7106205-1995_32_15.jpg
Digital In Arbeit

Was folgt dem „freudigen” Ereignis?

19451960198020002020

Sommerliche Ruhe in der Kirche in der Schweiz: Eine Ruhe vor dem heilsamen Sturm -oder bereits diejenige des Friedhofs?

19451960198020002020

Sommerliche Ruhe in der Kirche in der Schweiz: Eine Ruhe vor dem heilsamen Sturm -oder bereits diejenige des Friedhofs?

Werbung
Werbung
Werbung

Es liegt nicht nur am heißen Sommer, daß es in der katholischen Kirche in der Schweiz stiller geworden ist. Nach dem Rücktritt des Bischofs von Basel, Hansjörg Vogel, der in einem sehr offenen Brief bekannte, daß er Vater würde und darum auf sein Amt verzichte, schwappte die Solidaritätswelle geradezu über: Lauthals wurde die Abschaffung des Pflichtzölibats gefordert. Flugs angestellte Umfragen ergaben, daß die überwiegende Mehrheit des Schweizervolkes - nämlich über 90 Prozent - für die Abschaffung der Zölibatsverpflich-tung für Priester ist. Bei den Katholiken beträgt der Prozentsatz immerhin noch über 70 Prozent. Eine aus dem „Fall Vogel” entstandene Initiative „Kirche 95 Nein zum Pflichtzölibat -Ja zur Priesterweihe für Frauen” läuft dagegen mit 60.000 Unterschriften seit Mitte Juni zäh und kann nicht mit dem österreichischen Kirchenvolksbegehren verglichen werden.

Nachdem die Öffentlichkeit den ganzen Juni hindurch geradezu gebannt nach Basel starrte und Zeitungen wie der „Blick” oder ähnliche Gazetten inzwischen auch nichts mehr von der „einsamen” werdenden Mutter zu berichten wissen, kann das Ordinariat mit Administrator Weihbischof Josef Candolfi an der Spitze die nächste Bischofswahl in Buhe vorbereiten. Diese, zunächst auf den 30. Juni angesetzt, wurde „auf Bitten des Papstes” auf den 21. August verschoben. Zunächst erhob sich Geschrei von jenen, die alles, was von jenseits der Alpen kommt, beargwöhnen. Sie hielten es nämlich für möglich, falls aus welchem Grunde auch immer die im Konkordat festgelegte Dreimonatsfrist nicht eingehalten werden könnte, der Papst einen ihm genehmen Kandidaten auf den Basler Bischofsstuhl setzen werde.

Dabei gehe es Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano einfach darum, etwas Zeit verstreichen zu lassen, die „dem Gebet und der Busse” gelten sollte, wie der Apostolische Nuntius, Erzbischof Karl-Josef Bauber, glaubwürdig versicherte.

Für die Schweizer Kirche scheint dieser Nuntius, als Wunschkandidat der Bischofskonferenz nach Bern gekommen, tatsächlich ein Glücksfall zu sein. Überaus geschickt und diskret, bringt er in Bom nicht nur immer wieder die Anliegen der Schweizer Katholiken vor, sondern verteidigt die Eidgenossen auch sehr geschickt, wenn wieder einmal jemand - bei Bischöfen und Theologen soll das vorkommen ~ in eines der römischen Fettnäpfchen, vorwiegend bei der Glaubenskongregation, getreten ist.

Nach dem „Ereignis”, das immerhin von einen großen Teil der Öffentlichkeit, vor allem auch von Frauen, als „freudig” bezeichnet wurde, hat Bauber sich nicht gescheut, in den Medien Rede und Antwort zu stehen, während die Schweizer Bischöfe auf

Taüchstation blieben.lUnd man traut ihm auch nach wie vor zu, daß er das „Problem Chur” lösen wird - allerdings hat der Erzbischof sehr viel Geduld.

Die Bischofswahl in St. Gallen ging ohne Schwierigkeiten über die Bühne. Das Domkapitel hat nämlich dort wie in Basel das Recht, den Bischof selbst zu wählen - dieser wird dann vom Papst lediglich bestätigt. Mit Bischofsvikar Ivo Führer, dem langjährigen Sekretär des europäischen Bischofsrates CCEE, hat das Bistum einen Mann gefunden, der durchaus „liberal” ist und über einige Erfahrungen auf dem römischen und internationalen Parkett verfügt -er wird sicherlich ein guter Präsident der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) werden. Keine große Überraschung war die Ernennung des neuen Bischofs der kleinsten, aber ältesten Schweizer Diözese, Sitten: Nachfolger von Kardinal Henri Schwery, der sein Amt mit erst 62 Jahren aus gesundheitlichen Gründen zur Verfügung gestellt hatte, wurde dessen langjähriger Generalvikar Norbert Brunner -wie Schwery ein „Konservativer” in der guten Bedeutung des Wortes. Be-lativ schnell wurde auch das Bistum Lugano nach dem Tod von Bischof Eugenio Corecco am 1. März 1995 wieder besetzt, ebenfalls mit dem Generalvikar. Der neue Bischof Guiseppe Torti, am 9. Juni vom Papst ernannt, gilt als konservativ, gleichzeitig aber aufgeschlossen und ist bei den Tessinern sehr beliebt.

Schwierig scheint sich die Besetzung des immer noch vakanten Bischofsstuhles von Lausanne, Genf, Freiburg zu gestalten. Bischof Pierre Mamie hat - wenn auch ungern -pflichtgemäß seinen Bücktritt anläßlich seines 75. Geburtstages am 4. März eingereicht - dieser wurde auch angenommen. Auf der Nachrichten-börse wird mit vielen Namen spekuliert- nachdem ähnlich wie in St.Gal-len und im letzten Jahr in Basel die Gläubigen ihre Wünsche einbringen und ein „Phantombild” ihres zukünftigen Oberhirten anfertigen konnten. Es wir sicherlich Herbst werden, bis auch dieses Bistum einen neuen Bischof bekommt.

Und dann wird noch einmal das Bistum Basel an der Reihe sein: Weihbischof Candolfi wird aus Altersgründen seinen Rücktritt einreichen. Sein Nachfolger wird ebenfalls vom Domkapitel gewählt und vom Papst bestätigt. Nichts geändert hat sich dagegen im Bistum Chur - bis vielleicht auf die Tatsache, daß die öffentlichen Proteste mehr oder weniger verstummt sind. Das Ordinariat interpretiert dieses Schweigen dahingehend, daß der ungeliebte Bischof Wolfgang Haas, „Dienstältester” unter seinen Mitbrüdern, inzwischen bei seinen Diözesanen größere Akzeptanz gefunden habe. Sicherlich ist es richtiger, von Besignation oder innerer Emigration zu sprechen - bei einigen wenigstens. Andere dagegen arbeiten weiter - versuchen Bom davon zu überzeugen, daß es in der Schweiz keine Buhe gibt, solange im Bistum Chur die Spaltung in zwei Lager besteht -in das kleinere der sogenannten „rom-und papsttreuen Katholiken”, zu dem sich die Haasanhänger - etwa zehn Prozent - bekennen. Allen übrigen wird von den konservativen und traditionalistischen katholischen Bewegungen - allen voran „Pro Ecclesia” - die Treue zum Papst schon per de-finitionem abgesprochen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung