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Schwarz auf Rot

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Innerhalb einer Woche trug es sich zu in Wien: daß Johannes Kleinhappl starb und Otto Bauer eine Rede hielt. Vor 15 Jahren, vielleicht auch noch vor zehn, wäre manches Aufheben darum entstanden. Das Geschichtsbewußtsein hat mittlerweile ab-, die Gleichgültigkeit hat zugenommen. Wer war schon Johannes Kleinhappl, der mit 86 Jahren seine Augen schloß? Wer ist Otto Bauer, der Dreiundachtzigjähri- ge?

Dr. theol. et rer. pol. Johannes Kleinhappl war Jesuit, bis ihn die Societas Jesu 1948 veranlaßte, die Professur für christliche Sozialethik an der Universität Innsbruck aufzugeben und die Stadt, später auch den Orden (Priester blieb er bis zum letzten Atemzug) zu verlassen. Was er über Arbeit und Eigentum gelehrt hatte, schien manchen naiv, anderen (weil es mit Sympathie für den Sozialismus verbunden war) gefährlich.

Jetzt steht das Lebenswerk des Bergmannssohnes vor einer Neuherausgabe. Dabei wird man auch die Rechtfertigung zu lesen bekommen, die Kleinhappl verfaßte, nachdem ihm das Gutachten seiner Ordensrevisoren zusammen mit dem Urteil (Amtsniederlegung) zugestellt worden war. 30 Jahre mußte die Rechtfertigung in seiner Schreibtischlade liegen. Damals (damals nur?) war es nicht üblich, einen „Verurteilten” anzuhören …

1962 konnte Kleinhappl noch die Veröffentlichung seiner Kemgedanken in dem Buch „Arbeit - Pflicht und Recht” durch den Europaverlag erleben (vgl. den Kurzauszug auf Seite 15). Im Vorwort gestand auch Albert Massiczek den utopischen, aber modellhaften Charakter mancher Kleinhappl-Thesen zu.

Kein theoretisierender Utopist, sondern ein politisierender Aktivist war Otto Bauer, den man zum Unterschied vom damaligen Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei in Österreich den „kleinen Otto Bauer” nannte. Der Hilfsarbeiter aus einer Metallschilderfabrik in der Wiener Zieglergasse gründete zusammen mit Wilhelm Frank 1926 den Bund Religiöser Sozialisten.

Sein Emblem war ein schwarzes Kreuz auf rotem Feld. Sein Ziel war durchaus kein missionarisches. Weder wollten die Religiösen Sozialisten den Marxismus taufen noch alle Christen zu Marx bekehren. Sie wollten nur Zeugen dafür sein, daß man als gläubiger Christ auch Sozialdemokrat,’als überzeugter Sozialdemokrat auch Christ sein könne.

Das bedeutete Krieg an zwei Fronten. Die Parteiorganisation der Freidenker, die sich schon 1925 einer Mitgliedschaft von 180.000 rühmte, griff von links, der politische Katholizismus von rechts an. „In der Partei schirmten mein Namensvetter und Wilhelm Ellenbogen uns ab”, berichtete Otto Bauer, der erstaunlich Junggebliebene, vorige Woche im kleinen Kreis. Auf Seite der Amtskirche gab es ermutigende Privatgespräche mit den Kardinalen Piffl und Innitzer.

Konsequenzen wurden keine sichtbar. Immerhin bemühten sich Männer wie Univ.-Prof. Michael Pfliegler, P. Bichlmair oder Pfarrer Rudolf Hausleithner, aber auch Persönlichkeiten um den Bund „Neuland” und Seelsorgeamtsleiter Rudolf um die Herstellung einer tragfähigen seelsorglichen Basis unter sozialdemokratischen Arbeitern.

1934 wurde mit den Parteien auch der Bund Religiöser Sozialisten aufgelöst. Seit 1940 lebt Otto Bauer in den USA, wo er die Bibliothek Joseph Buttingers aufbaute. In den letzten Jahren kehrte er, so wie heuer, als Privaturlauber nach Österreich zurück - weder von Spitzen der SPÖ noch solchen der kirchlichen Hierarchie empfangen.

Sein Anliegen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Leuten wie dem damaligen Paris-Botschafter Norbert Bischoff aufgegriffen, der 1946 Christen und Sozialisten zu informellen Kontakten zusammenbrachte. 1951 entstand um Albert Massiczek, Max Neugebauer und Otto Tschadek eine lose Arbeitsgemeinschaft für Kirche und Sozialismus, die 1959 als Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Katholiken offiziellen Parteisegen erhielt.

Heute strebt die Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialismus um Herbert Saldier und Alfred Strobl nach Blutzufuhr für eine Formel, die Anton Burghardt 1961 präzise so formuliert hat: „Einen religiösen Sozialismus kann es nicht geben, wohl aber religiös denkende Sozialisten.”

Allen Versuchen dieser Art in der Zweiten Republik war freilich eines gemeinsam: Sie gingen von oben, von Intellektuellen und (wie immer motivierten) Partei- hierarchen aus. Anders lagen die Dinge bei den Religiösen Sozialisten. „Fast urkirchlicher Zustände” erinnert sich Otto Bauer noch heute begeistert: „Frauen brachten Schmuckstücke und Ersparnisse, damit wir ein Vertrauensmännemetz aufziehen konnten, Arbeiter traten einen Teil ihres Lohnes ab. Die Intellektuellen stießen erst später zu uns..

Heute gibt es an der Basis so gut wie kein organisiertes Gespräch. Manche sozialistische Arbeiter gehen zur Kirche. „Trotzdem” sagen sie meistens, und meinen allerlei damit. Manche Kirchgeher, offenbar immer mehr, wählen sozialistisch, oft ohne nähere Bindung zur Partei. Viele Christen aber sind durch die Politik der SPÖ, vor allem in puncto Fristenlösung, zutiefst enttäuscht, vergrämt, zurückgestoßen worden.

Von einer Versöhnungsgeste auf Regierungsseite ist weit und breit nichts-zu sehen. Hier meint man offenbar, daß Geld genüge. Aber auch auf kirchlicher Seite gibt es keine sichtbaren Bemühungen, jene Probleme gemeinsam zu diskutieren, die Christen wie Sozialisten im Gewissen brennen sollten: das Elend der Dritten Welt etwa oder die Antwort auf die neue Sinnsuche der vom materiellen Konsumwahn angewiderten jungen Generation.

Statt gemeinsamer Sinnsuche wird da und dort bestenfalls noch Sündenbocksuche angestellt. Wie anders als nostalgisch hätte dieses Kleinhappl- und Bauer-Gedenken 1979 geraten können?

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