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Der Papst ist kein Kjronzeuge
Die Anregung, über die neue PapstenzykUka breit zu diskutieren, ist in Osterreich auf fruchtbaren Boden gefallen, auch wenn noch besser als das jetzige Neben-einander-Reden ein echtes Mit-einander-Reden wäre.
Der stellvertretende SPÖ-Vorsitzende Karl Blecha meinte auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft Christentum vmd Sozialismus (ACUS), man müsse sich angesichts des jüngsten Rundschreibens fragen, „ob nicht ein Christ, der in einer Partei tätig ist.
die ständig den Kapitalismus legitimieren will, gegen seine eigenen Grundsätze verstößt."
Der Versuch, „Laborem exer-cens" quasi als Bestätigung des SPÖ-Programms zu reklamieren, ist auch von namhaften Sozialisten (leider nur inoffiziell) abgelehnt worden. Der ÖVP-Arbeit-nehmerorganisation ÖAAB und der Fraktion christlicher Gewerkschafter (FCG) ist zu bestätigen, daß ihr vorwöchiges Symposium über die Enzyklika der
Versuchung widerstand, eine billige Retourkutsche zu lancieren.
ÖAAB-Bundesobmann Herbert Kohlmaier sprach von der „Lächerlichkeit" des Vorhabens, die Gedanken einer päpstlichen Enzyklika einfach parteipolitisch annektieren zu wollen: „Das sollten weder die anderen tun noch wir."
Und auch FCG-Vorsitzender Hans Gassner trat Versuchen entgegen, „die kirchliche Lehre zur Waffenschmiede einseitiger politischer Propaganda zu machen", fügte aber richtigerweise hinzu, daß es sich andererseits nicht vermeiden lasse, „die jeweils eigene Position und die Gegenposition in der Enzyklika zu vergleichen."
Ein solcher Vergleich wird fast jeder politischen Gruppe da und dort etwas „bringen", aber Kohlmaier hatte natürlich recht mit der Feststellung, der Papst sage nicht, „welche Wirtschaftsordnung sozusagen die von der katholischen Soziallehre empfohlene ist".
Diese Entscheidung ist den Praktikern der Politik nicht abgenommen. Wichtig ist die Erkenntnis, daß jede neue Entwicklung neue Aspekte der sozialen Frage aufbrechen läßt und es daher „keine Schlüsselfrage sozialen Geschehens" (Kohlmaier) wie etwa das Eigentum an Produktionsmitteln o. ä. gibt.
Zur Einbegleitung der ÖAAB/ FCG-Tagung hatte Kolping-Zen-tralpräses Ludwig Zack daran erinnert, daß sich in der Praxis auch die Kirche noch immer schwer tue, mit dem Arbeiter zu reden, und daß Solidarität Teilen heißt und der Mensch „auch das Teilen lernen muß".
In der Diskussion wurden teilweise abenteuerliche Vorhaben in die Enzyklika hineininterpretiert, was Univ.-Prof. Herbert Schambeck begründet zurückwies. Er stellte das Rundschreiben in die Tradition der kirchlichen Soziallehre hinein, was der Wiener ÖVP-Obmann Erhard Busek schon einige Tage zuvor in einem „Kurier"-Interview mit der etwas überspitzten Bemerkung getan hatte, die neue Enzyklika sei nicht einmal ein Fortschritt zu, Jlervun novarum".
Auf die 7. Internationale Katholische Arbeitnehmertagung, di« sich vom 23. bis 27. Oktober ir Wien mit der katholischen Sozialbewegung in Europa befaßte, wird zurückzukommen sein.
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