieser Bruch der Werbelinie führte zum zentralen Themenverlust. Wiederum folgte ein Schwenk: entsprechende Themenplakate zu „Staatsverschuldung, Budget-Defizit, Arbeitslosigkeit“ wurden gebracht, ohne daß es gelang, diese Themen in der letzten Phase des Wahlkampfes zum Mittelpunkt der Auseinandersetzung zu machen. Leider ließ sich die ÖVP-Wahlkampf-f ührung von der SPÖ und den Medien auch das Thema „Koalitionen nach der Wahl“ aufdrängen.

Auch mit dem Thema „Steuersenkung“ hat die Volkspartei weitgehend Schiffbruch erlitten. Dieses Thema ist dilettantisch aufoereitet und auch nicht entsprechend massiv werblich umgesetzt worden. Für den Durchschnittswähler wurde viel zu wenig klar, welche konkreten Auswirkungen eine ÖVP-Steuerre-form für ihn persönlich hätte.

Ganz generell zeigten die Wahlstrategie und ihre Umsetzung in politische, organisatorische und werbliche Maßnahmen große Schwächen. Die Fehler, die dabei begangen wurden, liegen in mangelndem Verständnis sozialpsychologischer und wahlstrategischer Erkenntnisse, die anderswo längst zum Handwerkszeug jedes Wahlkampfleiters gehören. Dieses mangelnde Vermögen kennzeichnet nicht erst diesen Bundes-wahlkampf der ÖVP.

Daß dies auch Auswirkungen auf den Spitzenkandidaten selbst gehabt hat, ist klar. Vor allem das Fernsehen hat der politischen Macht ein Gesicht gegeben, sodaß der Kandidat immer selbst auch zum Thema des Wahlkampfes wird.

Statt bei der Imageplanung die Stärke des Kandidaten, nämlich seine Vertrauenswürdigkeit, herauszuarbeiten, hat man versucht, eine Imageschwäche zu kaschieren, nämlich die „politische Lei-' stungsf ähigkeit“ als „Alois Mock — der Mann, der's besser macht“.

Daß Alois Mock in der zentralen Fernseh-Auseinandersetzung nicht reüssierte, liegt wohl auch daran, daß man ihn nicht aus seiner Persönlichkeit heraus argumentieren ließ, sondern ihm ein bestimmtes Rollenverhalten und bestimmte Argumentationsmuster einzutrainieren versuchte.

In der personellen Selbstdarstellung hat die ÖVP das grundsätzliche Problem, daß sie viel zu wenig sympathisch wirkt. Sympathie ist im Fernsehzeitalter jedoch ein wesentliches Bewertungskriterium des Wählers.

Das Sympathiedefizit hat seine Ursache in der Rolle als Oppositionspartei, vor allem aber auch in der Selbstdarstellung der Sprecher der Partei. Parteispitzen und .Bereichssprecher müssen in ihren Auftritten aggressionsfreier und verbindlicher, in der Selbstdarstellung sympathischer und freundlicher werden.

Der Volkspartei gelang es auch zu wenig, ihr personelles Reservoir im Wahlkampf darzustellen. Vor allem präsentierte sich Alois Mock zu wenig mit den Landeshauptmännern, um dadurch stärker in die Vorteile der Amtsinha-ber zu kommen und damit auch klarzustellen, daß die ÖVP nicht nur ein großes Stück Macht, sondern auch Regierungsfähigkeit repräsentiert.

Personell bedeutet diese Wahlniederlage die Notwendigkeit, neues, integres und nicht veraltetes politisches Personal zu präsentieren. Das heißt vor allem: f ür die sensiblen Wählergruppen, aber auch für die Zielgruppen der Bauern, Gewerbetreibenden und Arbeitnehmer neue personelle Identifikationsmöglichkeiten aufzubauen.

Ohne persönliche Sympathie und eine gewisse Faszination in der politischen Selbstdarstellung und im Lebensstil, die von den ÖVP-Spitzenpolitikern ausgestrahlt werden, sind viele unpolitische Wählergruppen nicht mehr zu erreichen. Die künftige Perso-nalisierungsstrategie der ÖVP muß daher personelle Innovationen signalisieren.

Inhaltlich muß die Volkspartei überzeugende und allgemein verständliche Alternativen im Rahmen eines umfassenden gesellschaftspolitischen Gesamtkonzeptes präsentieren.

Es muß stärker im Bewußtsein der Österreicher verankert werden, daß der Staat kein abstrakter Wohltäter ist, sondern daß als Alternative zu einem Sozialismus, der alle sozialen Fragen und gesellschaftlichen Probleme durch den Staat gelöst haben will, die „Entstaatlichung“ die eigentliche politische „Tendenzwende“ ist. Die ÖVP muß das Eintreten für mehr freie Entscheidungsbereiche, für Selbstbestimmung und Mitbestimmung als zentrales Ziel ihrer künftigen Politik darstellen.

Der Autor ist ÖVP-Landesrat in Oberösterreich.

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