Kirche als Leidenschaft

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Erinnerung an Ferdinand Klostermann. Zum 20. Todestag des streitbaren Konzilstheologen.

Bald nach seinem Tod am 22. Dezember 1982 in Wien ist es still geworden um den einst so bekannten Professor und Konzilstheologen Ferdinand Klostermann. Seine Untersuchungen über das christliche Apostolat, über Priester und Laien, die Katholische Aktion und die christliche Gemeinde haben großen Einfluss auf Konzilstexte ausgeübt und wurden noch bei den nachkonziliaren Synoden heftig diskutiert. Wo es um die Kirchenbilder des 2. Vatikanischen Konzils oder um das "Prinzip Gemeinde" ging, um die "Priester für morgen" oder um "die pastoralen Dienste heute" (um einige Titel seiner Bücher zu nennen), war Klostermann im In- und Ausland ein geschätzter Fachmann und begehrter Referent. Nach seinem Tod wurden seine Bücher nicht mehr gekauft und verschwanden aus den Buchhandlungen.

Klostermann sagte selbst einmal einige Jahre vor seinem Tod: "Von mir wird nicht viel übrig bleiben. Ich kann nur dicke Bücher schreiben, die dann doch nicht gelesen werden. Aber das macht nichts. Ich brauche keine Denkmäler. Es genügt mir, wenn ich durch die Arbeit, die ich mir angetan habe, einen kleinen Beitrag zur Erneuerung der Kirche aus den Quellen leisten konnte."

Vom Bund Neuland geprägt

Die Kirche war seine Leidenschaft, "ein heftiges, kaum zu beherrschendes, von innerer Spannung erfülltes Verlangen", wie der Duden diesen Begriff beschreibt. Aber auch eine Leidenschaft, "die mit Eifer sucht, was Leiden schafft" (Schopenhauer). Noch ein Jahr vor seinem Tod schrieb er einen Aufsatz über "Leiden an der Kirche", der an das Psalmwort erinnert: "Der Eifer für dein Haus verzehrt mich." Für sein Totenbildchen bestimmte er ein Gebet, das Kardinal Newman in Ahnung des Todes geschrieben hat: "Führe, du mildes Licht im Dunkel, das mich umgibt, führe Du mich hinan ... Du hast so lang mich behütet, wirst mich auch weiter führen: über sumpfiges Moor, über Ströme und lauernde Klippen, bis vorüber die Nacht."

Ferdinand Klostermann wurde am 21. März 1907 im salzburgischen Steindorf an der Grenze zu Oberösterreich geboren. Er maturierte am Bischöflichen Gymnasium in Linz und trat dort in das Priesterseminar ein. Als Student an der Philosophisch-theologischen Lehranstalt schloss er sich dem Bund Neuland an, der ihn geistig prägte. Mit 22 Jahren wurde er zum Priester geweiht und war dann als Kaplan in Grein, ab 1933 in Bad Ischl. Dort sammelte er Mittelschüler aus den verschiedenen Schulen des Landes um sich, um sie religiös zu führen. Die dabei gemachten Erfahrungen erwiesen sich für seine spätere Aufgabe als Diözesan-Jugendseelsorger, aber auch für seinen Umgang mit Studenten als sehr wertvoll. In vielen Nächten schrieb er eine Dissertation und wurde 1936 in Graz zum Doktor der Theologie promoviert.

Nach dem Anschluss 1938 holte der Linzer Bischof Johannes Maria Gföllner den wegen seiner theologischen Kompetenz und politischen Wachheit bekannt gewordenen Kaplan als Sekretär an die bischöfliche Kurie. Faktisch arbeitete er aber als Diözesan-Jugendseelsorger und leitete das Referat Studentenseelsorge im Bischöflichen Seelsorgeamt.

Neun Monate Gestapohaft

Trotz aller angewandten Vorsicht blieb den NS-Behörden das Wirken Klostermanns nicht verborgen. Er wurde wiederholt zur Geheimen Staatspolizei (Gestapo) zitiert und schließlich ohne Angabe eines Grundes verhaftet. Nach fast neun Monaten wurde er - wieder ohne Angabe eines Grundes - aus dem Gefängnis entlassen und angewiesen, seinen Wohnsitz "nördlich der Mainlinie" zu wählen. Er ging nach Berlin und arbeitete dort als Kaplan in der Pfarre St. Agnes mit. Nach einem schweren Bombenangriff im Februar 1945 kehrte er nach Linz zurück und wirkte wieder als Diözesan-Jugendseelsorger; später wurde ihm auch noch die Akademiker- und Studentenseelsorge übertragen.

