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Der unpolitische Metternich

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Der Name des Fürsten Metternich ist zum Begriff einer Epoche geworden. Er ist dies heute in einem Maße, daß man — mehr als bei einem anderen Staatsmann der Vergangenheit — in Metternich nur den Politiker sieht, der die Geschicke des Habsburgischen Kaiserstaates durch fast vierzig Jahre hindurch als verantwortlicher Minister leitete und darüber hinaus über das Schicksal europäischer Völker in der maßgeblichsten Weise entschied.

Für den rückblickenden Beschauer tritt Fürst Metternich mit dem Wiener Kongreß in das Rampenlicht der Öffentlichkeit, zu einer Zeit also, die den Höhe- und Glanzpunkt seines staatsmännischen Daseins bildete. Das bekannte Kongreßbild Isabeys zeigt uns den Einundvierzigjährigen so, wie er sich dem Gedächtnis der Nachwelt erhalten hat. „Seine Züge waren schön und vollkommen regelmäßig, sein Lächeln verführerisch, sein Gesicht drückte Klugheit und Wohlwollen aus. Er war von mittlerem Wuchs, wohlgestaltet, und sein Gang hatte etwas Edles und Elegantes ... Beim ersten Anblick fand man sich angenehm überrascht, in ihm einen jener Männer zu erkennen, an denen die Natur ihre reizendsten Geschenke verschwendet hat, die nur für die frivolen Erfolge in der Gesellschaft berechnet zu sein schienen ... Betrachtet man aber aufmerksam seine Physiognomie, die zugleich das Gepräge der Geschmeidigkeit und Festigkeit trug; beobachtete man die Tiefe seines Blicks, so durfte man an seinem außerordentlichen politischen Genie keinen Zweifel hegen; man erblickte in ihm nur noch den Staatsmann, gewöhnt, die Menschen und die höchsten Angelegenheiten zu leiten.“ Mit diesen begeisterten Worten schildert uns ein Zeitgenosse die glanzvolle Erscheinung Metternichs zur Zeit des Kongresses.

Doch wenige Jahre später ist der Glanz der Jugend geschwunden. Die Geistes- und Nervenanspannung des Kampfes um die Erringung des europäischen Gleichgewichts forderte ihren Tribut, ein Augenleiden stellte sich ein. Doch die elastische Natur des Fürsten erholte sich wieder, seine Erscheinung hatte sich gewandelt, doch ihre Anziehungskraft ist nicht geschwunden, so daß er 1834 dem Comte de Falloux noch immer als einer der schönsten und elegantesten Männer seiner Zeit erschien.

Nach dem Abschluß des Ringens gegen den Imperator und der Neuordnung Europas galten die folgenden Jahrzehnte dem Kampf des Staatskanzlers um die Erhaltung des so schwer errungenen europäischen Gleichgewichts, dem Kampf gegen die Ideen von 1789, gegen die Volkssouveränität und ihre Realisierungsbestrebungen. Sein Ringen gegen die Einheits- und Freiheitstendenzen der Italiener und der deutschsprachigen Völker Europas hat Metternich einem philosophischdoktrinären Überbau unterstellt, der ihm tiefste Überzeugung war. Er sah die nationalen und freiheitlichen Tendenzen als Vernichtungskräfte an, die Europa, vor allem aber die Habsburgermonarchie, staatlich und gesellschaftlich zu zerstören drohten. Er war gewillt, sich ihnen als hemmenden oder doch regulierenden Damm entgegenzustellen. Als dieser Träger der Erhaltungstendenz ist Metternich der Nachwelt in Erinnerung geblieben.

Djesem Bild des Politikers" gegenüber tritt das Bild des Menschentums des Fürsten in den Hintergrund. Metternich war sich bewußt, daß das Bild, das sich die Welt von ihm zurechtlegte, auf keinen Fall seinem wehren Wesen entsprach. Auch heute noch, hundert Jahre später, ist das Urteil des Freiherrn von Stein noch nicht aus der Geschichtsschreibung verschwunden; ihm erschien Metternich flach, unmoralisch und doppelsinnig, weder durch Talent noch durch Charakter zu übermäßigem Einfluß berechtigt, im Besitz von Verstand, Gewandtheit und Liebenswürdigkeit, aber ohne Tiefe, Kenntnis, Arbeitsamkeit und Wahrhaftigkeit, ohne Kraft und Ernst zu Geschäftsbehandlung im großen und einfachen Stil, voll Leichtsinn und Kälte. Und so erscheint der Staatskanzler vielen auch noch heute. Wahrhaftig, ein vernichtendes Urteil für den Politiker und für den Menschen, das sich der Freiherr erlauben zu können meinte, obwohl er mit Metternich nur in Staatsgeschäften zu tun hatte und nur flüchtige Eindrücke von der Persönlichkeit des Gegners erlangen konnte.

