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Klemens Maria Hofbauer und die Wiener Romantik

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Der Historiker, der sich altem Brauche gemäß nur an schriftliche Zeugnisse halten will, kann die mannigfachen mündlichen Erzählungen und Anekdoten, an denen die Hofbauer-Literatur sehr reich ist, gänzlich außer acht lassen und wird trotzdem in den Quellen eine ganze Fülle von Beweismaterial finden, das ihm das innige Verhältnis des hl. Klemens Maria Hofbauer zur Wiener Romantik sinnfällig vor Augen führt.

Mit welcher Verehrung Dorothea Schlegel an ihrem geistlichen Berater hing, geht aus ihrem Brief an Hofbauer vom 28. Juni 1817 aus Frankfurt am Main hervor: „Hochverehrter, teurer, geistlicher Vater! Heute, am Vorabend der großen Apostelfeste, kann ich es mir nicht versagen, mich mit Ihnen zu unterhalten. Kein einziges großes Fest wird gefeiert, wo ich nicht in Gedanken zu den Füßen meines geliebten geistlichen Vaters zu liegen wünsche, um seine Lehren, seine Sprüche der göttlichen Weisheit zu vernehmen.“ (M. Bauchinger, Der sei. Clemens Maria Hofbauer, 3. Aufl., Wien 1894, S. 416.) Am 23. Dezember 1813 schreibt sie ihrem Sohn Philipp Veit, daß der Dichter Zacharias Werner sein Drama .Luther oder die Weihe der Kraft“ durch e,-ne Dichtung „Weihe der Unkraft“ widerrufen habe: „Erinnert Dich das nicht an Pater Hofbauers Geschichtchen: ,Es gilt nicht, es gilt nicht'“ (Ernst Wienecke, Caroline und Dorothea Schlegel in ihren Briefen, Weimar 1914, S. 451). Und am 8. Dezember 1817 schreibt sie an Rahel Varnhagen: „Ich sehe es voraus, daß ich wohl durch diese Unschlüssigkeit die besten und angenehmsten Quartiere versäumen werde — aber — ,was kann man machen?' — sagt der Pater Hofbauer.“ (Ebenda, S. 500.)

In einem Brief Friedrich Schlegels aus Wien vom 16. Januar 1819 an seine Gattin Dorothea nach Rom heißt es: „Der alte Hb. (Hofbauer) erkundigt sich immer mit großer Liebe nach Dir; es wird ihn sehr freuen, was Du von ihm schreibst.“ (Heinrich Finke, Der Briefwechsel Friedrich und Dorothea Schlegels 1818—1820, Kempten 1923, S. 165.) Am 19. Dezember 1819 schreibt Friedrich an Dorothea: „Liebe Frau! Dein Brief an P. H(ofbauer) hat mich ganz besonders gerührt und getröstet und danke ich Dir von ganzem Herzen dafür, sowie für alle, treue Liebe. Der gute Alte ist nur etwas communicativ; daher wenn Du ihm künftig wieder so ganz vertrauensvoll über unsre innerste Lage schreibst, so ist es nicht überflüssig, wenn Du künftig ausdrücklich hinzufügst, daß Du ihm unter dem Siegel der Beichtverschwiegenheit schreibst und nur mich namentlich davon ausnimmst, wenn Du dieses willst. Er hatte diesmal Deinen Brief ganz (wozu er doch nicht eingerichtet war) einem von den jungen neuen Geistlichen lesen lassen, der Dich nie mit Augen gesehen hat... Er ist zwar ein sehr guter Mensch, allein aus der übertriebenen Mitteilung kommt doch selten etwas Gutes heraus.“ (Ebenda, S. 321.) In dem langen, tief empfundenen Brief vom 18. März 1820, worin Friedrich seiner Gattin den Tod Hofbauers mitteilt, findet sich eine Stelle, aus der klar hervorgeht, daß Friedrich Schlegel die ganze Größe und Bedeutung des Dahingegangenen erkannt hat: „Ich bin einige Tage her in diesen großen Trauerfall so ganz versunken gewesen, daß ich kaum etwas anders habe denken können ... Ich bleibe für jetzt noch bei dem ganz einfachen Gefühle stehen: hier ist ein heiliger und großer Mann entschwunden und ich sehe nur die große Lücke vor mir.“ (Ebenda, S. 349.)

