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Die Macht der Nuntien

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Im Jahre 1769 erschien eine Schmähschrift als deren Verfasser ein gewisser Le Bret gilt. In diesem Pamphlet zog der Verfasser gegen ein kirchenrechtliches Gespenst zu Felde, das damals in völliger Verkennung der tatsächlichen Lage die aufgeklärten Gemüter in Kirche und Staat bewegte — die sogenannte Abendmahlsbulle. Es handelt sich hier um eine Liste von Kirchenstrafen, deren Bedeutung weitest überschätzt wurde. Der Josefinismus hielt sie für so gefährlich, daß er die Entfernung oder das Überkleben des Textes in den einschlägigen liturgischen Büchern anordnete. Der Staat war offensichtlich durch jahrhundertelang bestehende und größtenteils schon längst außer Gebrauch gekommene Kirchenstrafen in seinen Grundfesten schwerst erschüttert. Daran erinnerte ich mich, als ich vor kurzem in einer Salzburger Tageszeitung einen Leitartikel las unter dem Titel „Die Macht der Nuntien“. Als Verfasser zeichnet Chefredakteur Dr. Ritschel. Auch hier wird gegen ein Gespenst zu Felde geritten.

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Im Jahre 1769 erschien eine Schmähschrift als deren Verfasser ein gewisser Le Bret gilt. In diesem Pamphlet zog der Verfasser gegen ein kirchenrechtliches Gespenst zu Felde, das damals in völliger Verkennung der tatsächlichen Lage die aufgeklärten Gemüter in Kirche und Staat bewegte — die sogenannte Abendmahlsbulle. Es handelt sich hier um eine Liste von Kirchenstrafen, deren Bedeutung weitest überschätzt wurde. Der Josefinismus hielt sie für so gefährlich, daß er die Entfernung oder das Überkleben des Textes in den einschlägigen liturgischen Büchern anordnete. Der Staat war offensichtlich durch jahrhundertelang bestehende und größtenteils schon längst außer Gebrauch gekommene Kirchenstrafen in seinen Grundfesten schwerst erschüttert. Daran erinnerte ich mich, als ich vor kurzem in einer Salzburger Tageszeitung einen Leitartikel las unter dem Titel „Die Macht der Nuntien“. Als Verfasser zeichnet Chefredakteur Dr. Ritschel. Auch hier wird gegen ein Gespenst zu Felde geritten.

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Es geht hier um nicht mehr und nicht weniger als um die Behauptung, daß durch das neue Apostolische Schreiben „Sollicitudo omnium, eCclesia- rum“ vom 24. Juni 1969, Papst Paul VI. die päpstlichen Gesandten mit Machtvollkommenheit ausgestattet habe, die nicht nur ein neuerlicher Beweis sei, wie sehr der Papst eine .jmontinianlische“ Lösung der Machtposition des Primates durchzusetzen wußte, sondern auch bei dieser Gelegenheit diametral den angeblichen Wünschen des II. Vatikanischen Konzils nach einer möglichst einschränkenden Neuordnung des päpstlichen Gesandschafts- wesens widersprochen habe. Dazu werden in vager Form Textteile des Apostolischen Schreibens zitiert, Hinweise auf Korrespondenzen, desorientierende Zeitschriften und professorale Erklärungen gebracht, die dieses einseitige Bild offenbar unteÄgugrm- sollten. Die. seriöse Untersuchung von Ivo Führer in der „Schweizerischen Kirchenzeitung“ kommt dabei nicht zum Tragen. Dafür wird, für Eingeweihte in völlig unverständlicher Weise, Kardinal König und Alterzbischof Rohracher zum Vorspann gemacht. Zum Schluß werden absolut unbegreifliche und auch unbewiesene Seitenhiebe auf den nicht namentlich genannten Wiener Nuntius Erzbischof Opilio Rossi geführt, dem mehr oder weniger in die Schuhe geschoben wird, einen bestimmten Einfluß auf das Salzburger Domkapitel für die Auslese unannehmbarer Bischofskandidaten zu nehmen. Dabei wird nicht verabsäumt, suggestiv zu erwähnen, daß das Salzburger Domkapitel einem nicht näher genannten Beispiel folgen und die Wahl des Erzbischofs überhaupt ablehnen sollte, um die ganze Last der Verantwortung für die Bestellung des neuen Erzbischofs dem Apostolischen Stuhl zu überlassen. Das damit dem „Machtstreben“ des Nuntius und des Papstes eine neue Plattform gegeben würde, wird in diesem Zusammenhang selbstverständlich übergangen. Schließlich wird dem Nuntius unterschoben, auch daran beteiligt zu sein, daß der Tiroler Anteil des Erzbistums Salzburg dem Innsbrucker Bischof zufallen sollte und sehr konkret angedeutet, er hätte vom damals noch aktiven Erzbischof Rohracher eine schriftliche Erklärung verlangt, daß mit seinem Rücktritt als Ordinarius von Salzburg, der Tiroler Anteil des Erzbistums an die Diözese Innsbruck abgetrennt wird. Daß eine solche Erklärung an sich schon ein rechtlich irrelevanter Unsinn wäre, sei nur nebenbei erwähnt.

