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Wahl oder Volkszählung?

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Das ist der letzte Wahlgang der Saison: Die von manchen boshaften Journalisten als „Ärmelschoner“ titulierten Bundesbeamten wählen diesen Mittwoch und Donnerstag ihre

Personalvertreter. 216.000 Wahlberechtigte, rund 10 Prozent mehr als beim letzten Mal, bestimmen ihre Vertreter in den etwa 4000 Dienststellen-, 90 Fach- und 56 Zentralaus-

schüssen.

Die Zahl derer, die sich um das Wohl der Kollegen zu sorgen haben, ist nicht gerade klein: Um die rund 12.000 Mandate in den Ausschüssen bewerben sich an die 40.000

Kandidaten, jeder sechste Beamte ist bereit, die fünf anderen gegenüber der „Dienstbehörde“ zu vertreten.

Die letzte Personalvertretungswahl brachte eine klare konservative Präferenz: 61 Prozent wählten schwarz, 32 Prozent bevorzugten rot, der Rest verteilte sich auf kleine und kleinste Gruppen.

Wie echt die Wahl eigentlich ist, wird gelegentlich debattiert: Weil die Personalpolitik der sozialistischen Dienstherren stark freundschaftliche Tendenzen zugunsten der eigenen Parteifreunde aufweist, könnte man auch von einer Volkszählung sprechen - jeder zählt seine Schäflein; die einen jene Anhänger, die sie noch haben, die anderen jene, die schon eingeschleust sind, um den SPÖ-Alti- deologen Karl Czemetz zu verwirklichen, der einmallaut „profil“ (47/1976) - gesagt hat: „Niemand wird ernsthaft behaupten, daß man eingefleischte Reaktionäre mit der Durchsetzung sozialistischer Maßnahmen beauftragen kann … Zur Durchführung des Sozialismus brauchen wir die ganze Macht, wir brauchen daher die Regierung, die Spitzen und die Beamten…“

Wohl mit auch ein Grund für den Chef der Beamtengewerkschaft, Rudolf Sommer, in einem Wählerbrief hintergründig darauf hinzuweisen, daß die öffentlich Bediensteten

„von ihrem Dienstgeber, der Bundesregierung, nichts geschenkt“ erhalten. Ein zugkräftiges Argument: Kenner der Beamtenszene behaupten, es gäbe nicht wenige Sozialisten, die bei solchen Gelegenheiten die ÖVP-Vertre- ter wählten, ganz einfach, weil diese viel weniger Skrupel und Rücksichtnahme an den Tag legten, wenn es gilt, dem Dienstherren der anderen Couleur Zugeständnisse abzuringen.

Wobei wohl auch des Ruhestandsbeamten Bruno Kreiskys distanzierte Liebe zu den Beamten eine Rolle spielt: Kreiskys Meinung, die in der „Arbeiter-Zeitung“ vom 20.

September 1972 verbreitet wurde, „er habe noch nie etwas so wenig Bewegliches … gesehen wie die Bundesverwaltung“, wird liebevoll tradiert.

Auf der anderen Seite, geht Beamtenstaatssekretär Franz Löschnak fleißig in die Wahlveranstaltungen der sozialistischen Gewerkschafter und wirbt für die politische Einheit von Dienstgeber und Dienstnehmer, weil das Verständnis von Sozialisten für Sozialisten wohl mehr bringe als ausgekämpfte Gegensätze.

Der Wahlkampf selbst lief ruhig: Plakate, Prospekte und Massenbriefe ergänzten eher spärliche Wahlkundgebungen. Nur am Dienstag der Vorwoche wurde es ein bißchen lebhafter, als die versammelten Akademiker der „nachgeordneten“ Behörden gegen ihre schlechtere Beförderung im Verhältnis zu den Mini- sterialakademikem aufbegehrten: In einer Wählerversammlung im Alten Rathaus in Wien sagte Sommer zu, sich bei der sozialistischen Regierung für mehr Gleichheit zu verwenden - ein Anliegen, für das er immerhin auch das sozialistische Parteiprogramm als Argumentationshilfe verwenden kann.

Übergriffe gab es kaum. Zwar wird von einem sozialistischen Amtsleiter in Vorarlberg berichtet, der den Urlaub der schwarzen Kandidatin ausnützte, um für die eigene Partei

Unterstützungsunterschriften einzuholen, und zwar gleich von allen Dienststellenangehörigen, so daß die er- holt-gebräunte Kandidatin der Fraktion Christlicher Gewerkschafter

(FCG) niemanden mehr auffand, der sie unterstützen konnte.

Ähnliches passierte aber auch den Sozialisten etwa in einer burgenländischen Dienststelle, wo schwarze Übermacht ausreichte, den Sozialisten die notwendigen Ünterstüt-

zungsunterschriften und damit die Kandidatur vorzuenthalten.

Nichts zu merken war in diesem Wahlkampf vom neu kreierten „Primat der Partei“ innerhalb der rechten Reichshälfte: Zwar hatte erst der FCG-Bundestag im September seine sorgfältige Abgrenzung von der Partei beschlossen, die Kandidatur bei diesen Wahlen erfolgt jedoch zumeist unter der umständlichen Listenbezeichnung „ÖAAB-FCG“.

Schlicht als ÖVP tritt man nur im Außenministerium auf; dafür vergaß man dort prompt auf die letzte Novelle zum Personalvertretungsgesetz, die auch den ausländischen

Staatsbürgern das aktive Wahlrecht zuerkannte, und damit auf rund 200 wahlberechtigte Dienstnehmer.

Veränderungen werden von dem Wahlgang kaum erwartet: ÖAAB- Wahlkampfleiter Ernst Gugler gibt sich jedenfalls zuversichtlich-forsch: „Der Beamte hat immer zuerst ge-

dacht und dann gewählt!“

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