Der Dichter Zacharias Werner spricht in den Briefen seiner letzten Wiener Jahre von Hofbauer nur mit dem Ausdruck tiefster Verehrung. „Mein alter, geistlicher, teuerer Vater“, nennt er ihn, und in einem undatierten Schreiben rät er einem unbekannten Empfänger: „Ich kann Ihnen freilich zum Beichtvater keinen besseren als Hoffbauer vorschlagen,und könnten Sie es über sich gewinnen, ihn allenfalls außer dem Beichtstuhl zu besuchen zu Hause, und ihm ihr Herz auszuschütten, so wären Sie wohl sehr gut versorgt! Da ich aber auch weiß, daß Hoffbauer sehr viel zu tun und zuweilen ein Wesen hat, was man in seinem herrlichen Grunde kennen muß, um nicht dadurch abgeschreckt zu werden ... so rate ich Ihnen ... daß, wenn Sie bei Hoffbauer weder gehörige Andacht, Trost, Stärkung und Vertrauen fühlen, Sie einen anderen Beichtvater wählen.“ (Oswald Floeck, Briefe des Dichters Friedrich Ludwig Zacharias Werner, München 1914, 2. Bd., S. 349.)

Uber das Verhältnis Hofbauers zu Adam Müller sind wir vorzüglich durch die Akten des Wiener Polizeiarchivs unterrichtet, das leider fast zur Gänze dem Brand des Justizpalastes vom 15, Juli 1927 zum

Opfer fiel. Als Adam Müller im November 1812 mit Unterstützung des Erzherzogs Maximilian von Este ein Erziehungsinstitut für den hohen Adel gründen wollte, schreibt Freiherr von Hager, der Vizepräsident der Polizeihofstelle, an die Wiener Polizeioberdirektion über dieses geplante Unternehmen: „Da hierorts vorgekommen ist, daß ein nicht zum besten bekannter Geistlicher namens Hofbauer eine Anstellung dabei haben soll, so wird die P. O. D. ungesäumt bei Erstattung obig. Berichtes an-her äußern, ob die Anstellung Hofbauers wahr sei, ob dieses vielleicht jener aus mehreren Polizeiverhandlungen bekannte Hofbauer sei, welcher Vorsteher der in Warschau aufgehobenen Bennoniten war.“ (Jakob Baxa, Adam Müller, Jena 1930, S. 234.) In dem angeforderten Polizeibericht heißt es dann am 29. November 1812: „Zum Vizedirektor und Lehrer der Religion hat Müller den bekannten aus Warschau entflohenen Bennoniten Hofbauer ersehen, einen schwärmerischen, ungebildeten und unwissenden Menschen, von welchem in unseren Akten viel vorkommen muß.“ (Ebenda, S. 236.) In einem umfangreichen Bericht an Kaiser Franz vom 12. Dezember 1812 erklärt Freiherr von Hager das Unternehmen Müllers als ein Werk der geheimen Jesuiten: „Diese letzte Meinung wird noch dadurch mehr begründet, daß ... der ehemalige Vorsteher der aus Warschau i. J. 1807 vertriebenen Bennoniten — eine Art Jesuiten, der Abbe Hofbauer als Religionslehrer aufgenommen worden ist.“ Ferner meldet er dem Kaiser: „Abbe Hoffbauer, ein Mann, der der Polizei längere Zeit bekannt und der Gegenstand einer förmlichen Untersuchung wegen dem war, weil er ohne Bewilligung ausgewandert, in Mähren zum Behuf seines Instituts Kinder angeworben und nach Warschau geführt, dann aber nach seiner Vertreibung aus Warschau Kirchen gestört und reiche Teile der Ausschmückung mit sich genommen hatte. Ich halte mich verpflichtet, Euer Majestät im Anschluß einen Auszug aus den seinetwegen verhandelten Akten beizulegen.“ (Ebenda S. 243 f.) Hofbauers zahllose Kämpfe mit der Polizei finden sich ausführlich dargestellt in dem auf gründlichstem Quellenstudium beruhenden Lebensbild „Der Heilige Klemens Maria Hofbauer“ von Johannes Hofer, 5. Tausend, Freiburg i. Br. 1923, auf das wir nachdrücklich verweisen.