Wie anders erscheint Metternich in der Schilderung von Zeitgenossen, die ihn genau kannten, und vor allem in der Beschreibung von Personen seiner Umgebung, die ihn täglich zu beobachten Gelegenheit hatten. „Seine Haltung und sein Benehmen gegen tnich“, schreibt sein Leibarzt Dr. Jäger, „war so freundlich und entgegenkommend, so frei von aristokratischem Stolz und Vornehmtun bei dem unverkennbaren Vollgefühl von innerer Würde und seiner hohen staatlichen Stellung, verbunden mit einem echten Adel in Haltung und Gesinnung “

Aber auch seinen Feinden begegnete der Kanzler mit einer Güte und Vornehmheit, die wir oft kaum erwarten. Seinen Gegnern trug er ihre Feindschaft nie nach und vergalt sie mit vornehmer Gefälligkeit, wenn seine Hilfe angerufen wurde. Er kannte keinen persönlichen Groll. „Es war nicht möglich, milder, nachsichtiger im Urteil über Dritte zu sein, und nie erinnere ich mich, daß ich ihn in Ergüsse von Zorn oder Galle ausbrechen sah“, berichtet Franz von Andlaw, der ihn jahrelang fast täglich sah und so ihn zu beobachten Gelegenheit hatte. In den seltensten Fällen ließ sich der Fürst zu heftigen Äußerungen über politische Gegner hinreißen. Immer war er bestrebt, dem Menschen im Gegner Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Kaiser Franz konnte sich auf Grund vieljähriger Erfahrung zur Fürstin Melanie, der dritten Gattin des Kanzlers, äußern: „Er verzeiht allen seinen Feinden, behält nie etwas im Herzen gegen sie“ und „der ist besser als ich, der ärgert sich nie und hat nie etwas gegen seine ärgsten Feinde, so gut bin ich nicht.“

So hat auch Metternich den Haß Steins nicht erwidert. Als dieser 1829 in Bouriennes Memoiren der beabsichtigten Vergiftung des bayrischen Ministers Montgelas bezichtigt wurde, zögerte der Staatskanzler nicht, für Steins Ehre einzutreten. Und Chateaubriand, der Politiker und Literat des Julikönigtums, der jahrelang persönlicher Gegner Metternichs war, erreichte von diesem 1831 sofort die Erfüllung seines Wunsches, sich in Venedig niederlassen zu dürfen.

Ein Mann, der derartiger Handlungen fähig ist, der als Mensch den Menschen auch im Gegner achtet, verdient rin anderes Urteil als die Meinung, die sich über ihn durch über rin Jahrhundert hindurch erhalten hat. Der Staatsmann, der das politische und soziale Gleichgewicht zum Dogma erhob, kannte auch nicht die Kraft aufpeitschender Leidenschaft in Liebe und Haß. Auch sein Seelenleben wurde von einem Gleichgewicht beherrscht, das niemals ernstlich gestört werden konnte. Dem entsprach ein Gleichgewicht seiner geistigen Fähigkeiten, so daß Dr. Jäger meinte, daß Metternich stets des Sieges sicher sein dürfte, „selbst bei ungleicher Verteilung von Sonne und Wind“. Er bewunderte „die Größe und Macht seines Geistes", als er beobachtete, wie der Fürst sich selbst zu bemeistern verstand. Diese Gabe der größten Selbstbeherrschung hat er in allen Lagen bewahrt, auch an dem für ihn schmerzlichen 13. März 1848: er wußte die äußere Haltung zu wahren und verlieh seinem Abgang eine innere Würde, von der Erzherzog Johann in seinem Tagebuch schrieb, daß sich Metternich „höchst edel“ benommen habe.

