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Die um Hofbauer

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Der innere Einklang von Natur und Mensch — der Mensch hineinverwoben in das Kräftedrängen der Natur —, die Macht des Helldunkels sind vielleicht treibende Grundkräfte romantischer Geisteshaltung und deutscher Kunst.

Nur wenige wissen darum, daß ganz in der Nähe Wiens, bei den Romantikergräbern am Maria-Enzersdorfer Friedhof, dieser Stimmungsgehalt anschaulich wird. An den Resten der alten Ostmauer des Friedhofs fanden der heilige Clemens Maria Hofbauer, der religiöse Kraftquell des Wiener Romantikerkreises, und mehrere seiner vertrauten Freunde ihre letzte Ruhestätte.

Um die Hofbauer-Gruft gruppieren sich die Gräber seiner Getreuen, die ihm auch im Tode nahe sein wollten. Baron Penkler, der Besitzer der Herrschaft Liechtenstein, war Mittelpunkt dieses Maria-Enzersdorfer Kreises, Urheber und Anreger dieser Gemeinschaft.

Die Freundschaft mit Penkler reicht bereits in Hofbauers Universitätszeit zurück. In Penklers Haus lernte der Heilige den in seinen Lebensgang bedeutsam eingreifenden Jesuitenpater Albert Freiherr v. Diesbach kennen. Dieser war Hofbauers Vorbild, kämpfte er doch gegen die Häresien der Zeit, gegen Aufklärung und Absolutismus. Im Jahre 1789 starb Pater Diesbach und wurde hier begraben. Hofbauer besuchte häufig das Grab seines Lehrers. Das heute verschollene Grab lag einst schräg vor der Friedhofskapelle. Später erfüllte Penkler den Wunsch des Heiligen, in der Nähe seines Vorbilds beerdigt zu werden. Einer von den Freunden Baron Penklers war der Astronom und Jesuit Maximilian Hell, den sicher auch der heilige Clemens kannte. Seine Grabtafel, die früher an der Westmauer des alten Friedhofes zu sehen war, ist jetzt in der Gruftkapellenwand eingelassen. Sie zeigt die von Heils Mitbruder, dem gefeierten Dichter Michael Denis, dem „astronomus Europae notus“, gewidmete Grabinschrift mit der Votivzeile: „Penkler amico posuit.“ Außer diesem Vers erinnert leider nichts mehr art die bedeutende Familie Penkler. Die Grabstätte Baron Penklers wurde aufgelassen und die reich beschriftete Gruftplatte für ein anderes Grab (Nr. 82) verwendet.

Ein weiteres Zentrum des Kreises bildete das „Romantikerhaus“, Liechten-eteinstraße Nr. 18; Weltabgeschiedenheit ist der erste Eindruck seines Hofes, der von einer hohen Mauer, von niedrigen Wirtschaftsgebäuden auf der einen Seite und dem halbrunden, sonnenuhrgeschmückten Stiegenturm auf der anderen Seite umschlossen ist. Es gehörte einem Beichtkind Hofbauers, dem Hof-und Gerichtsadvokaten Dr. Kaspar Wagner. Auch am Friedhof erinnert eines unter den Romantikergräbern an die Familie Wagner-Dore.

Ein Zweifaches führte die Freunde hier zusammen: Wallfahrt und Symposion. In der Wallfahrt als Läuterungsweg wird der mystische Gnadenborn-lebendig, im Symposion des Freundeskreises die Geisteshaltung der Romantik — hier freilich erhöht zu christlicher Fülle.

Neben Hofbauer ruht der vielleicht größte Nationalökonom und Staatswissenschaftler Deutschlands, Adam Müller. Auch er gehörte zu Hofbauers Kreis. Die Idee der christlichen Bildung, eines katholischen Bildungshauses führte sie zusammen.

Nur durch ein jüngeres Grab von ihm getrennt liegt der zerfallene Grabhügel Zacharias Werners, des besten Freundes Hofbauers. Der berühmte Prediger zur Zeit des Wiener Kongresses war wohl die interessanteste Gestalt des Kreises. Eigentümlich ist auch die Inschrift der stark verwitterten Grabsteinplatte: „Friedrich Ludwig Zacharias Werner, geb. zu Königsberg in Preußen, den

