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Absichtslose Brüderlichkeit

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Im Ergebnis von Umfragen unter Klerus und Laien, die vor Beginn der zweiten Sitzungsperiode des Konzils veranstaltet wurden, tauchte häufig der Wunsch nach einer klareren Darstellung des Laien, seiner Stellung in der Kirche, seiner apostolischen Funktion für diese, seiner Rechte und Pflichten im kirchlichen Raum, nach einer Verankerung seiner Stellung im Kirchenrecht auf. Ein legitimes Verlangen, das dem „aktiven“ Laien, dem Laien der Katholischen Aktion, vor allem am Herzen liegen dürfte. Jenem organisierten militanten Laien, der, geschult und mit einem klarem Programm und einer Reihe von Apostolatsmethoden ausgerüstet, dem Seelsorger in seiner Aufgabe zur Seite steht.

Die Situation der Zeit hat die Ausbildung dieses „Assistenzapostolats“ (Ferdinand Klostermann, „Das christliche Apostolat“) notwendig gemacht. Die Akzentuierung dieser spezifischen Apostolatsform, bedingt durch die Existenz eines geschulten, militanten, organisierten Atheismus, hat jedoch, so scheint es, eine andere Form weithin überdeckt, zu der weder das Kirchenrecht, ein besonderes Organisationsstatut, noch eine eigene Sendung oder Weihe verpflichten, sondern Taufe und Firmung allein: eine Apostolatsform, die Klostermann das „Grundapostolat" nennt.

Wenn hier im folgenden von diesem Grundapostolat gehandelt werden soll, so unter ausdrücklicher Betonung der Notwendigkeit und Berechtigung aller anderen organisierten oder nichtorganisierten Formen des Laienapostolats. Es geht hier nicht um eine Korrektur des Vorhandenen, sondern eher um eine Besinnung auf seine Grundlagen.

Der Mensch in der Reserve

Ärzte, Priester, Psychologen und Pädagogen bestätigen, daß der Mensch in seiner Substanz unter dem Druck einer verstädterten, anonym ’ gewordenen, fechnizistisch-rationalistischen Welf zu verkümmern droht. Organisierten Gruppen und ihren Programmen gegenüber bleibt er meist in der Reserve und schließt sich schwer an. In der Anonymität seines Daseins bleibt er aber trotzdem ansprechbar für eine nachbarschaftliche Einladung, für ein Gespräch, einen Gelegenheitsdienst — kurz: für „Mitmenschlichkeit“ (mit den Worten Brüderlichkeit und Nächstenliebe ist viel Anspruchsvolleres gemeint, man sollte sie daher nicht zu oft strapazieren).

Man hat sich daran gewöhnt, an die Verchristlichung der Welt mit einer eigenen Strategie heranzugehen, mit Zustandsänderungen bezweckenden Methoden. Den Menschen für das Christentum zu gewinnen ist jedoch nicht

Sache einer Strategie, sondern der Liebe, die den Nächsten liebt, weil Gott ihn liebt, weil Jesus sein Bruder ist.

Diese Liebe ist nicht die Summe von Gefälligkeiten, die dem Nächsten so lärfge ėr i šeri!iwerdeii; bis er einem die Gegengefälligkeit tut, sich zu bekehren. Sie ist etwas anderes als apologetische Menschenfreundlichkeit. „Der missionarisch Tätige ist an sich etwas anderes als ein Menschenfreund. Was er anstrebt, ist das freie Entstehen eines Glaubensaktes. Wenn er nun als aufopferungsfreudiger, allem Elend offener Mensch sich bemüht, Not zu lindern, so muß er sich vollständig darüber im klaren sein, daß er einerseits keinen Hintergedanken haben darf, der seine Hingabe verdirbt, und daß anderseits sein apostolischer Eifer niemals aufhören darf, sich über diese rein menschliche Ebene hinauszubewegen" (Dumery, „Die drei Versuchungen des modernen Apostolats").

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