Neben diesen Eigenschaften fehlte es dem Staatskanzler nicht an Bekennermut und Entschlossenheit, nötigenfalls sein Leben für seine Überzeugung einzusetzen. „Ich kenne nicht das Gefühl der Furcht und ihre Wir kungen. Die Gefahr ruft mich zum Handeln, ich bin niemals stärker als in Augenblicken, wo es Kraft anzuwenden gilt.“ Als der wachsende politische Druck eine immer höhere Welle des Hasses hervorrief, mußte der Fürst mit der Möglichkeit eines Attentats auf seine Person rechnen. Er hat dieser Möglichkeit „wie rin General gegenüber einer Batterie“ ruhig entgegen gesehen.

Doch bei aller Begabung und allem persönlichen Mut fehlte ihm die Gabe, die Bismarck die Bezeichnung des „eisernen Kanzlers“ eingetragen hatte: die Gabe, eisern und rücksichtslos zupackender Energie. Er war kein Tatenmensch, erfüllt von gewaltigem Machtinstinkt; vor entschiedener Opposition und vor einem Kampf großen Stils scheute er zurück. Die Zeit sollte die Lösung aller Fragen und Probleme bringen, vor der „Kraft der Dinge“ wich er zurück, um allerdings sobald als möglich seine ursprüngliche Haltung wieder einzunehmen. Treffend ist in diesem Zusammenhang das Wort des Russen Meyendorff, der von einem fond de molesse spricht, der in des Fürsten Charakter liege. Er war ein Meister der Auswege, der Täuschung, Unwahrheit und listige Schlauheit als taktisches Mittel niemals verschmähte.

Metternich gehörte so nicht zu den ganz Großen, deren Persönlichkeit aus einem Guß geformt erscheint, und die ihre Talente mit rücksichtsloser Energie verbinden, einer Energie, mit der sie auch ihre privaten Wünsche zurückstellen und nur ihrem Dienst an Staat und Gesellschaft leben, in dem sie nur karge Stunden der unbedingt notwendigen Erholung widmen. Wie schon oben erwähnt, verstand es der Fürst in unvergleichlicher Weise, sein menschliches Ich von seinem Dienst als Staats, mann zu trennen. Sein ganzes Leben durchzog ein tiefer Zwiespalt, der sich niemals ganz schließen sollte. Diese Bipolarität seines innersten Wesens drängt Ihn aus Pflicht und Neigung neben dem Bewußtsein der ausnehmenden Eignung zur Arbeit für Gesellschaft und Staat, während er aber gleichzeitig nach einem Glück dürstet, das ihm der öffentliche Dienst niemals gewährte. Der Staatsmann ist immer gleichzeitig der Mann des Salons und der Kunst aus innerstem Bedürfnis geblieben, und er hat es immer als sein unbestreitbares Recht angesehen, neben seinen öffentlichen Obliegenheiten sein eigenes persönliches Leben zu leben.

Den ersten Platz in seinem Leben, sofern dieses nicht dem öffentlichen Dienst gewidmet war, nahmen die Naturwissenschaften ein. Der junge Metternich folgte seiner ursprüng- lidisten Neigung, wenn er sich in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts in Wien dem Studium deskriptiver Botanik, Geologie, Physik und Chemie widmete und sich an anatomischen Übungen beteiligte. Diesen Disziplinen und ihren Methoden ist er zeit seines Lebens treu geblieben. Mit Feuereifer verfolgte er ihre Fortschritte und förderte sie mit ganzer Kraft' und echter Hingabe. Er begegnete den hervorragendsten Vertretern dieser Wissenschaften als dankbar Lernender.

Die Naturwissenschaften waren es auch, die das Denken des Staatsmannes in eigenartiger und maßgeblicher Weise beeinflußten. Im Gegensatz zu den Geschichtswissenschaften übten sie einen bestimmenden Einfluß auf die Gestaltung seines gesamten Weltbildes, insbesondere auf seine Staats- und Gesellschaftslehre, auf sein „System" aus. Die naturwissenschaftliche Theorie bot ihm eine Hauptgrundlage seiner deduktiv-rationalistischen Philosophie. Die Fortschritte der Naturwissenschaften übten nicht nur eine ungewöhnliche Anziehungskraft auf ihn aus, sie waren ihm auch ein wesentliches Mittel zur Prüfung staatsmännischer Prinzipien. Die Geschichts-

Wissenschaften Besaßen dagegen für ihn hauptsächlich nur pragmatischen Wert. Niemals ist die Geschichte leitendes Prinzip seiner Weltanschauung geworden.

