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Zweifach „Grenzland”

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bischöflichen Konsistorium

Es ist fast vermessen, in einem kurzen Artikel sich ein Thema zu stellen, zu dessen einigermaßen sinnerfüllender Darstellung ein Buch kaum hinreichen würde. Noch viel unzureichender muß ein solches Unterfangen dem gläubig „aufgeweckten”, erst recht dem theologisch geschulten Christen erscheinen, der um die göttlichen Höhen und die dämonischen Tiefen weiß, in welche die der Seelsorge anvertraute christliche Existenz des Menschen hineinragt. Aus solchem Wissen um die notwendig gegebene Unzulänglichkeit des Menschenwortes sollen die nachfolgenden skizzenhaften Aussagen gewagt und gewertet werden.

Durch den zweiten Weltkrieg wurde die auf den Diözesansynoden von 1923 und 1933 unter Fürstbischof Dr. Adam Hefter vorbildlich geplantp, mit zäher, zielbewußter Energie geforderte und geförderte seelsorgliche Aufbauarbeit, wenn nicht zerstört, so doch grausam gestört oder unterbrochen. Nach freier Resignation des kranken Oberhirten im „Umbruchsjahre” 1938 leitete mit jugendlicher Tatkraft und viel bewundertem Bekennermut den diöze- sanen „Aufbau im Widerstand” der Kapitelvikar, Weihbischof Dr. Andreas Rohracher, in den letzten zwei Kriegsjahren auch noch als Fürsterzbischof von Salzburg.

Nach dem Kriege mußte unter dem am 5. Aügust 1945 neugeweihten Fürstbischof Doktor Josef Köstnerim Zeichen des allgemeinen Wiederaufbaues im wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben auch der Neuaufbau im kirchlich-seelsorglichen Wirkbereich geplant und gegen allseitig ins Riesenhafte angewachsene Schwierigkeiten durchgesetzt werden. Anläßlich der Diözesansynode in den ersten Septembertagen des vergangenen Jahres konnte ein erster allumfassender Rückblick auf diese Wiederaufbauarbeit gegeben werden. Ein Vergleich des Arbeitsprogrammes dieser letzten Diözesansynode mit dem der Synode von 1933 (1935 im Synodalbuch veröffentlicht) läßt die nach 1945 neu entstandenen, auf bestmögliche Lösung hindrängenden pastoralen Probleme und Aufgaben klar erkennen, vor die Bischof, Seelsorgeklerus und Laienapostolat gestellt waren und bleiben werden. Die Lebensform des Priesters muß über ihre allgemein und allzeit gültigen Inhalte hinaus mit den zeiträumlich bedingten Forderungen in gottgewollten Einklang gebracht werden. Die religiös-sittliche Erziehung der Jugend in Schule, Familie und Kirche ist von der neugewordenen und neuwerdenden Umwelt her vor pädagogische und pastorale Fragen und Notwendigkeiten gestellt, die der hergebrachten Theorie und Praxis noch unbekannt waren. Eine zeitgemäße Wortverkündung im kirchlichen und außerkirchlichen Raum, in der ordentlichen und außerordentlichen Seelsorge fordern vom priesterlichen Verwalter des kirchlichen Lehramtes und dessen Mitarbeitern aus dem Laienstand eine vielfach radikale Um- und Neueinstellung auf das Zeitalter des Technizismus und die damit neugegebenen Verbreitungsmethoden im gesprochenen, geschriebenen und bildhaften Wort. Die „millenare Wende” im kirchlich-liturgischen Leben brachte und bringt eine derzeit noch nicht zu überschauende Kettenreaktion neuer Aufgaben für das Weihe- und „Laien”-Priester- tum des „heiligen Volkes” mit sich. Weckung und Förderung der Priester- und Ordensberufe waren und sind die große Sorge des Oberhirten der Diözese mit dem notorisch großen Priestermangel, der durch Ausfall und Drosselung der NS-Aera noch empfindlicher geworden ist. Die seelsorglichen Aufgaben im schicksalsschweren Lebensbereich von Ehe und Familie stellen sich in immer wieder neuer, immer unheimlicher und bedrohlicher werdenden Sicht und Verantwortungsschwere. Die Pfarrseelsorge ist durch die Wandlung der gesamten soziologischen Struktur zumal des Dorfes, durch das „Pendler”-Wesen, durch die Ueberflutung des Landes mit dem Fremdenstrom bis ins letzte Bergnest immer mehr zur Suche neuer Wege und Wirkweisen der ordentlichen und außerordentlichen Pastorierung und Missionierung gedrängt. Die Katholische Aktion — vielfach noch immer „in Diskussion” — ist nach 1945 in steter, wenn auch langsamer und mühevoller Vorwärts- und Aufwärtsbewegung. Erfreuend und erhebend bietet sich die diözesane Caritas-Arbeit sowohl im Rückblick auf die schweren Nachkriegsjahre im Grenzland als auch im Ausblick auf das nach wie vor weit verzweigte Wirkfeld dar. Ein strahlender Lichtblick im seelsorglichen Aufbauwerk auch der Gurker Diözese ist das immer wacher und lebhafter werdende Interesse und die daraus erblühende Opferbereitschaft für die W e 11- mission der Weltkirche. Noch weitgehender Klärung und Ausrichtung bedürftig ist die Einstellung der Diözesanfamilie in Hinblick auf das zum Teil „im trüben” eines verführerischen Mystizismus fischende, zum Teil in raffinierten Propagandaformen sich aufdrängende Sektenwesen.

