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„Herr Professor, was Sie da sagen, ist nicht mehr katholisch“

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Clemens Maria Hofbauer, der große Heilige Österreichs, dessen Todes am 15. März 1820 ganz Österreich und insbesondere Wien gedenkt, stammt aus Mähren. Richtiger gesagt, er stammte aus jenem seltsamen „Intelligenzwinkel“, der südlich bis zu den Grenzen Niederösterreichs, östlich bis zur Grenze Ungarns, westlich bis zur Grenze Böhmens und nördlich ungefähr bis zur Höhe von Brünn reichte. Eine außerordentlich große Anzahl von Persönlichkeiten hat dieser Intelligenzwinkel Mitteleuropa geschenkt, zum Beispiel Doktor Karl Renner, Dr. Adolf Schärf, Thomas Garrigue Masaryk, Franz Palacky, Dr. Josef Redlich, Adolf Loos, Josef von Sonnenthal, Richard von Schaukai, Dr. Albin Braf, Doktor Josef Smeral, Dr. Alois Musil, den berühmten Orientalisten, einen Vetter von Robert Musil. Aus diesem Intelligenzwinkel stammt zum Teil auch Dr. Bruno Kreisky, der mütterlicherseits aus Trebitsch kommt. Aus diesem Intelligenzwinkel stammte Clemens Maria Hofbauer, der am 26. November 1751 zu Tasswitz geboren wurde. Clemens Maria Hofbauer war väterlicherseits tschechischer Abstammung. Sein Vater nannte sich noch, bevor er in das deutschsprachige Gebiet übersiedelte, Dvorak. Seine Mutter war eine Deutschmährerin. Hof bauer war somit ein echter „Böhm“, der beide Nationen des Landes in sich vereinigte. Niemals aber machte ihm diese doppelnationale Abstammung irgendwelche Schwierigkeit, zum Unterschied von vielen Österreichern, die immer eine nationale Hälfte nicht wahrhaben wollten und dafür die die andere hochspielten. Sicherlich konnte er gut tschechisch, ja er soll bis zu seinem Lebensende einen kleinen „behmischen“ Akzent in seiner Aussprache gehabt haben. *

Als Clemens Maria Hofbauer geboren wurde, breitete noch das spätbarocke Zeitalter seine Fittiche über Österreich aus. Der Jesuitenorden konnte noch völlig unangetastet in der Habsburgermonarchie wirken. Das Volk hing noch ganz einer barocken Frömmigkeit an. Nur in den oberen Kreisen begann schon der Ansturm auf das barocke Zeitalter sich anzukündigen und versuchten die ersten Boten der Aufklärung sich seßhaft zu machen. Innerhalb kurzer Zeit wird dieses barocke Österreich sich, zumindest äußerlich, vollständig in ein josephinisches verwandeln, wovon zutiefst auch die Kirche ergriffen wird. An Stelle der barocken Gläubigkeit wird eine sehr rationalistische Theologie treten, anstelle der Treue zu Rom offene und versteckte Angriffe gegen den Papst. Ja, noch mehr: Die Kirche wird groß-

teils den Händen Roms entwunden und der Macht des Staates übergeben. Die Frömmigkeit in fast allen Formen wird abgewertet und ein durchaus vernünftiges Christentum gelehrt. Auf organisatorischem Gebiet allerdings konnte der Josephinismus unzweifelhaft große Erfolge erzielen. Die Neueinteilung Österreichs in Diözesen, die Schaffung vieler Pfarren, die soziale Sicherstellung der Geistlichen sind Großtaten, die immer den Ruhm des Josephinismus bilden werden.

