Johann Weber - © Foto: APA

Johann Weber: Im Schritt nicht gehemmt

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Am 26. April feiert Johann Weber seinen 90er. Ein "Weberknecht", wie seine engen Mitarbeiter scherzhaft genannt wurden, erinnert an den steirischen Bischof 1969-2001.

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Am 26. April feiert Johann Weber seinen 90er. Ein "Weberknecht", wie seine engen Mitarbeiter scherzhaft genannt wurden, erinnert an den steirischen Bischof 1969-2001.

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Am 10. Juni 1969 bekam Graz endlich einen neuen Bischof. Johann Weber war Pfarrer von Graz-St. Andrä, einer der ärmlicheren Grazer Pfarren. Der neue Bischof nahm als Wahlspruch "Evangelizare pauperipus - Den Armen die frohe Botschaft verkünden" (Lk 4,18). Ein Wort, das er seine ganzen 32 Jahre als Bischof treu und wagemutig als bischöfliche Grundmelodie des Handelns umzusetzen suchte.

Beseelt vom II. Vatikanischen Konzil, setzte er schnell große Impulse. Einführung der Pfarrgemeinderäte, seelsorglicher Umbau der Diözese. Laien wanderten in Mitverantwortung ein. Verwirklichung eines Diözesanrates - im Stil permanenter Diözesansynoden. Querfeldein offenes Gespräch. Errichtung neuer Seelsorgezentren. Geistliche Schwestern als "geschäftsführende" Leitung in Pfarren, Laisierte in seelsorglichen Spezialgebieten tätig. Er war ein Leute-Bischof, er war bei den Menschen äußert beliebt. Weber besuchte in seiner Amtszeit alle 400 Pfarren zweimal! Er ist ein exzellenter, theologischen Tiefgang mit Verständlichkeit in das Leben hinübertragender Prediger und Redner, dem gerne zugehört wurde.

Innerdiözesane Aussöhnung

Er selbst warimmer getragen vom Vorsatz, auch "das Wort des anderen zu retten"(Ignatius von Loyola). In den ersten Jahren seiner Amtszeit war Weber mit großen Auseinandersetzungen vor allem innerhalb des Klerus konfrontiert. Er setzte viel Kraft ein, um Bruchlinien zwischen den Gruppierungen aufzuweichen. Der Steirische Katholikentag "Brüderlichkeit"(1981) symbolisierte auch den Eckstein innerdiözesaner Aussöhnung.

Der frühere Arbeiterjugendseelsorger war ein Mann des öffentlichen Dialoges, weil Glaube und Kirche sich immer auch im Gesamt der Gesellschaft abbilden. Er war (gemeinsam mit den Bischöfen Maximilian Aichern und Helmut Krätzl) Betreiber des wichtigen Sozialhirtenbriefes 1990, der dem gesellschaftlichen Antlitz der Kirche neue Prägung gab.

In einer karfreitagsartigen Drama-Situation der katholischen Kirche wird Johann Weber am 6. April 1995 Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz. Sechs Jahre früher wäre es besser gewesen.

Franz Küberl

In seiner sehr langen Amtszeit hat Weber immer wieder große Impulse gesetzt -auch zum Zusammenwirken im Land, "wie und wovon werden wir morgen leben?", Einladung zu einer "Koalition der Nachdenklichen", um gut in die Zukunft zu kommen. Bündelungen wie im "Tag der Steiermark" 1993 - ein ökumenisches Fest mit interreligiösen Momenten.

Ich erlebte Weber "pur". Anfangs hatte er ein wenig Sorge, aber Mut und Zuversicht gewannen. Er predigte in der Evangelischen Heilandskirche, der Superintendent im Dom. Ein Zeitungsbericht von diesem gemeinsam gestalteten Tag titelte: "Ein Volksfest für Leib und Seele". Er war der erste Bischof, der mit der FPÖ sprach sowie die Kontakte Kirche und Gewerkschaft auf eine kirchenoffizielle Ebene hob und so zu einer großen Entspannung zwischen Industriearbeiterschaft und Kirche beitrug. Als es um den Schutz des Lebens wuchtige Debatten in Österreich gab, initiierte der Bischof in der Steiermark die Plattform "Umfassender Schutz des Lebens" - ein umfassenderer Zugang zu dieser kirchlich wie gesellschaftlich elementaren Frage. Weber hielt auch präzise an der sogenannten "Mariatroster Erklärung" der Bischofskonferenz fest.

Viele Jahre war er Jugendbischof. Die Katholische Jugend war eine konzilsbegeisterte Organisation. Immer für Ideen, die für die einen endlich kamen, für die anderen entsetzliche Entgleisungen darstellten, offen. Anlässe gab es genug. Sexualmoral, politische Linkslastigkeit, Schulreformen, Liturgieentwicklung, Frieden, Gewaltlosigkeit Johann Weber war ein Bischof, der die Jungen mochte und sie ihn. Mit großer Energie führte er zu vielen dieser Fragen Dialoge mit vielen Kirchenleuten.

