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Treibjagd

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Ist Herbert Kohlmaier ein schlechter Generalsekretär?

Wie müßte ein guter Generalsekretär der großen Oppositionspartei aussehen?

Wem man in diesen Tagen in der ÖVP diese Fragen stellt, der zuckt die Achseln. Niemand kann Herbert Kohlmaier einschneidende Fehler vorwerfen, weil sich dieser in einem bundesweiten Wahlkampf bisher weder Lorbeeren verdienen noch blamieren konnte. Und wie ein Generalsekretär neben einem Bundesparteiobmann Schleinzer aussehen soll, kann auch niemand einigermaßen mit Präzision sagen.

So mutet die Treibjagd auf Herbert Kohlmaier deshalb als klägliches Schauspiel an, weil man offenbar auf ihn schießt, obwohl man jemanden anderen im Zielfernrohr hat.

Das ist in der ÖVP gar nicht neu. Als die Ära Raab zu Ende ging, da machten sich die (vor allem in der Steiermark selbsternannten) Reformer auf, den damaligen Generalsekretär Alfred Maleta kräftig an- und schließlich auch abzuschießen. In Wirklichkeit ging es damals gegen Julius Raab, dessen Denkmalhaftigkeit aber die Schützen von Blattschüssen abhielt.

Geht es in Wirklichkeit also gegen Parteiobmann Schleinzer? Oder hat es sich noch nicht herumgesprochen, daß er es ist, der die Politik der Volkspartei bestimmt, der die Oppositionsstrategie festlegt, die Rollen wirklich verteilt? Was sollte denn Herbert Kohlmaier neben Schleinzer falsch gemacht haben — dem seine Freunde ja schon seit langem den Vorwurf machen, daß er ein zu treuer Erfüllungsgehilfe seines Parteiobmannes ist?

Doch — da gibt es einige öffentliche Erklärungen des Generalsekretärs, in denen er Tabus, die auch die Presse respektiert, verletzte. Er rüffelte den Bundespräsidenten und kritisierte den Erz-bischof von Wien. Aber das wurde jedenfalls durch ein exzellentes Auftreten im sowieso oft genug blutleeren Parlament wettgemacht, wo Herbert Kohlmaier rhetorisch und inhaltlich nicht selten die besten Oppositionsdebattenbeiträge seiner Partei leistete.

„Kohlmaier ist kein Organisationstalent.“ Das wird ihm heute vorgeworfen; und vielleicht stimmt der Vorwurf. Aber wußte man nicht bereits bei seiner Wahl, daß er innerhalb des Parteiapparates keine Organisationserfahrungen sammeln konnte — weil er nie ein Mann aus dem Apparat war? Kohlmaier kam erst zwei Jahre vor dem Oppositionsgang der ÖVP überhaupt ins Parlament — und da als Außenseiter gegen vielfache Widerstände des Wiener Parteiestablishments.

Man kann, wenn man will, Kohlmaier sicherlich kritisieren; weil man heute jeden kritisieren kann, der in der Volkspartei an führender Stelle steht. Aber was soll es wirklich nützen, den Sack zu schlagen, wenn man den Esel meint? Personaldebatten haben der ÖVP noch immer geschadet. Weil man Sachdebatten in dieser Partei aus dem Wege geht. Soll eine neue Führung das alte Konzept weiterverfolgen — mit den gleichen Rezepturen? Wenn die Parteitagsdelegierten in Linz schon ihre Debatte haben wollen, dann doch wohl zuerst über die Frage, ob die Oppositionsstrategie und die Oppositionstaktik der ÖVP richtig sind.

Und erst dann sollte man über Personen reden. Aber erst dann.

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