In Klostermanns Lebenswerk lassen sich einige Wendepunkte erkennen. Er kam von der Jugendseelsorge her und bewährte sich auf diesem Gebiet vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit. Im Grunde ist er immer Jugendseelsorger geblieben. Noch während seiner akademischen Tätigkeit in Wien lag ihm mehr daran, fragenden jungen Menschen Anregungen zum Weiterdenken der christlichen Botschaft sowie zur Bewältigung ihres Lebens als Christen zu geben, als ihnen eine fertige Theologie zu vermitteln.

Theologie der Gemeinde

Der von Klostermann wesentlich mitgetragene Aufbau der Katholischen Aktion in der Diözese Linz (ab etwa 1948) veranlasste ihn, sich gründlich mit den Fragen des Apostolats der Laien auseinander zu setzen. Sein Buch "Das christliche Apostolat" (1962) brachte ihm sowohl den Ruf zum Professor der Pastoraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät Wien als auch die Ernennung zum Konzilstheologen ein.

Doch gerade in Rom wurde sein damals noch stark hierarchisch ausgerichtetes Denken in Frage gestellt. Er kam mehr und mehr zu der Auffassung, dass die Zukunft der Kirche in ihrer gemeindlichen Verfassung liegt: Dieser Kirche, die nach dem "Prinzip Gemeinde" lebt, schenkte er nun bevorzugt seine Aufmerksamkeit, was in ihm eine gewisse Distanzierung von der Idee der Katholischen Aktion als der offiziellen Laienorganisation der Kirche zu Folge hatte. Die Tischgespräche mit Otto Mauer und Karl Strobl in der Hochschulgemeinde Wien kreisten oft um diese Fragen und waren manchmal ziemlich heftig.

Das Interesse für andere Kirchen und Religionsgemeinschaften beschäftigte den Theologen ständig. Kurz vor seinem Tod vollendete er noch die 2.000 Seiten des Manuskripts für ein Buch mit dem Titel "Die Zukunft der Ökumene".

Heiliger Zorn, oft unverstanden

Mutig setzte er sich für Reformen ein und stieß dabei auch auf Widerstand. Seine Verärgerung, ja sein Zorn galt oft auch Bischöfen, denen es seiner Meinung nach nicht so sehr darum ging, die Anliegen ihrer Diözesen in Rom zu vertreten, als römische Anordnungen in ihren Bistümern durchzuführen.

Klostermanns Kritik machte auch vor den Päpsten nicht halt, was ihm manche verübelten. Für viele war es schwer zu verstehen, dass seine oft harte und auch subjektive Kritik aus einer lebenslangen Sorge um die Orientierung der Kirche am Evangelium kam. Sie waren nicht bereit, seinen Zorn als einen heiligen Zorn anzuerkennen, seine Leidenschaft als Liebe, seine Kritik als Interesse an der Sache. Je mehr sich manche von ihm zurückzogen, desto mehr schätzte er die Begegnungen mit Freunden, die ihm treu geblieben waren. Gerade ihnen gegenüber wollte er nicht schweigen über Zustände, die ihm unrecht erschienen.

Er war unbestechlich und unbequem, wenn es um die Kirche ging. Er suchte keine Anhänger, um sich von ihnen verehren zu lassen. Er konnte aber auch einlenken, wenn ein anderer stärkere Argumente hatte als er. Keinesfalls war er ein Populist, der flexibel das vertritt, was das jeweilige "Volk" gerade hören will, und auch kein Untertan, der bereitwillig einer Meinung zustimmt, bloß weil sie von "oben" kommt.

Ohne diese Menschen, die auch herausfordern und widersprechen können, gibt es keine Erneuerung, keine Reform und keine Entwicklung in der Gesellschaft und in der Kirche. Sie selber haben es oft schwer und machen es anderen nicht leicht. Aber es lohnt sich, auf sie zu hören und nach ihrem Tod an sie zu erinnern.

Der Autor ist emeritierter Professor für Pastoraltheologie an der Kath.-Theol. Privatuniversität Linz.

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