Hofbauer kam aus einer armen Familie und sein Vater starb schon bald. Seit frühester Jugend will er Priester werden, aber da er arm ist, kann er nur auf Umwegen zu diesem Priestertum gelangen. Ein seltsamer Berufskreislauf läßt ihn Bäcker — Eremit — Student — Eremit — Bäk-ker — Student werden, bis er schließlich 1784 in Rom in den Redempto-ristenorden eintreten kann und 1785 die Gelübde ablegen darf und auch im gleichen Jahr zum Priester geweiht wird. Aber sein Wanderleben ist damit nicht zu Ende. Es führt ihn wieder zurück nach Wien, wo er versuchen soll, den Redemptoristen-orden einzuführen. Da dies nicht gelingt, wandert er nach Warschau, wo er eine rege Seelsorgetätigkeit entwickelt. 1808 erfolgte durch den napoleonischen Gouverneur von Warschau seine Einkerkerung und schließlich seine Vertreibung.. Sein Lebenswerk schien zerstört. Hofbauer geht nach Wien, um von hier aus nach kurzem Aufenthalt nach Rom weiterzureisen. Aber, wie so oft in Österreich, erwies sich auch im Leben dieses Österreichers das Provisorium als das einzig Beständige. Denn aus den wenigen Tagen, die Hofbauer in Wien bleiben wollte, wurden elf Jahre. Elf Jahre, die entscheidend das Antlitz des österreichischen Katholizismus verändern sollten.

*

Es ist merkwürdig, daß dieser einfache Priester, der gar kein großer Theologe war, so entscheidend das Antlitz des österreichischen Katholizismus verändern konnte. In seiner Wirkung ist er vielleicht dem heiligen Pfarrer von Ars vergleichbar, der ebenfalls kein großer Theologe war und dennoch entscheidend den Katholizismus Frankreichs im 19. Jahrhundert beeinflußte. Die Wirkung der Predigten und Beichten Hofbauers muß außerordentlich groß gewesen sein. Groß wahrscheinlich einfach deshalb, weil er in seinem ganzen Wesen nichts anderes als „nur“ ein frommer Priester war, der seinem Gott, seiner Kirche und seinen Mitmenschen dienen wollte. Seine Treue zum Glau-

bensgut der Kirche war unerschütterlich. Als er Student der Theologie in Wien war, sagte er einmal in einer Vorlesung zu einem Theologieprofessor: „Herr Professor, was Sie da sagen, ist nicht mehr katholisch.“ Aber diese tiefe Frömmigkeit dieses einfachen Priesters und diese absolute Treue zu den ewigen Wahrheiten der Kirche waren es gerade, die so viele Leute zu Clemens Maria Hofbauer zogen. Weite Kreise, die sich vom josephinischen Staatskir-chentum abgestoßen fühlten, wie das einfache „barocke“ Volk oder jene, deren „aufgeklärtes“ Denken durch die Erschütterungen, die seit der

Ausweisung gekommen, hätte nicht das Kaiserhaus seine schützende Hand über ihn gehalten. Allerdings, seine Hoffnung, daß der Orden, dem er angehörte, sich in Wien niederlassen dürfe, erfüllte sich nicht mehr. Einen Tag nach seinem Tod wurde diesem Orden die Niederlassung in Österreich von Kaiser Franz gestattet. Welche Tragik! Unter seinen Anhängern befand sich auch der Jusstudent Othmar von Rauscher, der unter dem Eindruck dieser Predigten zur Theologie umsattelte. Als Priester wurde er Religionslehrer des jungen Erzherzogs Franz Joseph. Als dieser 1848 Kaiser

Französischen Revolution und den napoleonischen Kriegen Europa heimgesucht hatten, wankend geworden waren, suchten Kontakt mit dem Heiligen und fanden-den Seelenfrieden wieder. Das Echo, das die Predigten des Heiligen fanden, war bald so stark, daß die Josephiner in Staat und Kirche gegen ihn mißtrauisch wurden und ihn beobachten ließen. Fast wäre es sogar zu seiner

wird, beruft er Othmar von Rauscher zum Erzbischof von Wien. Kaum auf den Thron gelangt, erfüllte der junge Kaiser die Wünsche des Hofbauer-Kreises, nämlich die Befreiung der Kirche aus den Fesseln des Staates. 1850 hob er mittels eines Hofdekretes das josephinische System auf. Das „unvergängliche Rom“ nahm wieder den ihm gebührenden Platz ein.

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