Bonnemain - © SBK

Neue Zeiten im Krisenbistum Chur

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Das Domkapitel verweigerte die Wahl. Nun ernannte der Papst Joseph Maria Bonnemain zum Bischof von Chur.

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Das Domkapitel verweigerte die Wahl. Nun ernannte der Papst Joseph Maria Bonnemain zum Bischof von Chur.

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Normalerweise hat das Opus Dei bei liberaleren Katholi­k(inn)en eine wenig gute Nachrede. Und die Bischofsbestellung eines Opus-Dei-Mitglieds gilt da vorzugsweise als Aufweis konservativer Macht in der Kirche. Wenn aber die Ernennung von Joseph Maria Bonnemain zum Bischof von Chur weithin begrüßt wird – auch und gerade von den Reformen einmahnenden Flügeln in der Schweizer Kirche –, dann ist das auf den ersten Blick ungewöhnlich.

Auf den zweiten Blick sagt es mehr über die prekäre Lage aus, in der sich das Ostschweizer Bistum Chur seit ­Jahren befindet. Das hat nicht nur mit der Heterogenität der Diözese zu tun, die einen ländlichen Kanton wie Graubünden ebenso umfasst wie den Kanton Zürich, das urbane Zentrum der Deutschschweiz. Außerdem kommen in der Schweiz noch komplexe staatskirchenrechtliche Strukturen zum Tragen, in denen Laien und Ortsgemeinden starken Einfluss haben, und wo, wenn der Bischof in andere Richtun­gen geht, beständig Feuer am Dach ist.

Solches war in Chur jahrzehntelang fast schon die Regel. Der letzte Bischof Vitus Huonder, der von 2009 bis 2019 amtierte, galt als Bastion des Ultrakonservativismus. Diese Ausrichtung führte zu zahllosen Konflikten, nicht zuletzt mit den Zürcher Katholiken. Dass Huonder nach seiner Emeritierung in eine Niederlassung der nach wie vor schismatischen Pius-Bruderschaft übersiedelte, mag als Zeichen dafür stehen, wie weit sich dieser Bischof vom katho­lischen Mainstream entfernt hatte.

Wahlvorschlag zurückgeschickt

Aber nicht nur an der Diözesanspitze, sondern auch in den Ebenen darunter polarisierte die bischöfliche Linie. Insbesondere Generalvikar Martin Grichting war eine treibende Kraft hinter Huonder.

Grichting gilt auch als Drahtzieher bei einem beispiellosen Eklat, der die Diözese im November erschütterte. Denn an sich wählt – analog wie etwa in Salzburg – das Churer Domkapitel aus einem römischen Dreiervorschlag den Bischof aus, der dann vom Papst bestätigt wird. Doch als der Dreiervorschlag aus Rom diesmal in Chur eingetroffen und sich das Domkapitel zur Wahl versammelt hatte, verwarf es unter intensiver Argumentation von Grichting die Liste – die Kandidaten seien zu wenig katholisch, so der ­Te­nor der Berichte über den Eklat, der einen Affront gegenüber Papst Franziskus darstellte.

Zwei Äbte und Bonnemain, alles ­keine „Progressiven“, waren auf der Liste gestanden. Bonnemain war als Domherr selber Mitglied des Wahlgremiums. Drei Monate nach dieser beispiellosen Wahlverweigerung entschied nun der Papst – und ­ernannte Bonnemain zum künftigen Churer Hirten.

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