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Bischofsrücktritt anno 1953

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Die kürzlich erschienene „Kirchengeschichte der Steiermark” wirft auch ein neues Licht auf die Rücktritte zweier Diözesanhi-schöfe in diesem Jahrhundert.

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Die kürzlich erschienene „Kirchengeschichte der Steiermark” wirft auch ein neues Licht auf die Rücktritte zweier Diözesanhi-schöfe in diesem Jahrhundert.

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„Warum mir nahegelegt worden ist, um die Enthebung zu bitten, ist mir bis heute nicht klar”, klagt der steiri-sche Fürstbischof Ferdinand Stanislaus Pawliko wski in seiner Selbstbiographie. Dieses Detail aus der umfangreichen neuen „Kirchengeschichte der Steiermark”, herausgegeben von den Grazer Kirchenhistorikern Karl Amon und Maximilian Liebmann illustriert den bewegten und bewegenden Verlauf der Geschichte der Diözese Graz-Seckau in den 775 Jahren seit der Gründung im Jahre 1218.

Gerade das Leid und Leiden der beiden Vorgänger des derzeitigen Diöze-sanbischofs Johann Weber zeigt die Aktualität und die Spannungen, in denen sich Kirche und Christentum auf dem Weg durch die Zeiten befinden. Denn schon immer war und ist eine Kirchen- wie Diöze-sangeschichte auch eine Geschichte der Diözese mit ihren Bischöfen und umgekehrt.

Salzburger Rechte mißachtet

So schlug schon die Ernennung des aus Wien stammenden Ferdinand Stanislaus Pawlikowski zum Fürstbischof der Diözese Graz-Seckau hohe Wellen. In einem Kommentar des „Grazer Volksblattes” kommt die Verbitterung und Wut zum Ausdruck: „Wie aus der Mitteilung über die Ernennung Dr. Pawli-kowskis ersichtlich ist, hat der Römische Stuhl das alte Privileg des Fürsterzbischofs von Salzburg, die Bischöfe von Seckau zu ernennen und zu konfirmieren, im Sinne der neuen Bestimmungen des kirchlichen

Rechtsbuches nicht berücksichtigt. Es scheint dem Fürsterzbischof der Salzburger Metropole, die im Laufe von 700 Jahren der Diözese Seckau 53 durchwegs ausgezeichnete Oberhirten gab, lediglich ein Vorschlagsrecht geblieben zu sein.”

Und auch auf die Schlußphase des Wirkens Pawlikowskis fallen Schatten: Pawlikowski hatte sich beim damaligen Papst Pius XU. in Rom über die Äußerungen des Apostolischen Internuntius beschwert. Dieser hatte in einem Monitum geharnischte Vorwürfe an die österreichischen Bischöfe formuliert und den Bischöfen mehr oder weniger ein Versagen in der Phase nach dem Ende des 2. Weltkriegs unterstellt. „Ein entschiedenes Vorgehen der Hierarchie und aller katholischen Kräfte hätte schon längst die öffentliche Meinung aufgerüttelt, das Gewissen der Katholiken gebildet, die Männer der Politik beeinflußt... Nichts aber wurde getan”, kritisiert der Nuntius. „Die Hierarchie hat nicht Einspruch erhoben, hat keinerlei öffentliche Erklärung abgegeben, hat nichts unternommen, ließ die Katholiken ununterrichtet und ohne Schutz, ließ die Männer der Politik fortfahren in ihrer Mißachtung der Ehe und katholischen Schule, in ihren Vernachlässigungen und Verschweigen der Gegenstände des Konkordates.” Pawlikowski beschwerte sich über dieses vermeintliche Mißtrauensvotum und berichtete auch dem Papst seine Sorge, daß der Internuntius nur auf gewisse Leute höre. In seiner Selbstbiographie bemerkte Pawlikowski weiter, er habe dem Heiligen Vater erzählt, „ ... daß der Nuntius sich von jüngeren Stürmern, so von P. Frodl und Dr. Mauer, bera-tenlasse”.

Über die eigentlichen Rücktrittsgründe schweigt sich die „Kirchengeschichte der Steiermark” aus.

