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Digital In Arbeit

DR. JOSEF STREIDTF / DER GENERALVIKAR

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Nom Dom und vom Erzbischöflichen Palais hängen schwarze Fahnen. Der Generalvikar ist gestorben. Mitten in der Arbeit wurde Weihbischof Dr. Josef S t r e i d t in die ewige Heimat abberufen. Er hatte sich schon vor Monaten nicht mehr wohl gefühlt und nach längerer Krankheit einen Urlaub angetreten. Sein körperlicher Zustand schien sich gebessert zu haben, er klagte nicht mehr über Herzbeschwerden. Nun war er seit einigen Tagen wieder in seinem Arbeits

zimmer in der Wollzeile. Es waren die Tage eines klirrenden Frostes in Wien, aber er hatte die Fenster geöffnet, er brauche frische Luft, sagte er. Am Samstagvormittag war, wie jeden Tag, Dienstbesprechung im Zimmer des Kardinals. Weihbischof Dr. Streidt berichtete über seine Agenden, als er plötzlich stockte und sich ans Herz griff. Ein kleiner Krampf, meinte er, es würde schon vorübergehen. Der Kardinal war um ihn bemüht, als er sich plötzlich verfärbte und buchstäblich in den Armen des Kardinals starb. Ein Herzschlag hatte seinem Leben ein Ende bereitet. Der zu Hilfe gerufene Arzt konnte nur noch den Tod feststellen.

Mitten in seiner Arbeit ist er also gestorben, und Arbeit war sein ganzes Leben. Wenn es einen Idealtyp eines Generalvikars gibt, so hat Josef Streidt ihn verkörpert. Und doch war er mehr als ein Mann der Verwaltung, ein treusorgender Hüter, verantwortlich für den inneren Betrieb einer Diözese. Die Trauer, Bestürzung und Schmerz, den die Nachricht von seinem Tod in der ganzen Diözese und bei tausenden Menschen hervorrief, denn tausende Menschen haben ihn gekannt, beweist dies. Er war keine herrscherliche Gestalt, kein Mann großer Reden und großer Gesten, kein harter Rechthaber, er hat in einmaliger Weise das Wesen des Priesters verbunden mit den Aufgaben, eine der groß:

Diözesen der Welt zu verwalten. Er hat diese Diözese gekannt wie kein zweiter. Er kannte die Sorgen der Pfarrer, er wußte um die Nöte der jungen Kapläne, er kannte das Leben jedes einzelnen. Alles, was es in einer so großen Diözese an Schwierigkeiten sachlicher und personeller Art, an Spannungen und Vorfällen gab, kam letztlich zu ihm. So wie er sich niemals vor einem Menschen verschlossen hat, so verschloß er sich auch niemals vor den Aufgaben, auch wenn sie noch so schwer und noch so unangenehm waren. Jeder hatte Zutritt zu ihm und jeden Tag empfing er seine Besucher streng der Reihe nach, und für jeden hatte er Zeit, jeden war er bereit, ruhig und verständnisvoll anzuhören. Wenn man von einem Menschen sagen kann, daß er gerecht sei, so war er es. Seine Gerechtigkeit kam aber auch aus einem warmen, mitfühlenden Herzen, er war gütig, hilfsbereit und von der Herzlichkeit einer stillen Art. All das, was so leicht als Phrase klingt, war bei ihm der natürliche Ausfluß seiner Persönlichkeit.

Seit dreißig Jahren hat er dieser Diözese gedient. 19Ö5 war er in Wien geboren, 1931 zum Priester geweiht und zwei Jahre hindurch Kaplan in Bruck an der Leitha. 1933 ernannte ihn Kardinal In- nitzer zupi erzbischöflichen Zere- moniär, und von diesem Tag an erhielt er einen Einblick in das i Leben der großen Diözese, die ihn

gerade in den schwierigsten Zeiten zum unentbehrlichsten Helfer des Bischofs werden ließ. Zur Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft leitet er das Rechtsbüro der Diözese. Hier bewies er nicht nur stille Hartnäckigkeit und Zähigkeit, sondern auch ein großes Maß an diplomatischem Geschick, als es galt, in mühevollen Nerhandlungen mit einem übermächtigen Gegner, der seine Absicht, das kirchliche Leben abzuwürgen, kaum verhehlte, auf einem immer schmäler werdenden Boden Widerstand zu leisten. 1945 wurde er Kanzlei direkt or und 1953 Generalvikar. Als solcher hat er zwei Bischöfen in Treue und Hingebung gedient. Als Erzbischof König von St. Pölten nach Wien berufen wurde, da konnte er keinen Besseren finden, die Nerwaltung der Diözese weiterzuführen. Die Ernennung zum Weihbischof 1956 war die Anerkennung von oberster kirchlicher Stelle für sein bisheriges Wirken. Aber auch als Weihbischof blieb er der stille, bescheidene, zurückhaltende Mensch. Kaum je hat ihn einer außer bei bischöflichen Funktionen anders als im schlichten, schwarzen Rock gesehen. Sein Tod hat seine Freunde mit Trauer und Schmerz erfüllt, den Bischof zutiefst getroffen. Der Posten eines Generalvikars wird wieder besetzt werden. Dr. Streidt wird keiner ersetzen können — als Arbeiter, als Priester, als Mensch.

b.

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