Der Hierarch als Volksbischof

Werbung
Werbung
Werbung

Maximilian Aichern, emeritierter Bischof von Linz, beging sein 30-jähriges Amtsjubiläum: ein Seelsorger, kein Administrator des pastoralen Verfalls.

Das war meine erste Begegnung vor dreißig Jahren: Der damals neu ernannte Linzer Bischof Maximilian Aichern stimmte meinem Wechsel von Wien nach Linz zu. Natürlich war es ein Vertrauensvorschuss, mich, den kecken Studentenseelsorger und Autor einiger umstrittener Bücher, freundlich aufzunehmen. Mit präzisem Personengedächtnis eröffnete mein künftiger Bischof das Vorstellungsgespräch: "Ja, ich habe ihren Vater gekannt.“ Der war katholischer Publizist und Journalist gewesen und wenige Jahre zuvor verstorben. Ähnliches sollte mir in der Folge noch öfter auffallen: Auf einem gemeinsamen Gang durch die Bischofsstraße sah er einen älteren Herrn, ging auf ihn zu, begrüßte ihn spontan und erinnerte ihn an eine Pfarrvisitation zwei Jahre zuvor. Der Angesprochene, sichtlich gerührt, erzählte von seiner schwerkranken Frau, die er soeben im Spital besucht habe.

Ein Mensch mit Empathie

Inzwischen habe ich unzählige Male erlebt, wie Bischof Aichern mit großer Herzlichkeit und Empathie auf Menschen zugeht. Ohne hierarchische Distanz, wie sie bei vielen Bischöfen geradezu automatisch entsteht, vor allem wenn sie allzu oft mit bischöflichen Insignien auftreten. Wer zum schwarzen Sakko ein goldenes Brustkreuz samt ebensolcher Kette trägt, darf sich nicht wundern, wenn ihm die Menschen mit scheuer Ehrfurcht begegnen. Ähnliches gilt für die abgehobene Sprache, auch die Körpersprache vieler Bischöfe. Bei manchen Hierarchen hat man den Eindruck, sie würden sich die Menschen mit spitzen Fingern vom Leibe halten. Doch Bischof Maximilian sucht die Nähe der Menschen: ein Bischof zum Anfassen.

Ihm verdanke ich eine unvergessliche Stunde: Ein Anruf bittet mich zu ihm, er erwartet mich an der Tür, ergreift meine Hand und sagt: Komm, setz dich nieder und reg dich nicht auf! Völlig ahnungslos nehme ich Platz und erfahre in behutsamen sätzen: Ein Brief von Rom sei gekommen, mehrere Seiten lang, die Unterschrift von Kardinal Ratzinger und der Inhalt: Eines meiner Bücher enthalte mehrere Irrlehren, etwa die Forderung der Frauenordination. Der Bischof wird ermahnt, bei mir, seinem Untergebenen als Akademiker- und Künstlerseelsorger, Konsequenzen zu ziehen. Bischof Maximilian spricht mit mir, ernsthaft, aber auch mit Verständnis für einen jungen, kecken theologischen Autor. Ich sage zu, im Fall einer Neuauflage den Text zu überarbeiten. So würde er es auch dem Kardinal in Rom berichten. Beide verabreden wir aber, über die Sache zu schweigen. Daran halten wir uns, solange Kardinal Ratzinger Präfekt der Glaubenskongregation ist. Mein Verlag hätte damals wohl gern damit Werbung gemacht.

In den 23 Jahren, in denen er mein Chef war, musste mich Bischof Aichern wiederholt im Auftrag der Bischofskonferenz ermahnen. Die Balance von Ernsthaftigkeit und Güte in seinem Tadel hat einerseits meine früher jugendliche Unbekümmertheit gebremst, andrerseits mein Engagement sachlich gefestigt. Rückblickend erkenne ich seine wohlwollende Ambition, die sowohl die Aufsichtspflicht erfüllt, als auch meine Selbstverantwortung respektiert. Es ist ja nicht so, dass ich solche bischöfliche Zurechtweisungen genossen hätte, aber ich konnte sie akzeptieren - und sie haben mich nicht beschädigt. Dass man ihm diese einfühlsame Art, seine Diözese zu leiten, in Rom übel nahm, hat meine - und wahrscheinlich nicht nur meine - Solidarität mit ihm bestärkt. Er wollte seiner Diözese nicht nur ein guter, sondern auch ein gütiger Bischof sein.

In den letzten Jahren seiner Amtszeit, vom Nachfolger Ludwig Schwarz weitergeführt, startete der "Zukunftsprozess“ mit dem Motto "Den Wandel gestalten“: Anders als in anderen Diözesen wird dabei versucht, die Pfarren möglichst am Leben zu halten und dem dramatisch zunehmenden Priestermangel durch geschulte Pfarrleitungsteams zu begegnen.

Kirche soll nahe bleiben

Die Kirche soll im näheren Umfeld der Menschen lebendig bleiben. Das würde dem notwendigen Gestaltwandel der Kirche zugute kommen. Unüberschaubar große Zentralpfarren außerhalb der konkreten Lebensräume soll es nicht geben. Hier kann man erkennen, dass Bischöfe, die sich als Seelsorger verstehen, nicht zu Administratoren des pastoralen Verfalls werden wollen.

Das Fest zum dreißigjährigen Bischofsjubiläum am 22. Jänner füllte den Linzer Dom: die sechs im Altarraum versammelten Bischöfe boten einen Altersdurchschnitt von beinahe 80 Jahren. Was soll man dem hinzufügen? Außer: Danke, Bischof Maximilian!

* Der Autor ist Künstler- und Akademikerseelsorger in Linz sowie Vorstandsmitglied der Pfarrer-Initiative

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung