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Wiens Romantiker, im Tod vereint

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Grab an Grab - Name an Name: und mit jedem Namen wird das Bild plastischer. Wie ein Lexikon der Wiener Romantik mutet die „Romantiker-Ecke" des Friedhofs von Maria Enzersdorf bei Wien an.

Ist dieses Stück Kulturgeschichte in weiteren Kreisen bekannt? Eine Frage danach löst häufig unerwartete Reaktionen aus. Man setzt den Friedhof als bekannt voraus — und erntet verständnislose Blicke. Man stellt die Frage vorsichtig — und erweckt euphorische Stimmung. Neben solchen, die das erste Mal davon hören, gibt es die anderen, für die es der liebste Spaziergang ist.zwischen den alten urabsteinen umherzugehen.

Die Tatsache allein ist romantisch: Hier befinden sich die Gräber so vieler, die dem Wiener Romantiker-Kreis eng verbunden waren, obwohl sie nicht in Maria-Enzersdorf gestorben sind. Voraussetzung ist der hohe Wert, der damals der Freundschaft beigemessen wurde. Sicherlich, die Romantiker waren tief religiös; für sie war der Glaube an ein Jenseits unumstößlich. „Zur Menschheit gehört der Sinn für ein Jenseits der Menschheit", hatte Friedrich Schlegel verkündigt. Trotzdem wollte man auch im Grab dem Freunde nahe sein.

Clemens Maria Hofbauer war es selbst gewesen, der in der Nähe seines verehrten Vorbildes Albert Diesbach beerdigt werden wollte. Und nach seinem Tod sammelten sich die Gräber seiner Freunde um seine Ruhestätte.

Nicht alle Gräber aus der Zeit der Romantik sind erhalten geblieben, auch vom Grab Deesbachs kann nur vermutet werden, daß es an der Westseite der alten Friedhofsmauer lag. Joseph Albert Freiherr von Diesbach war seiner Herkunft nach kalvini-scher Schweizer, nach seiner Konversion war er Jesuit, bis der Orden aufgehoben wurde. Sein Verein „Christliche Freundschaft" kann als Vorläufer der späteren Romantiker-Kreise angesehen werden. Freiherr von Penkler spielte darin eine Rolle, und noch während seiner Studienzeit in Wien kam Hofbauer dazu.

Als Besitzer der Herrschaft Liechtenstein gründete Penkler 1784 den Friedhof „außer dem Orth", den Friedhof von Maria-Enzersdorf. Auch das Grab des Friedhofgründers ist nicht erhalten, der Grabstein wurde 1892 als „herrenloses Gut" verkauft. Verkehrt aufgestellt, schmückt er jetzt das Grab zweier Juweliere.

Nur an einer Stelle ist der Name des Freiherrn erhalten: Er hatte 1792 den Grabstein für den Astronomen Pater Maximilian Hell setzen lassen: „Penkler amico posu-it" ist auf der Tafel zu lesen, die jetzt an der Südmauer der Friedhofskapelle angebracht ist.

Neben dieser Kapelle, die gerade restauriert wird, befinden sich nun die eigentlichen Romantikergräber. Sie stehen nicht in Reih und Glied, diese Grabsteine hier. Sie sind locker angeordnet, möglichst nahe dem Grab des Heiligen —das jetzt leer ist. Eine lateinische Inschrift berichtet davon, daß am 4. November 1862—also gerade vor 120 Jahren — die Gebeine des hl. Clemens nach Wien überführt und in der Kirche Maria am Gestade bestattet worden sind.

Ein schmuckloses Steinkreuz ist das Grabmonument Hofbauers, auf der Tafel die Geburtsund Sterbedaten und der Spruch:„Fidelis servus et prudens".

Ein größeres Kreuz und eine viel längere Inschrift schmücken das Grab eines anderen Großen der romantischen Szene: Friedrich Ludwig Zacharias Werner. Werner hatte Hofbauers Begräbt nis gehalten, er, der treue Freund und Schüler und frühere erbitterte Gegner.

Werner hatte mitgewirkt an der Vertreibung der Redemptoristen aus Polen. Nach seiner Konversion ist Werner Priester geworden. Jetzt sah Werner in Hofbauer neben Napoleon und Goethe einen der drei „genialen Großen des Jahrhunderts", und Hofbauer nannte den wortgewaltigen Prediger Werner „Posaune Gottes." Werners Predigten zählten zu den Attraktionen des Wiener Kongresses, es gehörte ebenso zum guten Ton, Werner predigen gehört zu haben wie dieses oder jenes Theater oder Konzert zu besuchen.

Der Wiener Kongreß bereicherte den Romantiker-Kreis um bedeutende Persönlichkeiten, vor allem das Ehepaar Friedrich und Dorothea Schlegel wurde zum Kristallisationspunkt. Wie viele andere aus diesem Kreis waren sie konvertiert und verehrten in Clemens Maria Hofbauer ihren Seelenführer.

Das Grab zwischen Hofbauer und Werner trägt das gleiche Steinkreuz, auch hier fuht ein Freund, Adam Müller von Mitterndorf, berühmter Nationalökonom, Kulturphilosoph und Schriftsteller. Mit Friedrich von Klinkowström hatte er ein Erziehungsinstitut gegründet, um die Jugend im Geist lebendigen Christentums zu erziehen.

Ein Jahr nach Hofbauer war Ludowika von Klinkowström bei der Geburt eines Kindes gestorben und ruht mit diesem Sohn an der linken Seite von Hofbauers Grab. „Eine prachtvolle Seele", hatte Hbfbauer sie genannt. Ludowika war eine der drei Schwestern der „stockprotestantischen" Familie von Mengershausen, die zum Katholizismus übergetreten waren. Eine von ihnen wurde Ordensfrau, die dritte war mit Joseph von Pilat vermählt, dem Sekretär Metternichs.

Der Grabstein des Sohnes Clemens von Pilats trägt den Stern, das Symbol der Romantik. Der Grabstein dieses Nachfahren der Generation um den heiligen Clemens Maria Hofbauer kündet die Worte aus dem Buch Tobias: „Wir sind Kinder der Heiligen und erwarten jenes Leben, das Gott denen geben wird, die in ihrem Glauben nie von ihm abwichen."

Radio Niederösterreich sendet am 1. November um 18.30 eine ausführlichere Studie der Autorin zum selben Thema.

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