Überzeugungstäter mit großem Konfliktpotenzial

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Mit ihrem neuen Weihbischof Gerhard Maria Wagner steuert die katholische Kirche in Oberösterreich auf eine spannende und spannungsreiche Zukunft hin.

Manchmal möchte man den Katholiken und ihrer Kirche ein kräftiges und wirksames Konflikttraining wünschen. Denn wie in dieser altehrwürdigen Institution Spannungen und Differenzen verschwiegen, verharmlost, vertuscht, verschleiert und verleugnet werden, zeugt von jahrhundertelanger Übung. Nach einem konfliktbereiten, wenn nicht sogar konfliktfähigen Bischof wird man lange suchen müssen. Der offene und kontroverse Disput unter katholischen Hierarchen findet nicht statt.

Wie ein Fremdkörper taucht aus dem allgemeinen Beschwichtigungsgemurmel in den Bischofshöfen ein frisch ernannter Weihbischof für Linz auf. Er bemüht sich nicht um höhere Rhetorik und verfeinerte Formulierungskunst, sondern sagt in herbem Holzfällerdeutsch, was Sache ist: "Ich bin einer, der den Konflikt sucht. Wenn es ihn nicht gibt, bin ich eher beunruhigt und mir ist mulmig." Gerhard Maria Wagner kann sich beruhigen: Der Konflikt ist da. "Erschüttert, schockiert und enttäuscht" sind die Religionslehrervertreter, eine "Katastrophe" nennt es der Generaldechant und die Katholische Aktion konstatiert knapp: "Rom hat Macht bewiesen, nicht Gespür." Sogar der Landeshauptmann, ehemaliger Religionslehrer, protestiert.

Bischof Krenn wurde verhindert

Mulmig ist also nicht dem künftigen Weihbischof, sondern vielen Gläubigen und Seelsorgern. Und das hat eine lange Vorgeschichte: Um den Linzer Bischofssitz gab es schon vor fast dreißig Jahren ein heftiges internes Tauziehen - damals, um den späteren Bischof Krenn zu verhindern. (Er kam dann auf dem Umweg über Wien nach St. Pölten.) Nach überlanger Sedisvakanz und einigem Zögern ließ sich der Benediktinerabt Maximilian Aichern erweichen, Linz zu übernehmen. Mit ihm bekam die Diözese einen toleranten, menschlichen und um die Seelsorge bemühten Volksbischof - mit höchsten Beliebtheitswerten. Das schloss natürlich die Beliebtheit bei Papst und Kurie eher aus.

Über zwanzig Jahre ging die Diözese mit ihrem Bischof einen erfolgreichen und weithin friedlichen Weg. Nur eine kleine konservative Opposition machte - vor allem in Rom - die Kirche Oberösterreichs schlecht. Noch vor Erreichung der Altersgrenze reichte Bischof Aichern den Rücktritt ein und bekam im Sommer 2005 den Wiener Weihbischof Ludwig Schwarz als Nachfolger. Dieser versuchte die schwierige Balance zwischen der aufgeschlossenen und reformbereiten Diözese und ihrer Führungsebene einerseits, und den reformresistenten und beharrenden römischen Behörden andrerseits. Unter dem gegenwärtigen Papst ist das natürlich eine extreme Zerreißprobe. Das Ansuchen des Bischofs, von Rom einen Weihbischof - aus seinem Dreiervorschlag - zu bekommen, wurde nur zur Hälfte erfüllt. Dass keiner der drei vorgeschlagenen Kandidaten gewählt wurde, ist kein Vertrauensvotum Roms für Bischof Schwarz.

Nun hat Bischof Schwarz einen Weihbischof, aber keinen, den er wollte. Vermutlich sogar einen, den er nicht wollte. Tapfer verteidigt er den unerwünschten Helfer bei der Antrittspressekonferenz: "Ich danke Gott und freue mich darüber, dass ich durch den Papst einen Weihbischof erhalten habe, der für mich und für die Diözese, wie ich es hoffe und wünsche, eine echte Hilfe sein wird." Diese Mischung aus Diplomatie und Beschwichtigung ist natürlich nicht die Therapie, sondern die Krankheit. Der Umstrittene selbst spricht eher Klartext: "Die Gläubigen haben, was das Wesen des Glaubens betrifft, keine Mitsprache." Und - mit unüberhörbarem Sendungsbewusstsein: "Ich suche die Konfrontation." Dem Bischof selbst steht also künftig keine entlastete, sondern eine eher unruhige Amtszeit bevor.

Generalvikar ist Stellvertreter des Bischofs

Natürlich hat ein Weihbischof nur die Befugnisse, die ihm der Bischof erteilt. Der unmittelbare Stellvertreter des Bischofs ist nicht sein Weihbischof, sondern der Generalvikar: Severin Lederhilger. Er lehrt Kirchenrecht an der Universität, ist ein umsichtiger und die Gegensätze ausgleichender und bisweilen versöhnender Ordensmann. Er wird künftig wohl noch mehr als bisher zu vermitteln haben. Es besteht also nunmehr ein Konfliktdreieck, das sich erst bewähren muss. Die Bischofsvikare und das bischöfliche Konsistorium, die Berater des Bischofs, sind ähnlich wie Pastoral- und Priesterrat in gemäßigt fortschrittlicher Weise unterwegs. Die bisher fruchtbare Kooperation der leitenden Amtsträger und der beratenden Gremien tritt somit ins Spannungsfeld des Konfliktes. Es kommen unruhige Zeiten.

Man sollte dem neuen Weihbischof zugute halten, dass er ein Überzeugungstäter ist: Er war in Windischgarsten ein hoch engagierter und erfolgreicher Seelsorger. Viele Gläubige haben ihn ungeachtet oder in Unkenntnis seiner konservativen Anschauungen geschätzt und unterstützt. Er verlässt eine blühende Pfarre und viele Gläubige, die ihm nachtrauern werden. Die Verhältnisse in der gesamten Diözese sind allerdings anders. Linz ist eine hoch aktives und reformfreudiges Bistum, das dem Priestermangel mit neuen Seelsorgemodellen, besonders geschulten Personen und Teams begegnet. So hofft man, in Zeiten des verschärften Priestermangels für spätere und reformbereite Zeiten zu überwintern.

Das oberösterreichische Kirchenvolk ist nicht nur besonders aufgeschlossen und engagiert, sondern auch durchaus konfliktbereit. Es könnten also härter Zeiten kommen: Konfrontation, Solidarisierung, Protest - aber auch Resignation, Rückzug und Kirchenaustritt. Die oberösterreichische Art, selbstbewusst und offen aufzutreten, verspricht eine spannende und spannungsreiche Zukunft in einer Weltkirche, die schon seit Jahrzehnten versucht, zwischen den Problemen und Spannungen mit besänftigenden frommen Sprüchen durchzulavieren. Das wird mit dem polternden Idealisten nicht so leicht fortzuführen sein. Das könnte aber auch zu mehr Ehrlichkeit und Offenheit führen. Es gibt Konflikte, die zu führen sich lohnt.

Der Autor ist Akademiker- und Künstlerseelsorger in Linz

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