Am besten beleuchtet das Verhältnis des Staatskanzlers zur Wissenschaft sein Briefwechsel mit dem größten Naturwissenschaftler seiner Zeit, mit Alexander von Humboldt. Wenn Metternich Humboldt auch für einen „politisch sdiiefen Kopf“ hielt, so ist er doch von Bewunderung für die Größe seines wissenschaftlichen Werkes erfüllt. Der Fürst, der selbst eine strenge Linie in seinem politischen Wirken einhielt, war von Humboldts Methode begeistert, „eine Linie zu ziehen, niemals aus dem Auge zu verlieren und so zum Ziele zu gelangen". Er dankte dem Verfasser des „Kosmos“ bewegt für die „wahrhaft seligen Stunden, die Sie mir eröffnet haben". Der todesnahe Greis sah mit der „Freude eines gelehrigen Schülers, dem ein Fest in Aussicht gestellt ist", dem vierten Teil des „interminable Cosmos" entgegen.

Doch beschränkte sich Metternich nicht darauf, seinen persönlichen naturwissenschaftlichen Interessen nachzugehen. Humboldt nahm sehr häufig seine Gunst für junge, aufstrebende Gelehrte in Anspruch. Sie wurde immer gewährt. Oberhaupt ließ der Fürst naturwissenschaftlicher Forscherarbeit die weitestgehende Förderung zuteil werden. Friedrich Simony führte mit seiner Unterstützung die geologisch-geographische, botanische und klimatologische Erforschung des Dachsteinstockes durch und sammelte für seinen Gönner eine reiche Menge von Kephalopoden aus den Hallstätter Kalken. Mit Hilfe des Fürsten konnte Franz von Hauer ein eigenes Werk über die Ammoniten erscheinen lassen. So ist der Staatskanzler untrennbar mit den Anfängen der Paläontologie in Österreich verbunden.

Seine Vorliebe für Geologie ließ den Schöpfer der Geologischen Reichsanstalt in Wien, Wilhelm Haidinger, treueste Dankbarkeit seinem Gönner bewahren, dessen Förderung und Schutz er seif seinen wissenschaftlichen Anfängen genoß. Die neue Anstalt dankte Mettemidi die Bereitstellung von Räumen in seinem Haus auf dem Rennweg und die Vermittlung des Gesdienkes zweier prächtiger Serpentinstücke aus Hessen. Darmstadt zur „Darstellung der Natur pola- risdi-magnetischer Felsgebilde". Der Staatskanzler war der Initiator und oberster Heimatleiter der österreichischen Brasilienexpedition, die 1817 bis 1820 in diesem Land botanische und zoologische Forschungen betrieb. Lange Jahre vor der Gründung der Geographischen Gesellschaft im Jahre 1855 trug er sich mit dem Plan einer solchen Sdiöpfung.

Mit dem Chemiker Justus von Liebig stand Metternich in regem schriftlichen Gedankenaustausch und konnte den Bahnbrecher moderner chemischer Forschung des öfteren als Gast bei sidi begrüßen. E schmeichelte dem Fürsten, dem hervorragenden Chemiker beweisen zu können, daß er in den Dingen seines Fachwissens nicht kenntnislos sei. Liebig bekannte ihm auch, daß er vor der persönlichen Berührung weit entfernt von dem Glauben gewesen sei, „daß der größte Staatsmann des Jahrhunderts eine so tiefe Kenntnis der Naturwissenschaften in sich vereinigen könne“, und staunte, wie Metternich die neuesten Ergebnisse der Forschung an ihren Zugehörigen Platz unter den bereits bekannten einreihen konnte.

Damit waren aber Metternichs naturwissenschaftliche Interessen keineswegs erschöpft. Er wohnte Versuchen am Polytechnischen Institut bei, besuchte an der Wiener Universität die populären physikalischen Versuche Andreas von Ettinghausens, er konnte Prokesch-Osten einen Vortrag über die Natur des Lichts halten, genau so, wie er ihm Hypothesen über die Entstehung der Erde auseinandersetzte, und er war in der Lage, mit dem Marschall Marmont meteorologische Probleme zu erörtern. Die Erfindung Daguerres erregte sein höchstes Interesse und er lud Professor Ettinghausen, der in Paris die Erfindung studierte, ein, in Johannisberg einige Versuche des „Daguerrotypierens“ (Photographieren ) zu machen.

