6746870-1967_12_04.jpg
Digital In Arbeit

FERDINAND KLOSTERMANN / THEOLOGIE DER AKTION

Werbung
Werbung
Werbung

Die Zeit der Nur-Praktik in der Pastoral ist abgelaufen; auch der theoretischem Denken abholde Klerus Österreichs hat das begriffen. Schon zur Erfassung des Status ecclesiae, zur Diagnose bedarf es wissenschaftlicher Mittel und Methoden, nicht nur des vielzitierten guten Willens. Universitätsprofessor Dr. Ferdinand Klostermann praktiziert diese Theorie der Pastoral auf der theologischen Fakultät der Universität Wien in Form einer Problemwissenschaft. Denn auch diese Zeiten sind vorbei, in denen man Tradiertes, ein wenig angereichert, weitertradieren konnte.

Klostermann ist aber nicht nur modern, weil er Statistik, Soziologie, Psychologie, Geistesgeschichte als Hilfswissenschaften der Pastoral verwendet; er betreibt dazu und vielmehr eine theologische Analyse und Interpretation der facts: Kirchenabfall, Verlust der theokratischen Position in der Welt, Einbruch der kritischen Wissenschaftsmethoden in die Theologie ... Klostermann betreibt Kairologie, die' theologische Deutung der „Zeichen der Zeit“, von denen der unvergeßliche Papst Johannes sprach. Klostermann war peritus des Vatikanums II; nicht nur Zuschauer oder Kommentator, sondern Mitarbeiter; seine Gedanken und Formulierungen als Arbeiter in der Kommission für das Apostolat der Laien und am Schema XIII „Kirche und Welt“ sind vielfach in die Texte eingegangen. Seinem wachen Verstand ist es zu verdanken, daß manche oberflächliche, undurchdachte Textierung unterblieb.

Sein tausendseitiges Buch „Das christliche Apostolat“ (Tyrolia, 1962) lag den Vätern des Konzils vor. Dieses mit stupendem Fleiß gearbeitete Werk ist das Produkt einer vieljährigen Arbeit als Assistent der Katholischen Aktion, zuerst in der Diözese Linz, dann zusätzlich in der Katholischen Aktion Österreichs, als deren Chefideologe und theologisches Gewissen Klostermann angesprochen werden kann. Katholische Aktion war für Klostermann nie eine pressure-group, die sich der Kirche für eigene Zwecke zu bemächtigen trachtet, sondern organisiertes Apostolat im Dienste der Kirche als Mission, zuhanden der Bischöfe; allerdings kein totes Instrument, keine Apparatur, sondern Initiative, Verantwortung, mündiges, reflektiertes Christentum.

Klostermann selbst ist kein Konformist. Als Sohn eines Eisenbahners in Steindorf, Pfarre Straßwalchen, am 21. März 1907 geboren, fühlte er sich nie als Repräsentant einer herrschenden Schichte, weder in Gesellschaft noch Kirche. Das NS-Regime verbannte den gefährlichen Mann, nach Gestapo-Haft im Polizeigefängnis, mit gutem Instinkt „nördlich der Mainlinie“. Er bewahrte die Unabhängigkeit und Kritikfähigkeit seines Denkens in allen Situationen und Positionen.

Keiner Partei verpflichtet blieb er dennoch nie kühler Beobachter, sondern immer engagierter Mann der Kirche mit dem weiten Horizont derer, die weder an ihrer Karriere noch an der Verfechtung ihrer Gruppeninteressen arbeiten.

Klostermann ist ein Vorkämpfer des Engagements der Kirche in der Welt, der Entgettoisierung der katholischen Gesellschaft; ihm schwebt eine Kirche des Dienstes, nicht der Selbstmacht und des Selbstzweckes vor, eine Kirche, die sich mit keiner Gruppe verheiratet und allen offensteht, eine Kirche, die ständig in Reform ist, die weder der Selbstkritik ermangelt noch ihre Selbstaufgabe proklamiert;

Klostermann, Mitarbeiter der Paulusgesellschaft, Gründer eines Forums mit evangelischen Theologen, anwesend bei Vernissagen von Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, im Gespräch mit Atheisten, geladen in sozialistische Kreise, ist ein ökumenischer Typ, eine spezifische Person und Figur unserer Zeit, die in Krise und Bewegung ist, unserer Kirche, die gläubig und beherzt ihrer Zukunft entgegentritt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung