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Gute Papierform

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Als Höhepunkt ihrer diese Woche gestarteten Wirtschaftsoffensive wird die ÖVP am 21. Februar ihr „neues“ Wirtschaftsprogramm einem Sonderparteitag zur Beschlußfassung vorlegen. Neu steht deshalb unter Anführungszeichen, weil dieses Programm bis auf einige kleine aktuelle Ergänzungen mit dem an-fang November von Alois Mock und Robert Graf vorgelegten Papier identisch ist (übrigens auch typographisch).

Das ist durchaus positiv zu sehen. Zum einen, weil dieses Wirtschaftsprogramm das Beste ist, was die ÖVP seit langem produziert hat (inhaltlich und übrigens auch sprachlich). Zum andern, weil das Problem der Volkspartei in den letzten Jahren nicht darin bestand, zu wenig neue Papiere zu produzieren. Eher darin, neue Papiere im Bewußtsein der Öffentlichkeit nicht ausreichend zu verankern und in der Tagespolitik zu wenig Rücksicht auf die eigene Programmatik zu nehmen.

Neu muß aber auch noch aus einem zweiten Grund in Anführungszeichen . gesetzt werden. „Mehr Chancen, mehr Fairness“ — so der Titel des Programms — enthält keine neuen oder gar überraschenden Standpunkte der Volkspartei zu Wirtschaf tsf ragen. Es ist die sehr gekonnt strukturierte Zusammenfassung aller vernünftiger Stellungnahmen der letzten Jahre zu Einzelfragen wie Arbeitszeitgestaltung, Steuern, Budget, Privatisierung etc.

Der Vorteil dieser Vorgangsweise liegt darin, daß „Mehr Chancen, mehr Fairness“ nicht das Produkt irgendwelcher „Think Tanks“ ist, mit denen die Parteibasis jetzt plötzlich konfrontiert wird, sondern ein Programm, das die ersten Stürme der Diskussion bei seinem Erscheinen bereits hinter sich hat. Krausen Gedankengängen einzelner Parteifreunde, die sehr zum Ärger der Parteispitze längere Zeit die Medien beschäftigten, nahm man

sehr elegant den Wind aus den Segeln, indem man sie bei der Programmredaktion einfach „vergaß“. Unzweifelhaftes Verdienst der Programmab- und zusammenfasser ist es, auch noch einen — horible dictu bei einem schwarzen Programm! — roten Faden hineingebracht zu haben: Der einzelne soll in Zukunft auf allen Gebieten mehr Chancen erhalten, um eigene Initiativen entfalten zu können, wobei der notwendige Ausgleich zwischen den Starken und den Schwachen nach dem Prinzip der Fairness erfolgen soll.

„Die ÖVP vertritt die Auffassung, daß neue Wirtschaftschancen nicht durch Verordnen und Reglementieren, sondern nur durch .Ermöglichen und Zulas-

sen' eröffnet werden können“, heißt es da eingangs. „Die Wirtschaftspolitik kann die wirtschaftlichen Probleme nicht für die Menschen, sondern nur gemeinsam mit den Menschen lösen. Durch eine Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen persönliche Verantwortung und Leistungswille wieder zum Schwungrad für höheres Wachstum und neue Beschäftigungschancen gemacht werden.“ Dabei setzt die Volkspartei auf:

1. Entregulierung, das heißt den Abbau und die Einschränkung hemmender bürokratischer Vorschriften, durch Durchforstung des Wirtschaftsrechts, Gesetzesvereinfachungen, Uberprüfung künftiger Gesetze auf bürokratischen Aufwand und Folgekosten etc.

2. Flexible Lösungen und mehr Wahlmöglichkeiten für den Arbeitnehmer (zum Beispiel durch individuelle Arbeitszeitmodelle statt linearer Arbeitszeitverkürzung), Einführung flexibler Arbeitszeitformen, konsumentenfreundliche Ladenöffnungszeiten.

3. Entbürokratisierung und Dezentralisierung der Verwaltung, etwa durch klare Führungsstrukturen und Stärkung der Eigenverantwortlichkeit im öffentlichen Dienst, Beseitigung von Mehrfachzuständigkeiten, mehr Mobilität zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst.

4. Mitbestimmung und Mitverantwortung durch Eigentumsbildung durch breite Streuung des Eigentums, bessere Qualifikation der Mitarbeiter, bessere Aufstiegschancen und verstärkte Mitbestimmung im persönlichen Arbeitsbereich; betriebliche Partnerschaft statt Mitbestimmung durch Organisationsmacht.

5. Neue Impulse durch Privatisierung, durch Trennung von wirtschaftlicher und politischer Macht, Verbesserung der Produktivität der öffentlichen Wirtschaft, neuen Finanzierungsspielraum etc.

In jedem Abschnitt wird der (übrigens sehr sachlichen) Analyse der aktuellen wirtschaftlichen Situation ein Maßnahmenkatalog gegenübergestellt, den eine ÖVP-Regierung verwirklichen würde. Diese Maßnahmenkataloge sind erfreulich konkret und passen so gar nicht zum „Jein-Sa-ger“-Image der Volkspartei. So werden beispielsweise im Abschnitt über die Budgetsanierung auch jene Bereiche angeführt, wo ein ÖVP-Finanzminister, sicher nicht zur Freude aller Wähler seiner Partei, den Rotstift ansetzen würde.

Die Volkspartei tritt jetzt erneut mit dem Slogan „Wir wirtschaften besser“ an. Ob Mock & Ca wirklich besser wirtschaften als Sinowatz & Steger bleibt zu beweisen. Mit „Mehr Chancen, mehr Fairness“ haben sie jetzt auf alle Fälle einmal das zeitgemäßere Wirtschaftsprogramm als die SPÖ, deren Programm nicht nur aus der Ära Kreisky stammt, sondern auch noch deren wirtschaftspolitischen Geist verströmt.

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