Das gleiche Bild bietet sich dem Blick, der das Verhältnis des Staatsmannes zu den medizinischen Fächern betrachtet. Man wird es kaum als berechnende Laune Metternichs bezeichnen können, wenn er 1810 die beträchtliche Summe von 25.000 Franken als Bürgschaft hinterlegte, um Franz Josef Gail die Drucklegung des zweiten und dritten Bandes seiner Anatomie und Physiologie des Nervensystems zu ermöglichen. Als Schüler Peter Franks hidt Metternich zeitlebens an John Browns Erregungstheorie fest, die jedem

Organismus eine gewisse Menge Erregbarkeit im Rückenmark und im Muskelsystem zuschreibt, das Leben aus dem Einwirken innerer und äußerer Reize auf die Erregbarkeit erklärt und die Gesundheit aus dem richtigen Verhältnis beider Faktoren hervorgehen sieht.

Es war aber nicht nur die erkenntnis- theoretische Seite seiner geliebten Wissenschaft, die den vielseitigen Geist des Fürsten zu fesseln vermochte. Der philosophische Systematiker hatte seine besondere Freude daran, die neuen Errungenschaften der Technik praktisch zu verwerten. Er bezeigte ein lebhaftes Interesse für die Gasbeleuchtung in England und bat Erzherzog Johann um Auskunft, ob er ne Beschreibung dieser Neuerung mitgebracht habe, da er eine Probe im Garten seiner Villa anstellen wolle. In Königswart errichtete er zwei Tonwarenfabriken und das Eisenwerk auf seiner Herrschaft Plaß hatte eine ansehnliche Bedeutung in der böhmischen Industrie. Er verfolgte und benützte die Fortschritte der landwirtschaftlichen Maschinentechnik und bemühte sich eifrigst, seine böhmischen Besitzungen zu Musterwirtschaften zu gestalten.

So lernen wir den Staatsmann, der in der Politik mit allen Mitteln das Bestehende zu erhalten suchte, auf dem unpolitischen Feld der Naturwissenschaften als unentwegten . Anhänger des Fortschritts kennen. Es dürfte wohl kaum eine treffendere Charakteristik der Doppelpoligkeit im Wesen Metternichs möglich sein, als diese Gegenüberstellung: einerseits Träger der politischen Erhaltungs tendenz, andererseits aber der eifrigste Förderer und Anhänger wissenschaftlichen Fortschritts. Wir lernen ihn als Freund aller Neuerungen, als den eifrigen Förderer junger Talente kennen. Er nimmt rege teil am Geistesleben seiner Zeit und fördert es mit allen Mitteln — sofern es unpolitisch blieb. Vor überragender wissenschaftlicher Leistung bezeigte er stets die echte Bescheidenheit eines wahrhaft großen Geistes, die er sich bis ins hohe Alter erhalten hat. So schrieb er in dem letzten Brief, den er an Humboldt zu dessen 89. Geburtsfest richtete: „Sie sind mein Vorläufer in einem sehr geringen Ausmaß und die Zahl unserer Zeitgenossen — im beschränkteren, aber richtigen Begriff des Wortes — ist eine sehr geringe. Ich nehme Sie für mein Vorbild, ein besseres könnte ich mir in keinem Fall aneignen. Ihre Befähigung und Ihr Wohl hat Ihnen eine Laufbahn eröffnet, an deren Ende der Sieg Ihnen gesichert war. Das Schicksal hat mich in eine andere Bahn eingedrängt, welche an Gefahren reich und an Befriedigung arm ist. Glücklich sind diejenigen, welche sich mit dem positiven Wissen und nicht mit den Launen der Gesellschaft zu befassen haben. Auch ruhen die Blicke, welche Sie auf das Gebiet, welches Sie so erfolgreich gepflegt haben, zu werfen in der Lage sind, auf unendlichen Fortschritt; wie anders steht es mit den Gebieten der Politik und der Gesellschaft! Bleiben Sie noch jahrelang mein Vormann; an meinem Streben, Ihnen treu zu folgen, können Sie nicht zweifeln.“

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