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Allen Mahner und Animator

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Der Kärntner Diözesanbischof, Dr. theol. et phil. Joseph Köstner, hat Anfang März dieses Jahres das 75. Lebensjahr erreicht und sein Rücktrittsangebot eingereicht. Der Heilige Vater hat es mit 25.April 1981 angenommen und den bisherigen Bischof zum Administrator seiner Diözese mit allen Rechten eines Residentialbischofs bestellt, bis ein neuer Bischof ernannt ist. So findet ein Lebenswerk seinen Abschluß, der nicht auch ein Abschied ist.

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Der Kärntner Diözesanbischof, Dr. theol. et phil. Joseph Köstner, hat Anfang März dieses Jahres das 75. Lebensjahr erreicht und sein Rücktrittsangebot eingereicht. Der Heilige Vater hat es mit 25.April 1981 angenommen und den bisherigen Bischof zum Administrator seiner Diözese mit allen Rechten eines Residentialbischofs bestellt, bis ein neuer Bischof ernannt ist. So findet ein Lebenswerk seinen Abschluß, der nicht auch ein Abschied ist.

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Der zweite Weltkrieg war noch kaum zu Ende, als am 25. Juni 1945 der Ruf an den Religionsprofessor, den 39jähri-gen Josef Köstner, erging, nach sechsjähriger Sedisvakanz als 63. Bischof von Gurk in die Nachfolge der Apostel einzutreten. Anläßlich seiner Weihe am 5. August des gleichen Jahres im Klagenfurter Dom nahm er sich das Apostelwort „Allen alles sein“ (1 Kor 9,22) als Wahlspruch.

Das Zitat ist vielleicht das kennzeichnendste Wort für die Persönlichkeit dieses Mannes. „Allen alles sein“ - das klingt zunächst wie eine unerhörte Anmaßung, so als ob ein Mensch für sich in Anspruch nehmen könnte, allen anderen Menschen alles sein, alles bedeuten zu können. Wer Bischof Dr. Köstner kennt, der weiß, daß dieser bescheidene Mensch eines solchen Gedankens nie fähig sein konnte.

Aber er ist diesem Wahlspruch in ganz anderer Weise gerecht geworden: „Allen alles sein“ - das kann auch heißen, sich restlos, mit allen Fähigkeiten und allen Schwächen, in den Dienst des

Bischofsamtes, in den Dienst an den Menschen zu stellen, sich ganz verfügbar zu machen. In den 36 Jahren an der Spitze seiner Diözese hat Bischof Dr. Köstner das bewiesen; der letzte „Fürsterzbischof* von Gurk in einer acht- hunderjährigen Reihe (der Titel wurde 1953 abgeschafft) war kein Herrscher.

In einer Zeit, die meist nur die sichtbaren, meßbaren Leistungen eines Menschen gelten läßt, könnte eine solche Haltung einem Bischof als Schwäche ausgelegt werden. Wie viele von uns haben sich nicht gelegentlich ein bestimmteres Wort unseres Bischofs gewünscht, wenn wir etwas durchsetzen wollten und wie viele haben sich nicht um Unangenehmes herumgedrückt, weil er ja „nur“ gebeten und nicht befohlen hatte? Und hat nicht so mancher der ‘Versuchung nachgegeben, seine eigene Verantwortung für einen Teilbereich der Diözese gleich dem Bischof zuzuschieben, statt sich ihren Anforderungen zu stellen?

ßberblicken wir diese 36 Jahre - nur ein Bischof in der langen Reihe hat unsere Diözese länger regiert -, dann beeindruckt, was diese Zeitspanne auch einem Bischof abverlangt hat. Da waren die Wunden zu heilen, die der Krieg dem Land und seinen Menschen geschlagen hat; da war der Wiederaufbau und der sodann erreichte Wohlstand, der wieder ganz andere Opfer forderte, für die zu sorgen war. Was da die Kirche unter der Führung Bischof Köst- ners geleistet hat, ist in seinem Umfang nicht vielen bewußt.

Aber auch in der Kirche hat sich in diesen Jahren vieles verändert: Der Lösung der engen Bindung von Kirche und Staat folgte die Eigenständigkeit auch gegenüberden politischen Kräften. Der gerade für Kärnten typische antikirchliche Liberalismus weiter Kreise wurde seltener. Während allerdings viele dieser Menschen indifferenter geworden sind, hat doch die Kirche auch in diesen Kreisen viele Freunde und so manche Stütze gefunden.

Das Zweite Vatikanische Konzil und die Kärntner Diözesansynode brachten neue Impulse und neue Anforderungen für den Bischof wie für seine Priester und Mitarbeiter. Köstner, mit Abstand dienstältester Diözesanbischof Österreichs, war immer wieder Mahner und Animator von Initiativen zur Erneuerung unsrer Kirche. So manchem ging die Entwicklung zu schnell, so mancher drängte zu stürmisch vorwärts; hier wie dort zeigte der Bischof Verständnis, auch wenn er die jeweiligen Ansichten nicht teilen konnte. Es ist ihm dabei nie leicht gefallen, von sich aus Zugang zu Menschen zu finden und so wird ihm sein Wahlspruch auch da so manches Kreuz auferlegt haben.

Eine der schwersten Lasten, die unser Bischof zu tragen hatte, war die Spannung zwischen deutschsprachigen und slowenischsprachigen Diözesanen. Als Mann des Ausgleichs fand er sich oft genug in der Verantwortung alleingelassen, mißverstanden. Oft hat er zu Angriffen geschwiegen, um niemanden bloßstellen zu müssen. Für mich war es einer der stärksten Eindrücke der Kärntner Diözesansynode 1971/72, als er nach der Abstimmung über die Vorlage „Das Zusammenleben der Deutschen und Slowenen in der Kirche

Kärntens“ zu mir sagte, er freue sich so, daß nun auch andere in diese Verantwortung miteingebunden seien.

Bischöflicher Dienst während 36 Jahren ist eine lange Zeit. So manches davon ist schon Geschichte geworden, so manches, was da geschehen ist, wird in seinen Auswirkungen erst später gewertet werden können. Die Lasten dieser Zeit waren schwer, ja sie sind gewissermaßen an der Physis dieses Menschen sichtbar geworden.

Äußere Anerkennung hat er nie gesucht; dennoch bietet die heutige Regelung bischöflicher Nachfolge Gelegenheit, unserem Bischof selbst zu sagen, wie dankbar wir ihm sind für seinen stillen, unermüdlichen Dienst, für Geduld und Vertrauen, die wir erfahren haben, für das stellvertretende Kreuztragen, dafür, daß er es auf sich genommen hat, „allen alles“ zu sein.

Der Autor ist Präsident der Katholischen Aktion Kärnten.

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