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BrUcken uber die Glaubensspaltung

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1529 hält Wien die erste Türkenbelagerung aus; eine Hilfe von außen bleibt ziemlich aus, weil man vielfach die Gefahr von den Osmanen nicht so dringlich sieht wie die geistige Gefahr, die angeblich vom Papst her droht. Jene Periode bricht an, die gemeiniglich als Reformation und Gegenreformation bezeichnet wird, die Zeit der Glaubensspaltung, in der religiöse und politische Angelegenheiten durcheinander gemengt werden zum Schaden einer wirklich notwendigen Reform und Erneuerung.

Es Sind die beiden Wiener Bischöfe Johann Pabri und Friedrich Nausea, die beide mit klarem Blick für die wirklichen Gründe des Glaubensabfalls eintraten, für eine Überbrückung der Gegensätze auf religiöser Basis.

Unter dem Nachfolger Christoph Werthwein kommen 1552 die Jesuiten nach Wien, unter ihnen Petrus Canisius (1925 heiliggesprochen). Damit tritt auch eine entscheidende Wende in der Arbeit an der Wiedergewinnung abgefallener Gläubiger. Überzeugung statt Gewalt, Missionsarbeit durch Predigt und Seelsorge, zielstrebige, auf katholischem Glauben fußende wissenschaftliche Arbeit, eine Methode, die Fabri und Nausea wohl wollten, aber nicht durchzusetzen vermochten.

Der erste Wiener Kardinal

Die theologische Linie Fabri, Nausea, Canisius geht auch der spätere Bischof Johann Caspar Neufoöck (1574 bis 1594) und wird so zum Schrittmacher für Melchior Khlesl, der 1598 bis 1630 dem Wiener Bistum vorsteht und als erster Wiener Bischof mit dem Purpur ausgezeichnet wird (1616); er ist zugleich Kanzler des Kaisers. Auch aus der Profangeschichte sind seine Geschicke bekannt, 1618 wurde er durch Intrigen Gefangener des Hauses Österreich, zunächst in Tirol, dann in der Engelsburg in Rom, seit 1623 lebt er im Exil im Vatikan, bis er endlich 1628 auf seinen Bischof sitz zurückkehren kann.

Durch eine eifrige Predigttätigkeit, durch Visitationen hatte er schon als Passauer Generalvikar für Niederösterreich (ab 1581) in zäher seelsorglicher Arbeit Klerus und Volk reformiert

Unter den Nachfolgern des unermüdlichen und schwergeprüften Khlesl sind einige hervorzuheben, so Anton Wolfrath (1631 bis 1639). Er wird in den Reichsfürstenstand erhoben; dieser Titel soll nach kaiserlichem Willen auch allen späteren Wiener Bischöfen zukommen. Er erbaut die neue bischöfliche Residenz. Ferner ist zu nennen Philipp Graf Breuner (1639 bis 1669), ein eifriger Bischof, der selbst das Sakrament zu den Kranken trug. Obwohl er schwer krank war durch ein heftiges Glchtteiden, was ihn ziemlich unbeweglich machte, will der Kaiser ihn als Bischof von Wien. Und eben dieses Gichtleiden erklärt es auch, warum er 1683 bei der zweiten Türkenbelagerung mit dem kaiserlichen Hof nach Linz geht. Was er nicht tun konnte und wegen seines Leidens auch nicht hätte tun können, besorgte der Wiener Neustädter Bischof Leopold Kardinal Kollo-nitsch, der sich besonders der verwaisten Kinder annahm. Sein Neffe Sigmund Kollonitsch wird 1716 Bischof in Wien. Unter seiner Regierung tritt das Bistum Wien in ein entscheidendes Stadium: Wien wird Sitz eines Erzbischofs. Kaiser Karl VI. hatte darum gebeten, unter anderem hatte er darauf hingewiesen, daß Wien zweimal dem Türkensturm standgehalten und damit das Bollwerk für das Abendland war. Mit der Bulle „Suprema dispositione“ vom 1. Juni 1722 erhebt Innozenz XIII. Wien zum Erdbistum und unterstellt ihm Wiener Neustadt als Suffragan. 1728 muß dann Passau 70, Pfarren im Viertel unter dem Wienerwald abtreten, aus den Dekanaten an der Leitha und Baden. Die Sorgen des Oberhirten von Wien wachsen immer, nicht nur, weil die Stadt selbst nunmehr schon 175.000 Einwohner zählt, es gleitet die Zeit auch langsam hinüber in das Staatskirchentum, das unter dem Namen Josephkuismus bekannt geworden ist: die Bevormundung des kirchlichen Lebens durch die staatlichen Behörden. Gleichzeitig weist die Aufklärung ihre verheerenden Folgen auf. Und aus der Mitte der Kirche kommt die Bestrebung, sich loszulösen vom Oberhaupt in Rom. Ins Glaubensleben werden frei-geistige und liberale Ideen hineingetragen. Kollonitsch (gest. 1751) und Trautson (gest. 1757) spüren noch nicht soviel davon, aber zwei Männer auf dem erzbischöflichen Stuhl erleben den Josephinismus in voller Schärfe und sind unablässig um Glaube und Freiheit bemüht, Kardinal Christoph Anton Migazzi und Fürsterzbischof Anton Hohenwarth. Migazzi regiert 46 Jahre. Er wird 1757 Erzbischof von Wien, 1761 Kardinal.

Unter dem Staatskirchentum

Unzählig sind seine Interventionen bei Kaiserin Maria Theresia, bei Josef II., bei Leopold II. Immer wieder protestiert er, bittet er, reicht Memoranden ein und stellt mutig fest, wenn etwas gegen die Kirche unernommen wird. Daß er nicht durchdringt, daß er eben nur das Ärgste verhindern kann, ist nicht seine Schuld.

In die Regierungszeit von Kardinal Migazzi fällt auch die gewaltige territoriale Veränderung. 1783 erklärt Joseph II. nach dem Tode des Passauer Fürstbischofs Leopold Firmian sämtliche Jurisdiktionsrechte Passaus in Österreich erloschen — ein Akt, der dem Kaiser nicht zustand. Der Papst hat erst im nachhinein diese Maßnahme sanktioniert, als der Passauer Bischof Josef Franz Auersperg 1784 formell Verzicht geleistet hatte. Wien erhält die Pfarren nördlich der Donau im Viertel unter dem Manhartsberg, fünf Pfarren aus der Diözese Raab und das Territorium der Diözese Wiener Neustadt. Das übrige Niederösterreich, sein westlicher Teil, wird zu einem neuen Bistum St. Pölten. Im ganzen gesagt: eine josephini-sche Gewaltmaßnahme, wenn sie sich auch gut ausgewirkt hat.

Erzbischof Hohenwart! Regierung (1803 bis 1820) fällt bereits in die Zeit von Kaiser Franz I.; noch immer drückt der Staatsapparat auf die Kirche, im Klerus, der durch die Josephinischen Generalseminarien durchgegangen ist, ist der Glaubensgeist bedenklich schwach. Doch schon ersteht dm Schoß der Kirche eine Erneuerungsbewegung, die mit dem Namen des hl. Clemens Maria Hofbauer verbunden ist. Trotz aller Schikanen, trotz der Predigtverbote ist er ein stiller, aber stetiger Prediger gegen Freigeisterei und Aufklärung; es gelingt ihm, junge Leute um sich zu sammeln und für ein erneuertes Christentum zu begeistern. Aus seinem Kreis geht auch Josef Othmar von Rauscher, der spätere Wiener Erzbischof, hervor.

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