Mit aufmüpfiger Jugend im Dialog

Seine Überzeugung vom evangeliumsverwurzelten Glauben, der befreit, nicht verengt, half Ausgrenzung zu vermeiden, schaffte vertrauenswürdiges Miteinander, war beste Kircheninvestition in die Zukunft - obwohl es zu dieser Zeit mehr als einen Funktionsträger im katholischen Milieu gab, der am liebsten mit den manches Mal auch struppig sein könnenden katholischen Jugendlichen "abgefahren" wäre.

Ich selbst bin 1972 "Weberknecht" geworden. Als Sekretär in der KAJ Graz-Seckau beginnend. Ganz streng genommen habe ich mehr als einmal Anlass gegeben, dass der Bischof sich über mich ärgern musste. Aber, er hat die Geduld, von der ich schon erzählt habe, auch mir gegenüber gehabt. Und hat mir, wie so vielen anderen jungen Leuten auch, Vertrauen geschenkt, Entwicklungsmöglichkeiten gegeben. 1982 gab es eine große Friedensdemonstration, mit großen Debatten in der Vorbereitung (Kommunistenlastigkeit ), Weber hat uns in der Katholischen Jugend vertraut und ist hinter den Verantwortlichen gestanden. Als alles gut gegangen war, hat er angerufen und uns gratuliert. Da sind wir alle, glaube ich, um drei Zentimeter gewachsen.

Im Lauf der Jahre habe ich immer mehr mit dem Diözesanbischof zu tun gehabt, ihn als nachdenklichen, sich um die Menschen sorgenden Optimisten kennengelernt, der Glaubensfundament, Zukunftsbezogenheit, Lernfähigkeit, aber auch Bescheidenheit elegant zu verbinden wusste. Weber litt unter der Reformschwäche der Kirche, er half mit, dass die Fenster zur Welt offen gehalten wurden. Da ist er Seelenverwandter von Papst Johannes XXIII. Seine Antwort auf die lauter werdende Kritik an Bischofsernennungen war, ein Modell für die Benennung auszuarbeiten. Ihm war sehr klar, dass er sich damit gegenüber dem Vatikan in die Nesseln setzte. Rom wird die Überlegungen Webers aber noch brauchen.

Viele Jahre war Johann Weber auch der Medienbischof der Bischofskonferenz, seine große sprachliche Begabung und redliche Überzeugungskraft einsetzend. Immer gesprächsbereit, auch wenn seine Umgebung wegen enger Zeitkorsette sorgengebeutelt gewesen sein mag.

Fels in der Affäre Groër

In einer karfreitagsartigen Drama-Situation der katholischen Kirche wird Johann Weber am 6. April 1995 Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz. Sechs Jahre früher wäre es besser gewesen. Was Webers Wahl für die Katholiken in Österreich bedeutete, zeigte der Posteingang beim neuen Vorsitzenden. Tausende Gläubige aus ganz Österreich wandten sich mit (Glück-)Wünschen an den neuen Hoffnungsträger. Ich staune heute noch, mit welchem Elan er diese Kapitänsfunktion in kirchlich sehr stürmischer Zeit anging - ohne in seiner Sorge um die Menschen seiner Diözese nachzulassen - in der Überzeugung, dass der Mensch der Weg der Kirche ist. Daher möglichst oft bei ihnen, aber (zu?) selten im Vatikan. Seine Fähigkeit, Mitbischöfe mit auf den Weg zu nehmen, ständig einsetzend (Bischof Stecher erzählte mir einmal, dass er Weber sehr schätze, aber dauernd rufe der Vorsitzende ihn an und bitte ihn um eine weitere Aktivität ).

Mitten in die Kirchenvolksbegehrensdebatte nach 1995 brachte er den zukunftsöffnenden "Dialog für Österreich" ein (der in Rom nicht nur Freunde brachte -Papst Franziskus hätte heute seine Freude damit ), immer beseelt für Einübung besseren Miteinanders in der Kirche und in gesellschaftlicher Mitverantwortung.

Johann Weber, der seiner Zeit so oft voraus war, hat vielen Tausend Menschen zugehört, als Bischof wohl mehr als 10.000 mal gepredigt, unendlich viele Reden gehalten, sehr viele Interviews gegeben, viel geschrieben: Hirtenbriefe, Bücher und hilft bis heute seelsorglich aus. Ist an kirchlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen hochinteressiert. Und seinem bischöflichem Wahlspruch, "den Armen die frohe Botschaft bringen", durch alle Großartigkeiten und Widrigkeiten seines bischöflichen Seins treu geblieben.

Der Autor war zuletzt - bevor er 2016 in den Ruhestand trat - Caritasdirektor der Diözese Graz.

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