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Am„Hofzaun des Reiches“

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Eine stattliche, leider posthume Festschrift anläßlich des 750jährigen Diözesanjubiläums — Graz-Seckau feierte bekanntlich 1968 noch unter Bischof Dr. Schoiswohl in Seckau und Graz das denkwürdige Jahr — liegt vor. Mit dem Herausgeber Karl Amon, Ordinarius für Kirchen- geschiche an der Karl-Franzens-Universität in Graz, haben neun namhafte Fachleute versucht, in 55 Bischofsbiographien Rechenschaft über die Entwicklung einer der interessantesten Diözesen in Mitteleuropa zu geben.

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Eine stattliche, leider posthume Festschrift anläßlich des 750jährigen Diözesanjubiläums — Graz-Seckau feierte bekanntlich 1968 noch unter Bischof Dr. Schoiswohl in Seckau und Graz das denkwürdige Jahr — liegt vor. Mit dem Herausgeber Karl Amon, Ordinarius für Kirchen- geschiche an der Karl-Franzens-Universität in Graz, haben neun namhafte Fachleute versucht, in 55 Bischofsbiographien Rechenschaft über die Entwicklung einer der interessantesten Diözesen in Mitteleuropa zu geben.

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Mit der päpstlichen Bulle vom 22. Juni 1218 kam es unter Papst Honorius III. und Erzbischof Eberhard II. von Salzburg trotz Widerspruches der Babenberger, die bekanntlich für Wien selbst gerne ein Bistum gesehen hätten, zur Errichtung des Bistums mit dem Sitz im Chorherrenstift Seckau in der Obersteiermark. Darüber berichtet kurz Fritz Posch einleitend, um dann das Wirken der ersten 14 Bischöfe (1218 bis 1399) auf. Grund der zum größten Teil ungedruckten Dissertation: „Eine Seckauer Bischofschronik“ (Graz 1936) darzustellen. Der Herausgeber selbst stellt 16 Bischöfe im Zeitraum von 1414 bis 1615 vor, mit Ausnahme des Bischofs Ulrich IV. von Albeck (1417 bis 1431), den Elisabeth Kovacs auf Grund ihrer Dissertation (Universität Wien), und der Bischöfe Matthias Scheit (1482 bis 1503 bzw. 1513) und Christoph II. von Zach (1502 bis 1508), die Benno Roth nach der unveröffentlichten großen Scheitbiographie von Doktor Alois Lang (Graz) würdigen.

Das Bistum stand nach Beendigung des Interregnums im Bereich böhmischer, ungarischer und habsburgischer Interessen, insbesondere unter Bischof Matthias Scheit, bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts erstmals die Türken einfielen. Wahrhaftig, kein begehrenswertes Bistum am „Hofzaun des Reiches“, ein Bistum der Grenze, an der, nicht selten auf seinem Boden, tatsächlich das Schicksal des Abendlandes entschieden wurde. Zur Zeit der unseligen Religionskämpfe exponierten sich nach dem „Apostel der Steiermark“ (Martin Brenner) Jakob I. Eberlein (1615 bis 1633), aufgezeigt von Dieter Cwienk; um 1650 war in Graz selbst die Gegenreformation praktisch abgeschlossen, und zwar unter Bischof Johann IV. Markus Altringen (1633 bis 1664). Die nachfolgenden Bischöfe prägten nicht nur das Profil des Bistums, sondern mitbestimmend auch das der gesamten Reichshälfte. Diese einschlägigen Biographien (12 an der Zahl) schenkte uns in vorbildlicher Weise der Diözesanarchivar Karl Klam- minger (Graz), die Zeit von 1633 bis 1779 umspannend.

Unter Bischof Josef III. Adam Graf Arco (1780 bis 1802) erfolgten die bekannten Klosteraufhebungen 1781 und 1782, denen in Steiermark vier Chonherrenstifte, eine Zisterze . und eine Benediktinerabtei sowie zahlreiche Niederlassungen der Mendikanten, ferner das adelige Frauenstift Göß und die meisten weiblichen Ordensgenossenschaften zum Opfer fielen. Dies führte dann zu jener Diözesanregulierung in Österreich, die dem Kaiser Joseph II. der aufgeklärte Kirchenfürst, Graf Herber

stein von Laibach, vorechlug. Das Domstdft Seckau wurde aufgehoben und der Sitz des Bistums nach Graz verlegt. Diese Ereignisse von weit- tragender Bedeutung schildert Andreas Posch in der genannten Bischofsbiographie.

Mit Leopold IV. Schuster (1893 bis 1927), seit Jahrhunderten der erste Steirer auf dem Seckauer Stuhl, zuvor Professor für Kirchengeschichte an der theol. Fakultät der Karl- Franzens-Universität in Graz (seit 1876), Rektor der Universität 1888 89, trat in seinen zahlreichen Publikationen — er schrieb unter anderen auch die große Biographie über Bischof Martin Brenner, den Apostel der Steiermark —, ein ernst zu nehmender Gegner der dem Darwinismus huldigenden Professoren und liberalen Historiker, auf. den Plan. Er war auch der Initiator einer Reform der theologischen Studien-, Prüfungs- und Rigorosenordnung. Er war ein Mann, der ausschließlich seinem Amte leben wollte. Der greise 81jährige Fürstbischof stirbt an dem Tage (18. März 1927), an dem die Zeitungen berichten, daß Doktor Ferdinand Stanislaus Pawlikowski (1927 bis 1953) zum Auxiliairbischof von Seckau für Schuster ernannt worden sei.

In seiner Selbstbiographie schreibt Pawlikowski selbst: Bischof und Domkapitel von Graz waren durch meine Ernennung höchst überrascht man betrachtete mich als Eindringling 1953 nahm sein Wirken mit dem Rücktritt als Diüzesanbjschof ein überraschendes Ende. Er. wurde mit dem Titel eines Erzbischofs ausgezeichnet. „Für uns Steirer ist er zum Bischof einer modernen Seelsorge, zum Bischof der Katholischen Aktion geworden“ (Südost-Tagespost). Zweimal hatte ihm der Nuntius Sibilia die Würde und Funktion eines Erzbischofs von Wien und von Salzburg angetragen. Seine Verdienste und Haltung, insbesondere während des NS-Regimes, hat M. Liebmann gebührend hervorgehoben.

Besonderer Dank gilt dem Herausgeber, der keine Mühe trotz Gehbehinderung scheute, mehrere Reisen auf eigene Kosten zu unternehmen, um das Illustrationsmaterial, das der Verlag auf die vorliegende Auswahl beschränkte, herbeizuschaffen; ferner allen Mitarbeitern und Förderern,, dem Verlag „Styria“ gebührt uneingeschränktes Lob.

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