Der Nuntiatur treu gedient

Pawlikowski selbst schreibt dazu: „Eine eigene Tragödie führte zum Abschluß meiner Laufbahn als Diö-zesanbischof. Ausgerechnet der Apostolische Nuntius als Vertreter des Heiligen Stuhles legte mir durch seinen Uditore Msgr. Heim nahe, den heiligen Vater um Enthebung von meinem Amte zu bitten.” Und der Fürstbischof klagt weiter: „Soviel ich auch in der Vergangenheit der Apostolischen Nuntiatur gedient und meine unerschütterliche Treue reichlich bewiesen habe, so wendete sich plötzlich das Blatt der Stimmung um. Warum mir nahegelegt worden ist, um die Enthebung zu bitten, ist mir bis heute nicht klar. Ich habe alle meine Pflichten restlos erfüllt, habe alle Visitationsreisen, alle Funktionen bis zum Schluß genau absolviert.” Fest steht, daß die Diözese Graz-Seckau jedenfalls auch von einem Apostolischen Visitator „überprüft” wurde. Der Visitator, der seine Aufgabe sehr ernstgenommen hatte, war mit dem Nachfolger des zurückgetretenen Fürstbischofs ident: Josef Schoiswohl...

Rücktritt Schoiswohls

„Der ansonst lautstark vdrkündete Pluralismus in der Kirche wird sehr rasch hinfällig, wenn die Probe aufs Exempel gemacht werden soll”, umschreibt 14 Jahre später Diözesanbi-schof Schoiswohl seine persönlichen Erfahrungen mit dem Pluralismus in der Kirche. Schoiswohl, der als Konzilsvater sich immer öfter von den eigenen Priestern den Vorwurf gefallen lassen mußte, den „Geist des Konzils” zu „verraten”, trat 1968 überraschend von seinem Amte zurück. Spannungen im Klerus, besonders unter den Kaplänen, wie auch die Ereignisse im Priesterseminar dürften ihn dazu bewogen haben. Auch das Kirchenbeitragsgesetz, das ihn in seinem Rücktrittsjahr 1968 beschäftigte, dürfte ihm, nicht minder zu schaffen gemacht haben. Die Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der künftigen Diözesan-synode veranlaßte den unverdächtigen Bischof, in der von ihm begonnenen „Bistumschronik” von „Gruppenressentiments” innerhalb der kirchlichen Laienbewegungen zu schreiben.

Wahl durch Klerus?

Mitten im Konzil entschloß sich Bischof Schoiswohl, einen Priesterrat nach dem Prinzip der gewählten Vertreter zu installieren. Dieser stei-rische Priesterrat, der zunächst Pres-byterium hieß, war der „erste frei gewählte Priesterrat im deutschen Sprachraum.” Auffallend ist die „große Zahl der frei und direkt gewählten Vertreter.” In diesem späteren Priesterrat war schon 1966 dem Stadtpfarrer von St. Andrä, Johann Weber, die „praktische Sitzungsleitung” übergeben worden. Dieser Priesterrat entwickelte aber eine „Eigendynamik, die der Diözesanbischof weder vorhergesehen noch erwartet haben dürfte”. So begann der Priesterrat „Anträge an den Bischof zu beschließen, die der Leiter des Ausschusses schriftlich an den Bischof zu übermitteln” hatte. Nach dem Rücktritt Schoiswohls war der Priesterrat zusammengetreten, und „hatte eine Namensliste von geeigneten Bischofskandidaten” erstellt, die der Kapitelvikar dem Apostolischen Nuntius weiterreichte.

Zusammenfassend schreibt der Kirchenhistoriker Maximilian Liebmann: „Sollte in dieser .Bischofsliste der alsbald zum Bischof ernannte Sitzungsleiter weit vorne gereiht gewesen sein, wogegen nichts spricht, dann ereigneten sich Vorgänge, die einer Bischofswahl durch den Klerus sehr nahe kommen.”

Nachfolger Schoiswohls wurde der Stadtpfarrer von St. Andrä und Leiter des Priesterrats, Johann Weber. KIRCHENGESCHICHTE DER STEIERMARK, herausgegeben von Karl Amon und Maximilian Liebmann, Verlag Styria, Graz-Wien-Köln 1993, 664 Seiten, 32 Abbildungen in Farbe, 102 Abbildungen in Schwarzweiß, öS 680,-.

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