Die hier in Form einer Inhaltsübersicht angedeuteten Ergebnisse und Aufgabenstellungen aus dem Rechenschaftsbericht der Diözesansynode 1958 bewegen sich über die Grenzen des Bistums hinaus im Rahmen des gesamtösterreichischen und weltweiten kirchlichen Lebens. Dem interessierten Leser der bereits erschienenen ähnlichen Berichte aus anderen österreichischen Diözesen in der „Furche” sind diese und andere Fragen um den Aufbau der Seelsorge ja nicht unbekannt.

Erwähnt sei hier nur noch das Wesentlichste aus dem „Proprium Gurcense”, der Besonderheiten in der Aufbauarbeit der Gurker Diözese seit 1945.

1. Der Auf- und Ausbau des diö- zesanen Pressewerkes, das zu einem beträchtlichen Teil über die Bistumsgrenzen hinaus wirksam wird, in den altehrwürdigen Bücherbruderschaften (St.-Josefs-Bücherbruderschaft in der Auflage von ungefähr 25.000 der Jahresgabe, die St.-Hermagoras-Bücherbruder- schaft [slowenisch] in der Auflage von ungefähr 7000 der Jahresgabe), ferner in den diözesanen Kirchenblättern für groß und klein: „Kärntner Kirchenblatt” (26.500), „Gotteskinder (21.000 in der Diözese plus 36.000 für Tirol und Steiermark), „Nedelja” (der „Sonntag”, 5700), „Otrok božji” („Kind Gottes”, 2800).

2. Der Auf- und Ausbau der Pfarre als lebendige Kulturgemeinde durch die volksliturgische Erneuerung an Hand des Diözesan-Gebet- und Gesangbuches („Heiliges Volk” bisher in 38.000 Exemplaren von der Gesamtauflage von 45.000, und „Mali misai” = „Kleines Missale” nach Art des „Volks- Schott” in 8000 Exemplaren im Volk verbreitet).

3. Auf- und Ausbau der Diözese und Pfarre als werktätiger Lie- besgemeinde mit überdiözesaner Strahl- und Wirkkraft durch allseitige Caritas-Arbeit.

Zu allem wäre noch zu sagen, daß diese pastorale Aufbauarbeit in einem „Grenzland” zu leisten war und ist. In diesem kommt zum universalen übernatürlichen „Grenzland”-Charakter der Kirche Christi als dem allüberall an den „Erdenstaat” grenzenden „Gottesstaat” ein zusätzlich naturgegebener Grenzlandcharakter hinzu, aus dem sich auch für die episkopale und parochiale Seelsorgearbeit noch zusätzliche vielfache Erschwerungen und Komplikationen ergeben, deren Meisterung ein ebenso zusätzliches Gnadenmaß des „siebenförmigen” Heiligen Geistes erfordert.

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