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Im Schatten des Wahlkampfes

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Damit hatte Maleta sicher recht. Auch die zweite Feststellung, die Sozialisten hätten in Graz durch die Zusammenarbeit mit dem ÖAAB die Wahl von Kommunisten verhindern können, stimmt. Denn wären die fünf ÖAAB-Vertreter mit den drei Sozialisten eine Koalition eingegangen, hätten die sechs Kommunisten das Nachsehen gehabt. Maleta erwähnte allerdings nicht, daß seine Grazer ÖAAB-Schäfchen genau das taten, was er den Sozialisten vorwirft: Sie gingen ihrerseits ein Bündnis mit den Kommunister ein. Und Pittermann, nicht müde, replizierte sofort: „Die Aufforderung des Herrn Natiönalratspräsidenten setzt den politischen Täuschungsmanövern der ÖVP über ihre Zusammenarbeit mit den Kommunisten im Betriebsrat der Grazer Straßenbahner die Krone auf.“ Und dann geht's flott weiter bis zum energischen Höhepunkt: Es liege an der ÖVP, den Trennungsstrich zwischen ihr und den Kommunisten zu ziehen.

Diese neckischen Spielchen könn-

ten erheiternd sein, wenn sie nicht offenbarten, mit welch rücksichtsloser Demagogie die langjährigen Koalitionspartner jetzt schon für den Wahlkampf trainieren. Es ist erschütternd, daß diese gegenseitigen Beschuldigungen auch noch mit einer Überzeugtheit vorgebracht werden, die im unvoreingenommenen Beobachter den Eindruck erwecken müßten, beide Regierungsparteien seien eifrig am Werk, dem Kommunismus in die Hände zu arbeiten. Und während dieser unwürdigen Manöver, mit denen Demokraten sich erfolgreich als Rufräuber betätigen, vergißt man die eigentlichen Feinde der Demokratie, Kommunisten und Rechtsextremisten, die dieses Trauerspiel mit Händereiben verfolgen.

Die Sozialisten spielen bei dem Geplänkel um die Konstituierung des Betriebsrates der ÖMV sicher eine recht zwielichtige Rolle: Es läge in ihrer Macht, die Wahl eines kommunistischen Betriebsratsobmannes zu verhindern — aber sie wollen mit den „Extremisten des ÖAAB“, wie sie sich ausdrücken, nicht zusammenarbeiten. Enthalten sie sich aber der Stimme,

wird ein Kommunist gewählt. Die Situation in Graz war ähnlich. Allerdings mit dem Unterschied, daß die Sozialisten klar gegen die Kommunisten stimmten. Sie wollten die Konstituierung des Betriebsrates verhindern, eine Neuwahl erzwingen und erhofften sich dadurch eine Stärkung ihrer Position. Diese Rechnung ging allerdings nicht auf: Sie verloren zwar an Ansehen, weil es nicht sonderlich attraktiv wirkt, wenn man sich von der Verantwortung drückt und sich in den Schmollwinkel stellt, weil sich die Mehrheitsverhältnisse einmal geändert haben, aber sie gewannen einen Wahlschlager.

Betrüblich an der ganzen Angelegenheit ist, daß die sachliche Auseinandersetzung einer wüsten Demagogie gewichen ist. Seit Jahren hat die ÖVP mit der „roten Katze“ ihr Unwesen getrieben, jetzt ist ihr dieses dämonische Viecherl entwischt und hat neue Herrchen gefunden. Der großzügigen Gleichung Sozialist = potentieller Kommunist steht nun die Gleichung ÖVPler = potentieller Kommunist gegenüber. So absurd diese Gleichstellungen klingen mögen, sie sind zu einer Realität des politischen Kampfes geworden und vergiften die Atmosphäre. Es genügt vollkommen, wenn einige Betriebsräte auf Abwege geraten, und der Monsterapparat der Propaganda kommt auf Hochtouren. Was, einige Betriebsräte des ÖAAB packeln mit den Kommunisten? Schlußfolgerungen: Der ÖAAB packelt mit den Kommunisten. Da der ÖAAB ein Bund der Volkspartei ist, packelt also die ÖVP mit den Kommunisten. Logik der politischen Diffamierung, die in Österreich leider immer mehr Usus wird.

Sozialisten pflegen Extratouren ihrer Betriebsräte damit zu entschuldigen, daß sie erklären, die Betriebsräte seien eben autonom. Das glaubt man den Sozialisten aber nicht. Die beiden Regierungsparteien sind ja seit Jahren eifrig bemüht, einander nach besten Kräften unglaubwürdig zu machen. Mit ein klein wenig Sachlichkeit in der Argumentation müßte es möglich sein, wenigstens e i n Prinzip der politischen Auseinandersetzung zu beachten: Keine willkürlichen Verallgemeinerungen! Verallgemeinerungen, die vielleicht im politischen Tageskampf opportun scheinen, die aber nicht nur dem Gegner, sondern auch der Demokratie schaden. Es hat aber den Anschein, als sei für diese Sachlichkeit nicht einmal mehr der Wille vorhanden. Sie hat sich verschämt zurückgezogen und wartet...

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