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Ökologisch (be-)steuern

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Die Koalition hat noch ein Arbeitsjahr vor sich. Und die Volkspartei hat noch zwölf Monate Zeit, um sich von SPÖ und FPÖ abzugrenzen. Was hat Vizekanzler Josef Riegler vor ?

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Die Koalition hat noch ein Arbeitsjahr vor sich. Und die Volkspartei hat noch zwölf Monate Zeit, um sich von SPÖ und FPÖ abzugrenzen. Was hat Vizekanzler Josef Riegler vor ?

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FURCHE: Welches Resümme ziehen Sie - abseits der konkreten Schlußfolgerungen des Ausschußberichtes - aus den Lucona-Untersu- chungen? Was muß sich da in diesem Land, an seiner politischen Kultur jetzt ändern?

VIZEKANZLER JOSEF RIEGLER: Ich habe nicht zufällig bei meinem Amtsantritt die Schaffung einer neuen politischen Kultur in Österreich als eines von vier großen Zielen der Volkspartei genannt. Da geht es für mich um drei Dinge, wobei die persönliche Verantwortung des Politikers an erster Stelle steht.

Das war ja das Erschreckende an dem, was nun mit dem Lucona- Ausschuß ans Tageslicht gekommen ist: das moralische Versagen von höchsten Verantwortungsträgem des Staates, wobei Politik und Ver- waltung einzubeziehen ist. Macht wurde mißverstanden als Zugriffsmöglichkeit zum persönlichen Vorteil, zum Vorteil von - sogenannten

- Freunden, zur Behinderung gerichtlicher Vorgänge, zur Ausnutzung der Staatsmacht im Interesse einzelner Personen. Natürlich kommt hier die Frage der Wahrhaftigkeit und der taktischen Lüge hinzu.

Aber das ist der Vorteil des demokratischen Systems, daß ein Reinigungsprozeß Chancenhat. Die politische Verantwortung ist eine vom Wähler auf Zeit ausgestellte - für den Dienst, nicht als Privileg, nicht zum Vorteil einer Person, einer Personengruppe, einer Partei. Politische Verantwortung ist eine charakterliche Kategorie, die weit über das Strafrechtliche oder vom Gesetzgeber Normierte hinausgehen muß.

Zweitens gehört zu einer Erneuerung der politischen Kultur die Reform der Institutionen und des Zusammenlebens. Nur einige Stichworte: Wahlrecht, Bürger mitbestimmung, natürlich auch die Reform der an sich wertvollen Einrichtungen, etwa der gesetzlichen Interessensvertretungen.

Der dritte Punkt ist für mich der Umgang zwischen den politischen Konkurrenten, zwischen den Parteien. Auch hier ist eine gewisse Pervertierung entstanden, da hat jede Seite ihr Stückchen an Belastung mitzutragen.

FURCHE: Apropos moralisches Versagen: Da berufen sich Beamte auf Weisungsgebundenheit.

RIEGLER: Es gibt keine Weisungsbefugnis an einen Beamten, die ihn zu irgendeiner ungesetzlichen Handlungsweise verleiten dürfte. Der Beamte hat nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, eine solche Weisung zurückzuweisen. Außerdem war das im Lucona-Skandal eher in diesem diffusen Bereich von Andeutung, vorauseilendem Gehorsam. Das ist nicht nur, aber eben auch - in Österreich etwas, was im Verhältnis zwischen politischer Spitzenverantwortung,^Verwaltung und Gerichtsbarkeit liegt.

FURCHE: Sie haben das Stichwort Wahlrechtsreform genannt, von der ÖVP versprochen, im Koalitionspakt festgeschrieben. Aber da vermißt man die Vehemenz, mit der zuletzt um EG-Kompetenzen gerungen wurde. Ein Person- lichkeitswahlrechtistnichtin Sicht.

