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Teilung der Erzdiozese Wien ?

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Auf den ersten Blick scheint es unnotwendig zu sein, von einer Teilung der Erzdiözese Wien zu sprechen. Seit rund 170 Jahren besteht die Erzdiözese in ihrem heutigen Umfang, ohne daß kaum je der Ruf nach einer Teilung aufgetaucht wäre; warum sollte heute plötzlich diese Frage aktuell werden? Teilungen und Neuerrichtungen von Diözesen fanden und finden immer wieder statt, nicht nur in den Missionsländern, nicht nur in Staaten wie den USA, sondern auch in Europa, ja Mitteleuropa. So wurde 1921 das Bistum Meißen neu errichtet, 1930 das Bistum Berlin geschaffen. In kurzer Zeit dürften zwei neue Bistümer in Deutschland errichtet werden, Essen und Konstanz am Bodensee. Es sind in erster Linie immer seelsorgliche Gründe, die zur Teilung oder Neuerrichtung von Bistümern führen, denn eine zu große Anzahl von Gläubigen oder ein zu großes Territorium können nur schwer von einem einzigen Bischof seelsorglich betreut und regiert werden.

Diese seelsorglichen Gründe würden auch im Falle Wien zu einer Teilung der bisherigen Diözese berechtigen. Denn Wien ist mit zwei Millionen Katholiken nicht nur die größte Diözese Oesterreichs, sondern auch eine der größten Europas, ja der Welt. Sie umfaßt ebensoviel Katholiken wie die beiden Diözesen Seckau (Graz) und Linz zusammen oder wie die Diözesen (bzw. Administraturen) Salzburg, Sankt Pölten, Gurk, Innsbruck-Feldkirch und Eisenstadt zusammen. Während somit im Falle Wien ein einziger Ordinarius eine derart große Anzahl von Katholiken zu regieren hat, teilen sich im zweiten Fall zwei Bischöfe in diese Aufgabe und im dritten gar fünf Ordinarien. Die Schwierigkeiten, die sich aus einer so großen Anzahl von Katholiken bereits ergeben, werden im Falle Wien noch durch die soziologische Struktur der Erzdiözes verstärkt: von den zwei Millionen Katholiken leben 1,5 Millionen in Wien, also in einer Großstadt, der Rest teils im Viertel unter dem Manhartsberg — einem Bauernland —, teils im Viertel unter dem Wienerwald — einem stark mit Industrie durchsetzten Gebiet.

Eine Teilung der Erzdiözese wegen ihres zu großen Umfanges wäre aus seelsorglichen Gründen durchaus gerechtfertigt. Doch käme eine Zweiteilung nicht in Frage, die die Erzdiözese in ein Erzbistum Wien und ein Bistum Wien-Land zerlegen würde. Diesem letzteren Bistum würde das Zentrum fehlen und es käme in die tragische Situation der Diözese Versailles, die Paris umklammert und ihre Kleruskonferenzen, mangels eines geeigneteren Mittelpunktes in Paris, also in einer fremden Diözese, abhalten muß, Für die heutige Erzdiözese käme deshalb nur eine Dreiteilung in Frage, die ein Erzbistum Wien schaffen würde mit dem Gebiet der Stadt Wien (wodurch die ursprünglichen Grenzen des alten Bistums Wien wieder erreicht wären), ein Bistum Wiener, N e u s t a d t für das Viertel unter dem Wienerwald und ein Bistum H o 11 a b r u n n für das Viertel unter dem Manhartsberg. Eine solche Dreiteilung wäre seelsorglich ein großer Fortschritt. Denn zwei Millionen Katholiken könnten sicherlich wesentlich leichter durch drei Ordinarien betreut werden als durch einen.

Natürlich ergeben sich gegen 'den Plan einer Dreiteilung der Erzdiözese auch Bedenken!

Ein Einwand, der gegen die Teilung der Erzdiözese erhoben werden könnte, wäre der Hinweis auf die finanziellen Kosten, die die Errichtung der zwei neuen Bistümer nach sich 2iehen müßte. Enorm groß wären diese Kosten allerdings nicht. Sowohl Wiener Neustadt wie Hollabrunn besitzen Kirchen, die ohne weiteres als Kathedralkirchen verwendet werden könnten. Seminare bzw. eigene Studienanstalten müßten die zwei neuen Bistümer nicht errichten und erhalten. Aehnlich wie in Italien, wo der große Papst Pius X. jeweils für mehrere italienische Diözesen die Errichtung von General-seminarien anordnete, könnten die Alumnen dieser beiden neuen Diözesen in einem Generalseminar in Wien leben und an der Universität Theologie studieren. Damit würde die Aufstellung und Erhaltung eigener Studienanstalten, die gewiß viel Geld verschlingen würden, hinfällig. Und was die Schaffung der Dotationen für die zwei neu zu gründenden Kathedralkapitel anlangt, so sei darauf hingewiesen, daß die neu geplanten Diözesen in Deutschland gar keine solchen mehr besitzen werden — eine Regelung, die seit langem in den USA gebräuchlich ist und sich dort bestens bewährt hat, eine Regelung, die auch die zwei neuen Diözesen übernehmen könnten.

