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Glaube im Leben von Christen

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im Osten haben, wenn sie bereit sind, solche Opfer auf sich zu nehmen.

CHRISTOF GASPARl

Persönliche Briefe mit Bitte um Freilassung können gerichtet werden an: Botschaft der CSSR, Penzinger Straße 11-13, 1140 Wien

Katholisch-Soziale Tagung 1980

Debakel oder gar Triumph?

Katholisch-Soziale Tagungen, schon in der Ersten Republik bekannt, verfolgen die Absicht, Realisierungs- und Konkretisierungsmöglichkeiten von Grundsätzen der Katholischen Soziallehre in der aktuellen gesellschaftlichen Situation aufzuzeigen. Seit Gründung des Instituts für Sozialpolitik und Sozialreform durch Karl Kummer vor fast 30 Jahren hat dieses immer wieder versucht, einem solchen A uftrag nachzukommen -zuletzt bei der Katholisch-Sozialen Tagung am 18. April in Wien.

Nächstes Jahr wird die Papstenzyklika „Rerum novarum” hundert Jahre alt. Hat sie etwas bewirkt? Wenn ja, was? Univ.-Prof. Josef Steg-m a n n, Professor für christliche Gesellschaftslehre (Bochum/Bonn), untersuchte vier Problembereiche und wurde dreimal fündig:

• Die Notwendigkeit einer staatlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik, vom manchesterliberalen Bürgertum noch bis zur Jahrhundertwende vehement bekämpft, war von einzelnen Vertretern der katholischen Soziallehre schon 1837 (F. J. Büß) und 1848 (Wilhelm Ketteier) verfochten worden.

• Das Recht der Arbeiter auf Zusammenschluß und Selbsthilfe wurde von „Rerum novarum” geradezu in einen naturrechtlichen Rang gehoben.

• Arbeiter-Mitbestimmung wurde von Franz von Baader bereits 183S als „Rechtsanspruch auf Repräsentation” vertreten. Jahr für Jahr wurden einschlägige Anträge der deutschen Zentrumspartei niedergestimmt und nicht nur von den Liberalen, sondern anfangs auch von den Sozialdemokraten abgelehnt, die darin ein „Feigenblatt für den Fabriksfeudalismus” sehen wollten.

• Ein ständisches Ordnungsmodell, wie es viele katholische Sozialtheoretiker und insbesondere Pius XI. in „Qua-dragesimo anno” forderten, kam demgegenüber nie zustande. Schon Ketteier vollzog den Ubergang von der „ständischen Sozialreform zur partiellen Sozialpolitik”.

Hier freilich konnte Koreferent Univ.-Doz. Alfred Klose aus der österreichischen Praxis mit dem Hinweis ergänzen, daß man die in Österreich praktizierte Sozialpartnerschaft als Instrument einer Uberwindung des Klassenkampfes zugunsten der Kooperation durchaus als Erfüllung auch solcher Postulate werten könne.

Klose betonte auch, daß spätestens seit der Enzyklika „Pacem in terris” die Friedensbewegung als unverzichtbarer Ausfluß der Katholischen Soziallehre gewertet werden müsse, und hob das Defizit solcher Soziallehre-Verwirklichung in Lateinamerika mit seiner „grauenhaften Ausbeutung” hervor.

Damit war der Blick in Gegenwart und Zukunft gerichtet. Univ.-Prof. Rudolf Weiler, Sozialethiker der Universität Wien, versuchte ihn zu konkretisieren, wenn schon nicht zu kate-gorisieren:

Hilfe für die Armen, Engagement in Krisengebieten der Zukunft (Bedrohung individueller Freiheit und Eigenverantwortung, Unterernährung, chronische Unterbeschäftigung, Computerund sonstige Technologiefolgen, Gen-Manipulation u. a.), Kampf um Menschenrechte, Eingehen auf Alternativbewegungen, Friedens- und Abrüstungsstrategien, Familienpolitik, Partnerschaft der Geschlechter, Bemühen um Randgruppen der Gesellschaft (Behinderte, Süchtige, Einsame, Strafentlassene, Patienten, Einsame, Lobbylose ...): ein Riesenprogramm.

„Die Hoffnung, daß die Katholische Soziallehre zwischen Sozialismus und Liberalkapitalismus ein dritter Weg mit eigenen Lösungsvorschlägen für alles wäre, ist aufgegeben”, sagte Weiler. Auf eine „konkrete”, „unideologische” Anwendung dynamischer katholischer Soziallehre-Prinzipien komme es an.

Koreferent NR Johann Gassner, OGB-Vizepräsident und Bundesobmann der Fraktion christlicher Gewerkschafter, ertränkte seine recht brauchbaren konkreten Anregungen in einem Meer von Gemeinplätzen.

Klar sprach er sich für volle Parität der Arbeitnehmermitbestimmung in den Aufsichtsräten von Großunternehmungen aus und legte das rühmenswerte, in Gewerkschaftskreisen höchst rare Bekenntnis ab, daß die Österreicher bereit sein müßten, sogar auf einen Teil ihres jetzigen Lebensstandards zugunsten der Entwicklungsländer zu verzichten, „wenn sichergestellt werden könnte, daß dieser Teil wirklich den Menschen der Dritten Welt und nicht irgendwelchen* Apparaten oder Bürokratien zugute käme”.

Wissenschaftler und Politiker, Wirtschafts- und Sozialpraktiker, die eingangs von Instituts-Obmannstellvertre-ter Josef Steurer begrüßt und von Obmann Univ.-Prof. Anton Burghardt in die heutige Aufgabenstellung eingeführt worden waren, konnten in einer von Günter Pichl dirigierten Generaldiskussion die Darstellung abrunden.

Bewußt Nachdenken provozierend war der Diskussionsbeitrag Claus Raidls, daß, genau genommen, nichts von der Katholischen Soziallehre verwirklicht worden sei.

Burghardt zeigte noch einmal die Zuordnungsproblematik auf. Sicher hat die Katholische Soziallehre auch nicht annähernd all das, was heute Realität ist, allein geleistet - aber sicher ist das alles auch nicht ohne sie geworden.

Die Katholische Soziallehre war weder für ein Laissez-faire noch für ein Zertrümmern, sondern für organisch aufbauende Reformen zugunsten einer gemischten Wirtschaft. Das ist heute der Weg aller: letztlich ein totaler Triumph der Katholischen Soziallehre. HUBERT FEICHTLBAUER

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