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Reform - oder fünfter Klub

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Herbert Kohlmaier hat das Reform-Ultimatum verlängert: bis 15. Mai. Sonst tritt die Bürgerli- ste an. Mit welchen Hoffnungen?

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Herbert Kohlmaier hat das Reform-Ultimatum verlängert: bis 15. Mai. Sonst tritt die Bürgerli- ste an. Mit welchen Hoffnungen?

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FURCHE: Die Frist, die Sie den Regierungsparteien eingeräumt haben, um eine Wahlrechtsreform definitiv zu vereinbaren, ist am 1. Mai abgelaufen. Geben Sie sich mit den vagen Absichtserklärungen zu- frieden? Gibt es eine Fristerstrek- kung?

VOLKSANWALT HERBERT KOHLMAIER: Zunächst einmal bin ich sehr zufrieden, daß ich durch meinen Vorstoß eine intensive De- batte ausgelöst habe, daß das Pro- blem jetzt weithin bewußt gewor- den ist. Ich sehe ein Bemühen, noch in dieser Gesetzgebungsperiode eine Beschlußfassung über ein neues Wahlrecht zustande zu bringen. Aber die erwartete Zusage liegt noch nicht vor. Ich wurde aber von Seiten der Verhandler'ersucht, bis zum 15. Mai zuzuwarten. Wir werden zwar unsere Vorbereitungen treffen, aber mit der Möglichkeit, die Aktion - wenn eine Reform gelingt - gegebe- nenfalls abzublasen.

FURCHE: Hat es sonst unmit- telbare Reaktionen der Koalitions- parteien bei Ihnen gegeben? Wie hat insbesondere die OVP darauf rea- giert?

KOHLMAIER: Es hat keine un- mittelbaren Reaktionen gegeben. Al- lerdings ist ein Gespräch mit Bun- desparteiobmann Josef Riegler auf seinen Wunsch zustande gekommen. Es ist sehr sachlich verlaufen. Ich konnte ihm bei diesem Gespräch meine Absicht darlegen. Und er hat mir gegenüber die Absicht bekräf- tigt, auf eine Reform noch in dieser Gesetzgebungsperiode zu drängen.

FURCHE: Kommt es also sonst zu der von Ihnen angekündigten „bür- gerlichen, sozialen, liberalen " Wahl- liste? Wird sie nur in einzelnen Bundesländern oder gesamtöster- reichisch kandidieren?

KOHLMAIER: Sof erne nicht doch noch die Bedingungen erfüllt wer- den, von denen ich gesprochen habe, wird es eine Bürgerliste für die Nationalratswahl geben. Leider erfordert das Gesetz, daß eine sol- che Liste als Partei auftritt, wenn sie kandidieren will. Wir werden versuchen, das formal zu erfüllen, aber ich möchte betonen, daß ich und meine Freunde, die hier mit- wirken, keine Parteigründer sein wollen, ja daß wir uns mit der Liste sogar bewußt von allen Parteien unterscheiden wollen.

Für eine Kandidatur bedarf es eines Minimums an personellen und finanziellen Ressourcen - und auch an Unterstützungsunterschriften. Wir haben bisher schon spontane Unterstützungserklärungen. Und wir werden einen sehr unkonven- tionellen Weg gehen: Wir werden in ganz Österreich, also in allen Wahl- kreisen, Menschen aufrufen, diese Aktion zu unterstützen und sich zur Verfügung zu stellen. Wie weit die Sache erfolgreich ist und überall präsent sein kann, wird sehr davon abhängen, wie auf diesen Aufruf reagiert wird. Das bisherige Echo macht uns aber sehr optimistisch.

FURCHE: Mit welchem Pro- gramm und mit welchen Personen soll denn für politische Konkurrenz gesorgt werden?

KOHLMAIER: Was die Personen betrifft, gibt es schon einen harten Kern, der sich gebildet hat. Aber ich möchte - solange die Gespräche mit möglichen weiteren Personen nicht abgeschlossen sind - noch keine Na- men nennen. Wir möchten, was die politische Praxis betrifft, einen un- konventionellen und anderen Weg in den Vordergrund stellen. Wir werden aber sicher kein komplettes Wahlprogramm ausarbeiten, son- dern gewisse Grundwerte zur Orien- tierung der Wähler nennen...

FURCHE: Beispielsweise ...

KOHLMAIER: Auch das muß noch endgültig entschieden werden. Ich möchte es negativ abgrenzen: Wir werden sicher nicht versuchen, in irgendeiner Weise Extremposi- tionen anzusprechen. Wir werden aber versuchen, einen anderen po- litischen Arbeitsstil zu propagie- ren, mehr Vertrauen in die einzelne Persönlichkeit, die sich für politi- sche Arbeit zur Verfügung stellt.

FURCHE: Welche Chancen rech- nen Sie sich für eine solche Liste aus?

KOHLMAIER: Es gibt ein so tie- fes und weitverbreitetes Unbeha- gen über die politischen Parteien in ihrer derzeitigen Erscheinungsform und mit ihrer derzeitigen Vorgangs- weise, daß wir doch mit einem Er- folg rechnen, den ich so umschrei- ben möchte: Einzug ins Parlament mindestens in Klubstärke.

FURCHE: Würde diese Liste, bei dem Hintergrund, den Sie mitbrin- gen, dann nicht vorrangig der ÖVP das Wasser abgraben? Ist dann nicht praktisch der Konflikt mit Ihrer Par- tei schon vorprogrammiert?

KOHLMAIER: Ich habe schon Bundesparteiobmann Josef Riegler erklärt, daß unsere Zielgruppe kei- neswegs Menschen sind, die heute Vertrauen zu einer politischen Mei- nung haben. Wir wollen eine ver- nünftige Alternative für jene Men- schen bieten, die jetzt zum Nicht- wählen oder zu einer bloßen Pro- teststimme neigen. Auch meine Partei wird anhand dieser Aktion unter Beweis stellen können, ob sie aufgeschlossen und bereit ist, sich geänderten Anforderungen anzu- passen. Vor allem wäre zu betonen: Wenn man für Marktwirtschaft ein- tritt, also für Wettbewerb, darf man nicht beleidigt sein, wenn dann j emand eine Marktlücke wahrnimmt und als Konkurrenz antritt. Wenn die ÖVP beleidigt ist, werde ich das sehr bedauern, aber nicht so sehr meiner Person wegen, sondern wegen der dann zutage tretenden Engherzigkeit und Engstimigkeit.

FURCHE: Werden Sie im Fall des Falles selbst kandidieren?

KOHLMAIER: Ich habe nicht die Absicht, zu kandidieren. Ich war beinahe 2 0 Jahre im Parlament. Und das würde auch dem Team wider- sprechen, das sich derzeit ab- zeichnet : nämlich Menschen für eine Mandatarstätigkeit zu gewinnen, die unbefangen und unbelastet von bis- heriger Parteipolitik etwas für ihre Mitbürger unternehmen wollen.

Das Gespräch mit Volksanwalt Herbert Kohl- maier führte Hannes Schopf.

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