Ein anderer Einwand wäre noch vor zwei Jahrzehnten gewichtig gewesen: die Frage des Priesternachwuchses. Die Erzdiözese bezog ihren Nachwuchs zum großen Teil aus ihrem ländlichen Gebiet, eine Abtrennung des Landes von der Stadt hätte Wien von seinen Priesternachwuchsquellen abgeschnitten. Hier ist inzwischen eine große Wandlung eingetreten. Die Stadt Wien hat heute prozentuell mehr Priesternachwuchs als die ländlichen Gebiete der ErzdiözeseSomit ist auch dieser Einwand nicht sehr bedeutend. Ein dritter Einwand dagegen hat vielleicht das größte Gewicht: Nach dem derzeit geltenden Konkordat vom Jahre 1933 bedarf es gemäß Artikel III, 1, bei Neuerrichtung von Diözesen der staatlichen Zustimmung. Und hier hat die Kirche leider schlechte Erfahrungen gemacht, sowohl vor wie nach dem zweiten Weltkrieg. Denn weder gelang die — im Konkordat ausdrücklich vereinbarte — Umwandlung der Apostolischen Ädministratur Innsbruck-Feldkirch in eine Diözese während der Zeit des sogenannten Ständestaates noch in unseren Tagen die Umwandlung der Apostolischen Administration Burgenland in ein Bistum.

Ernstliche Schwierigkeiten gegen eine Dreiteilung der Erzdiözese könnten sich somit eigentlich nur von staatlicher Seite ergeben (ein Grund mehr, in kommenden Verhandlungen, die sich mit der Abänderung einzelner Teile des Konkordates beschäftigen werden, von katholischer Seite die Streichung des Artikels III, 1, zu verlangen — ebenso wie die Streichung des Passus über das staatliche „Placet“ bei Ernennung von Bischöfen, damit die Kirche auch auf diesen Gebieten die ihr gemäße Freiheit erlange).

In Anbetracht der erwähnten Schwierigkeiten sei hier auf zwei Wege verwiesen, die zu einer Unterteilung der Erzdiözese in der Weise führen würde, daß zwar keine neuen Diözesen entstünden, wohl aber eine sehr starke Entlastung des Ordinarius eintreten würde.

Der erste Weg, der beschritten werden könnte, bestünde in der Ernennung von drei Generalvikaren, die womöglich auf Ersuchen des Wiener Ordinarius von Rom den Rang von Weihbischöfen erhalten sollten Nach dem kirchlichen Gesetzbuch steht dem Ordinarius ohne weiteres die Ernennung von mehreren Generalvikaren zu, wenn die Größe der Diözese oder sonstige wichtige Gründe dies für rätlich erscheinen lassen. So besitzt die Erzdiözese Trient seit einigen Jahren zwei Generalvikare, einen für die deutschen und einen für die italienischen Katholiken. Oesterreich besitzt seit 1819 ein klassisches Beispiel für eine derartige Regelung im Generalvikariat Feldkirch, dessen Generalvikar immer den Rang eines Weihbischofs innehat. Jeder dieser drei Generalvikare könnte für eines der drei Erzdekanate zuständig sein, in welche die Erzdiözese Wien eingeteilt ist (Wien, Viertel unter dem Wienerwald, Viertel unter dem Manhartsberg).

Der zweite Weg, der beschritten werden könnte, wäre auch eine Fortsetzung der vorhandenen Einteilung der Wiener Erzdiözese in drei Erzdekanate. Diese drei Erzdechanten könnten — auf Ersuchen des Wiener Ordinarius — von Rom in den Rang von Weihbischöfen erhoben werden und außerdem vom Ordinarius mit besonderen jurisdiktionellen Rechten delegiert werden, lieber diesen stünde der Generalvikar, der ebenfalls den Rang eines Weihbischofs erhalten sollte, lieber allen dann der Ordinarius.

In beiden aufgezeigten Plänen würde eine starke Entlastung des Wiener Ordinarius eintreten, sowohl auf dem Gebiet der Weihegewalt wie auf dem Gebiet der Jurisdiktion. Der Unterschied zwischen beiden Plänen besteht darin, daß einmal die Verwaltung zentralisiert bleibt, einmal dezentralisiert wird. In beiden Fällen hätte Wien mehrere Weihbischöfe, nämlich drei oder vier, was nicht zuviel ist, wenn man bedenkt, daß Diözesen wie Köln, Paris, New York ebenfalls vier bis fünf Weihbischöfe besitzen (New York unter anderem den berühmten Fulton Sheen).

Welchem Plan der Vorzug zu geben wäre — dies darzulegen ist nicht Aufgabe dieser Zeilen. Sie sollten ja nur auf die Dringlichkeit einer Neuordnung auf dem Gebiet der Erzdiözese Wien hinweisen. Einer Neuordnung, die es ermöglichen sollte, daß die vielen seelsorglichen Aufgaben dieses Gebietes ebenso wie seine kirchenpolitischen leichter und besser in Angriff genommen werden könnten, um so ein Maximum an Erfolg für die Kirche und ihre Angehörigen zu erzielen.

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