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Otto Bauer II. und Otto Bauer I.

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Im Parteivorstand der SPÖ waren die Meinungen über die Aktivität des „kleinen“ Otto Bauer geteilt. Bauer nennt zwei Spitzenfunktionäre, die sich besonders für die Intentionen dar „Religiösen Sozialisten“ verwendet hätten: Wilhelm Ellenbogen, der auch auf der „Tagung für Christentum und Sozialismus“ 1928 ein Referat hielt, und — den .großen“ Namensvetter. Zwischen Otto Bauer I. und Otto Bauer II. entstand bald eine freundschaftliche Verbindung. Der „kleine“ schildert den „großen“ als einen Sozialisten, der keineswegs als kämpferischer oder auch nur selbstsicherer Atheist auftrat, sondern der ein immer interessierter Gesprächspartner war, den im besonderen das Beispiel christlicher Kriegsdienstverweigerer im ersten Weltkrieg sehr nachdenklich gemacht hatte.

Das Gespräch mit Kardinal Piffl

Von der kirchlichen Hierarchie wurde der Bund zunächst ignoriert. Als aber Bauer einmal um eine persönliche Vorspräche bei Kardinal Piffl ansuchte, war dieser sofort bereit, ihn zu empfangen. Bauer unterbreitete dem Erzbischof eine Resolution, in der die Forderung vertreten wurde, die Kirche solle sich aus ihren Bindungen an die kapitalistische Gesellschaftsordnung lösen.

„Das Klima dieses Gespräches war gut, aber es blieb ohne konkrete Folgen“, erzählt Bauer 40 Jahre später. „Als ich erklärte, Marxist zu sein, sagte Kardinal Piffl: .Wenn Sie als Marxist nur die sozialen Auffassungen von Marx bejahen, habe ich als Bischof dagegen nichts einzuwenden. Wir haben in der Kirche verschiedene Auffassungen.' Piffl machte allerdings die Bitte, diese Äußerung nicht zu veröffentlichen.“ Damals wurde auch das Thema Arbeiterpriester erwähnt, „vielleicht zum erstenmal in der Geschichte“: Bauer schlug vor, die Kirche sollte doch Priester zur pastoralen Ausbildung in die Fabriken zur Arbeit senden; ein Vorschlag, der ohne Echo blieb.

Durch die „Sozaalistenseeisorge“ Michael Pflieglers, vor allem aber durch P. Bichlmayer SJ. blieb Bauer mit der Hierarchie in Verbindung außerdem entstanden damals — Ende der zwanziger Jahre — zahlreiche Kontakte auf der Ebene dei Pfarren. Einmal wurde Bauer aucl zu einem Vortrag ins Salzburger Priesterseminar eingeladen. Aus dieser Zeit stammen auch viele persönliche Beziehungen zu Priestern.

„Quadragesimo anno“

1930 forderte P. Bichlmayer den Bund auf, eine Denkschrift nach Rom zu schicken; „Quiadragesdmo anno“ stand unmittelbar bevor. In dieser Denkschrift präzisierte der Bund seine Vorstellungen. Die Enzyklika selbst wurde dann, vor allem wegen ihrer Formulierung, religiöser Soziaiismus sei ein Widerspruch in sich selbst, als („wenn auch nicht hundertprozentige“) negative Antwort auf die Denkschrift gewertet. Dennoch war P. Bichlmayer der Ansicht, die Auffassungen des Bundes seien akzeptabel — aber nur außerhalb der Partei. Viele Katholiken traten auch aus dem Bund und damit aus der SPÖ aus. Doch Otto Bauers Antwort an P. Bichlmayer war ein klares Nein: „Ein Sozialismus außerhalb der Partei ist ein Sozialismus außerhalb des Proletariates.“

Damit war der Bund in seinem Kern getroffen. Die Hierarchie entzog ihm ihr „distanziertes Wohlwollen“ — so könnte man ihre bisherige Haltung umschreiben —, der Bund konnte seine Funktion als Brücke zwischen Kirche und Sozialismus nicht mehr erfüllen. Vor die Wahl gestellt, sein Engagement entweder mit Billigung der Hierarchie außerhalb oder ohne deren Billigung innerhalb der Partei fortzusetzen, entschied sich Otto Bauer für die Partei.

„Quadragesimo anno“ hatte nichl nur die innerkirchliche Position de „Burades Religiöser Sozialisten“ zerstört, sondern auch dessen innerparteiliche. Im Parteivorstand hatten nun die erklärten Gegner des „kleinen“ Otto Bauer, vor allem die aui ihrer Seite: Mit der Absage der Enzyklika an jeden Sozialismus waren die Aussichten auf eine Versöhnung mit der Kirche und auf einen Einbruch in das katholische Wählerreservoir geschwunden. Die Motive seiner damaligen innerparteilichen Gagenspieler beurteilt Bauer heute sehr konziliant: „Das Freidenkertum der Arbeiter war eigentlich kein Atheismus, sondern Entfremdung von der Kirche.“

Anfang 1934 kam Bauer im Auftrag seiner Partei zu Kardinal Innitzer. Die Bischöfe hatten beschlossen, alle Priester sollten ihr« (chrisitlichsozialen) Parteiämter niederlegen. Vor allem der „große“ Otto Bauer vermutete in diesem Beschluß eine mögliche Bereitschaft der Hierarchie zu einer Verständigung, und so wurde der „kleine“ Otto Bauer zum Kardinal geschickt. Bauer versuchte Innitzer klarzumachen, daß die Sozialdemokratie nicht kampflos resignieren werde, daß also jedes weitere Vorgehen 'der Regierung gegen die SPÖ den Bürgerkrieg bedeute. Innitzer war ergriffen und sagte, mit Tränen in den Augen: „Das alles sollte man dem Bundeskanzler sagen.“ Als Bauer meinte, der Kardinal selbst wäre doch der geeignete Mann für eine Vorspräche beim Kanzler, erwiderte Innitzer: „Ich? Mich empfängt er doch nicht!“

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