RIEGLER: Es ist richtig, daß hier ein Versprechen der beiden Regierungsparteien vorhegt. Ich sehe da drei verschiedene Bereiche. Punkt eins gilt es, das Wahlrecht für die Auslandsösterreicherzu schaffen …

FURCHE: Das ist nach Verfas- sungsgerięhtshofentscheid ein Muß, das ist unumstritten…

RIEGLER: … es ist nicht unumstritten, sehr wohl umstritten ist nämlich: Wie sieht das Wahlrecht aus, daß es von den Auslandsöster- reichem tatsächlich praktizierbar ist? Man kommt eben um ein Briefwahlrecht, de facto um ein Depotwahlrecht nicht herum.

Der zweite Teil betrifft eine Reihe von Bestimmungen, etwa Wahlalter, aber auch die Möglichkeit, daß ein Mandat auf Zeit ausgeübt werden kann…

FURCHE: Versprochen wurde ein Persönlichkeitwahlrecht…

RIEGLER: Das ist der dritte Teil. Hier hat die ÖVP einen Vorschlag mit 100 Wahlkreisen eingebracht, in denen Kandidaten direkt gewählt würden, ergänzt mit einem Listenwahlrecht zum Ausgleich des Parteienverhältnisses, aber auch zur entsprechenden Ergänzung durch die Landes- und Bundesorganisationen für Experten.

Es gibt dagegen von allen drei Seiten her Bedenken. Es gibt in einem Brief einen schweren Einwand seitens der Freiheitlichen Partei - mit dem Argument, ein solches Wahlrecht sei für kleinere Parteien erschwerend. Es gibt Bedenken in der Sozialistischen Partei. Und es gibt auch von einzelnen Teilen ziemliche Kritik aus der Volkspartei selbst.

FURCHE: Was geschieht?

RIEGLER: Das ist einer der unerledigten Bereiche, in dem man noch einmal einen Anlauf machen muß.

FURCHE: Viel Zeit steht nicht mehr zur Verfügung. Die Koalition hat praktisch noch ein Arbeitsjahr vor sich. Welche „großen Brocken“ wollen Sie da noch anpacken?

RIEGLER: Neben dem Wahlrecht die Familienförderung. Und natürlich ist auch die Frage der Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung ein unerledigtes Versprechen aus dem Arbeitsübereinkommen. Die weitere ReformderVerstaatlichenlndustrie ist ein ganz großer Brocken, wobei für uns die Privatisierung nicht als Selbstzweck gilt, sehr wohl aber als eine auf der Hand hegende Chance, um in der Eigenkapitalentwicklung und in der Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Partnern weiterzukommen. Dann die große Aufgabe der Verkehrspolitik, jetzt auf das Nachtfahrverbot zugespitzt. Darin hegt eine Jahrhundertchance für die Bahn. Offen ist auch eine

Reform des Pensionsuystems. Es gab einen ersten Anlauf noch unter Alfred Dallinger, der aber eher die Frage einer finanziellen Entlastung war als eine Reform.

FURCHE: Und nurfärdenASVG- Bereich. Beim Stichwort Harmonisierung der Systeme empfinden aber alle den ASVG-Standard als Zumutung.

RIEGLER: Man könnte es umdrehen: Alle müssen auf die Situation der Bundesbahnpensionisten gebracht werden. Und dann reden wir aus, wie das zu finanzieren ist…

FURCHE: Nämlich nicht.

RIEGLER: Im verbleibenden Jahr kann eine Langfristreform zwar vorbereitet, aber sicher nicht mehr in die Praxis umgesetzt werden. Aber eines muß man klarstellen: Reform bedeutet kein Eingreifen in bestehende Pensionen.

FURCHE: Langfristig schwebt Ihnen auch für die nächste Legislaturperiode ein ökologischer und aufkommensneutraler Umbau des

Steuersystems vor. Was heißt das konkret?

RIEGLER: Es geht darum, daß wir den Verbrauch begrenzter Güter und Belastungen für die Umwelt durch das Steuersystem einbrem-

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