Am Pfingstsonntag zu sterben, einen passenderen Zeitpunkt hätte sich Wilhelm Zauner nicht aussuchen können. Als weltoffener Theologe war er überzeugt davon, dass der Geist weht, wo er will und dass sein Wirken auch nicht durch die Kirche vereinnahmt werden kann. Prägend für sein späteres Leben wurde sein Hineinwachsen in eine junge aktive Kirche im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Dafür lohnte es sich auch, den Weg zum Priester zu gehen und seine musikalischen Ambitionen zurückzustellen. Im Theologiestudium in Innsbruck lernte er Karl Rahner kennen. Ein kritischer Geist -bei aller Loyalität zur Kirche -, das wurde prägend für ihn. Nach der Promotion 1955 ging er in die Pfarrseelsorge, wurde 1962 Diözesanseelsorger für Akademiker, Studenten und Mittelschüler und mit der Errichtung der Katholischen Hochschulgemeinde in Linz betraut. Ferdinand Klostermann, Karl Strobl, Otto Mauer waren wichtige Weggefährten in dieser Zeit. Gemeinsam mit ihnen wirkte er am Aufbau der Katholischen Aktion der Nachkriegszeit mit. Seine Ernennung zum Professor für Pastoraltheologie in Linz 1970 eröffnete ihm neue Wege zur Mitgestaltung der Kirche Österreichs. Als Vizepräsident des Österreichischen Synodalen Vorgangs, Vorsitzender der Pastoralkommission Österreichs und des Österreichischen Pastoralinstituts war er eine der Schlüsselpersonen der Synodenära. Wie seine Wahl zum Vorsitzenden der Konferenz der deutschsprachigen PastoraltheologInnen 1990 zeigte, erwarb er sich über Österreich hinaus den Ruf eines theologischen Vordenkers. Theologie war für ihn nie eine blutleere akademische Wissenschaftsdisziplin. Für ihn hatte sie die Aufgabe, den Weg der Kirche reflektierend zu begleiten und Menschen den Weg zum Glauben nahe zu bringen. Er investierte viel Zeit und Energie in heute wohl eher als "populärwissenschaftlich" bewertete Projekte wie Glaubenskurse im ORF und Vorträge zu Grundthemen des Christentums vor unterschiedlichstem Publikum. Bis ins hohe Alter war seine Wohnung in Linz regelmäßige Anlaufstelle für viele Freunde und Bekannte, die ihn im Laufe seiner langen seelsorglichen Tätigkeit schätzen gelernt hatten. Er hielt Trauungen, taufte ihre Kinder und stand jederzeit als feinfühliger Gesprächspartner zur Verfügung - und wenn seine Besucher Musiker waren, gab es Hausmusik. Sein Interesse galt bis zuletzt jungen Menschen, ein Teil seiner Bekannten waren auch nicht christlichen Glaubens, denn: der Geist weht, wo er will.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!