Das Erziehungsinstitut Adam Müllers wurde durch ein vernichtendes Gutachten des Vizedirektors Michael Gruber, Kanonikus von St. Stephan, eines treuen Anhängers des Josephinismus, zu Fall gebracht, worin Hofbauers Name zwar nicht erwähnt, aber bemängelt wird, daß Müller bei seinem Institut ausländische Lehrer anstellen wolle, „wie er erst kürzlich zwei Geistliche, Sabelli und Fort-huber, hat kommen lassen“. Das waren zwei Ordensbrüder, die Hofbauer selbst aus der Schweiz verschrieben hatte.

Am 17. März 1820 erschien aus Adam Müllers Feder in dem von Pilat geleiteten „Osterreichischen Beobachter“ ein kurzer, aber tiefempfundener Nachruf auf Hofbauer, an dessen Schluß es heißt: „Die Früchte seines tatenreichen, wahrhaft apostolischen Lebens unter uns wird die Nachwelt ernten. Hohe und Niedere, Gelehrte und Unmündige, beklagen den Verlust ihres Vaters und Führers, und die Entferntesten selbst, die ihn nur dem Namen nach gekannt, empfinden bei der Nachricht von seinem Tode, daß eine starke Stütze des Glaubens und der Religion, also des Vaterlandes, gesunken ist.“

Clemens Brentano lernte Hofbauer In Wien bei Adam Müller kennen. Das geht aus Brentanos Brief an Ludwig Tieck vom 12. Juli 1813 hervor, worin er als Gehilfen der Anstalt Müllers neben dem Maler Klinkowstroem aus Schwe-disch-Pommern, einem Freund Philipp Otto Runges, „drei Priester aus dem von Warschau durch die Franzosen vertriebenen Orden der Redemptoristen“ erwähnt. (Karl v. Holtei, Briefe an Ludwig Tieck, Breslau 1864, 1. Bd.,. Seite 103.) Es waren dies Hofbauer, Sabelli und Forthuber. Die von Sebastian Brunner erzählte Geschichte, Hofbauer hätte Brentano nach dem Scheitern seiner Wiener dramatischen Pläne mit Geld unterstützt, wurde schon von Michael Haringer (1864) wegen ihrer inneren Unglaubwürdigkeit — Brentano war sehr reich und niemals in Geldnot — zurückgewiesen. Trotzdem taucht sie bei August Fournier „Die Geheimpolizei auf dem Wiener Kongreß“, Wien 1913, in einem Polizeibericht in der Form wieder auf, Hofbauer hätte Brentano nach dem Durchfall seines Lustspieles „Valeria“ (Ponce de Leon) am Wiener Burgtheater (18. Februar 1814) eine Unterstützung von 100 Gulden angeboten, Brentano hätte aber das Geld zurückgewiesen. Johannes Eckardt erzählt die Geschichte wieder (Klemens Maria Hofbauer, München-Gladbach 1916), und zwar nach dem „Rheinischen Antiqua-rius“, wobei aus den 100 Gulden gar 100 Dukaten werden und Brentano das Geld annimmt. Es ist wohl nur eine hübsche Novelle. Eine ganz kurze Nachricht über Hofbauer enthält Eichendorffs Wiener Tagebuch unter dem 3. Februar 1812: „Später kam Schlegels Beichtvater, ein Ordensgeneral, voll Feuer, lustig, polnisch sprechend etc. mit noch einem anderen Pater. Er ließ heimlich hinstellend eine Torte zurück, die wir dann mit Wein verzehrten. Mad. Schlegel hatte ihm schon von uns erzählt.“ (Wilhelm Kosch, Tagebücher des Freiherrn Josef v. Eichendorff, Regensburg 1908, S. 307.)

Ein letztes denkwürdiges Zeugnis der Wiener Romantik ist der Ortsfriedhof von Maria-Enzersdorf, wo nodi heute rings um die einstige Grabstätte des heiligen Klemens Maria Hofbauer die Gräber von Zacharias Werner, Adam Müller, Klinkowstroem und der Gattin und des Sohnes von P i 1 a t zu sehen sind. Als fremde Denkmal einer späteren Zeit schiebt sich dazwischen das große Prunkmal des Grafen Alexander von H ü b n e r, eines Schwiegersohnes Pilats, dar als österreichischer Botschafter in Paris beim Neujahrsempfang 1859 jene bitteren Worte des Kaisers Napoleon III. zu hören bekam, welche den späteren Krieg um die Lombardei schon andeuteten. Nur mit tiefer, innerer Ergriffenheit kann man diese weihevolle Stätte betrachten: Saxa loquuntur!

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