18. Feber 1768, zu Rom zum alleinwahren Vaterglauben zurückgekehrt den

19. Apr. 1810, gestorben zu Wien, den 17. Jan. 1823. Gott sei dem armen Sünder gnädig. Wanderer, bitte gütigst für seine arme Seele (Luk. 7. 5. 47).“ Die eigentümliche Lukas-Zitation erklärt sich aus dem „Motto im Tode“ seines Testa-

ments: „Remittuntur ei peecata multa, quoniam dilexit multa.“ (Die Vulgata hat multum. Vielleicht gibt Werner damit der romantischen Einstellung seines Lebens Ausdruck: Reservierung des Herzens gegenüber der Entscheidung für eine Wirklichkeit zugunsten der Fülle der Möglichkeiten.) Sein Lebensweg führte in alle Höhen und Tiefen des Menschenlebens, vom Freimaurer und Verfolger zum Priester und Freund des Heiligen. Das Verhältnis zu Hpfbauer war mehr als Freundschaft und Gewissensleitung. Werner wollte nach seiner „Katastrophenbekehrung“ völlig neu erzogen werden. In einem Brief entschuldigt er sich wegen seiner Kürze: Hofbauer habe ihm das Format vorgeschrieben.

Drei Grabstellen führen mitten in das Wirken Hofbauers. Ludowika Klin-kowström, geb. Mengershausen, und ihr Söhnchen Alois, Friedrich Klin-kowström zu Füßen seiner Gattin und ein unscheinbarer, quaderartiger Sockel, hineingezwängt zwischen zwei Gräber, das Grab Elisabeth Pilats bezeichnend. Die grauen, unscheinbaren Steine haben mehr zu sagen, als die Namen vorerst verraten. Drei Schwestern spielten in der Seelsorge Hofbauers eine große Rolle, symbolhaft vielleicht für die Bewegung zu Kirche und die Einbruchstelle des Göttlichen. Ludowika, Elise und Augusta Mengershausen — Protestanten —, die beiden ersten vermählt mit zwar hervorragenden, aber zunächst religiös indifferenten, ja der Loge angehörenden Männern, nämlich mit dem Pädagogen Friedrich Freiherr v. Klinkowström und dem Geheimsekretär Metternichs, Anton v. Pilat. Die umstürzenden Ereignisse *äes Jahres 1813 führten beide Männer von Wien fort. In diese Zeit der Trennung fällt die Konversion der drei Schwestern und damit später auch ihrer Gatten. Viel war damit für den Wiener Kreis gewonnen. Traf Hofbauer bei Schlegel und Adam Müller mit Gelehrten, Künstlern und Dichtern zusammen, so kam er in Pilats

Salon mit dem Adel und der hohen Beamtenschaft in Berührung. Wie sehr sich die Mitglieder des Kreises ihrer engen Verbundenheit mit Hofbauer bewußt waren, zeigt die Stelle Tob. 2—18 („Wir sind Kinder der Heiligen ...“) auf dem Grabstein des Clemens v. Pilat (ein älterer Bruder des Anton v. Pilat).

Hofbauer selbst nahm am 3. November 1862 Abschied von seinen Freunden in Maria-Enzersdorf. Seine sterblichen Uberreste wurden in die Kirche Maria-Stiegen in Wien übertragen. Von weit und breit hatten bis dahin Frauen und Männer jeden Standes das Grab des Heiligen besucht und dort stundenlang gebetet; so berichtet 1869 der damalige Friedhofaufseher Georg Malier, der mit zwanzig Jahren Hofbauer das Grab geschaufelt hatte. In der Folge fanden auch andere bedeutende Männer des kirchlichen Lebens hier ihre leitzte Ruhestätte. So der geistvolle Theologe und Schriftsteller Sebastian B'runner, der zu seiner Zeit den von Hofbauer begonnenen Kampf für Freiheit und Recht der Kirche fortsetzte und eine bedeutsame Biographie Hofbauers schrieb.

Vielleicht mag es scheinen, daß diese Zeugnisse romantischer Lebenshaltung unseier Zeit wenig zu sagen hätten. Viele sehen an diesen Jahrzehnäten nur die Zeit der Geruhsamkeit und treuherzig philiströsen Behagens. Dies aber erweist sich nur als dünne Decke, unter der in dieser Ubergangszeit der Umwertung nur mühsam verhaltene Leidenschaft glüht. Eines ist sicher: die irrationale Einstellung der Romantik, ihr Sinn für das Unendliche, haben sie über die Aufklärung hinausgeführt zum religiösen Geheimnis des Christentums. Erst der Idealismus und die Romantik haben Verständnis für die Entwicklung desr Philosophie gewonnen und gelernt, die Philosophie selber als eine engere und spätere Form religiös fundierter Weltansdiauung zu sehen und damit die Erkenntnis gebracht„ die „Religion sei philosophischer als die Philosophie“ (Prof. A. Dempf). Von bleibendem Wert ist jedenfalls die leitende Idee, der Religion wieder ihre zentrale Stellung einzuräumen. Dies ist letztlich auch der Sinn des heurigen Festjahres zu Ehren des heiligen Clemens Maria Hofbauer.

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