Zunächst sei einmal festgestellt, daß das kirchliche Gesandtschaftsrecht zu den allerältesten Einrichtungen der Kirche überhaupt zählt. Grundsätzlich gilt, daß für kirchliche Angelegenheiten in erster Linie Kleriker bestimmt werden. Für kirchenpolitische Sonderaufgaben können auch Laien bestellt werden, ein Recht, das der Papst ausdrücklich in dem obgenannten apostolischen Schreiben neuerlich bestätigt. Seit des- Konsularkonvention von 1963, der der Apostolische Stuhl beigetreten ist, kann der Papst auch Konsuls bestellen. Ich selbst hatte schon lange vor dem II. Vatikanischen Konzil unter Johannes XXIII. die Auszeichnung, Vertreter des Apostolischen, Stuhles bei einer internatio? nalen Konferenz zu sein.

Die Behauptung, daß das II. Vatikanische Konzil für eine Einschränkung des päpstlichen Gesandte schaftsrechtes . eingetreten. sei, ist nicht richtig. Gewiß hat es vereinzelt Stimmen gegeben, die sogar für die Abschaffung eintraten, aber Einzelgänger hat es in nahezu sämtlichen Konzilsfragen gegeben. Im II. Konzilsband des „Lexikon für Theologie und Kirche“ wird ausdrücklich darauf hingewiesen (Seite 145), daß bei der Abstimmung über das dritte Kapitel des Dekretes, über die Hirtenaufgaben der Bischöfe -in der Kirche, vpn . den 2070 Anwesenden nur neun Konzils- väter dafür stimmten, daß Apostolische Legaten und Nuntien von Bischofskonferenzen ausgeschlossen sein sollten und 151 Väter forderten, daß sie nur auf Grund einer Einladung durch die Bischofskonferenz teilnehmen dürften. Diese blieben jedoch gegen 182 Ja-Stimmen in der Minderheit. Nicht umsonst wird her- vcmgehoben, daß gerade dieses Kapitel ohne Schwierigkeiten bei der Abstimmung angenommen wurde, was auch als ein persönlicher Erfolg des Erzbischofs Dr. Schäufele gewertet wurde, der der Berichterstatter war. Dieses Kapitel enthält ohnehin die Bestimmung, daß die päpstlichen Gesandten nicht von Amts wegen Mitglieder der Bischofskonferenz sind. Man sieht also, daß das Konzil in gewisser Hinsicht auf die kleine Minderheit Rücksicht nahm.

Die päpstlichen Gesandten

Um das Problem der päpstlichen Gesandten zu verstehen, ist kurz folgendes hervorzuheben: Heute gibt es — abgesehen von den päpstlichen Legaten (Sonderbotschafter) — päpstliche Gesandte mit diplomatischem Status, die entweder Nuntien, Pronuntien oder Intemun- tien sind. Hier ist anzufügen, daß durch das Apostolische Schreiben „Sollicitudo omnium ecclesiarum“ der Rang des Pronuntius in neuer Form wieder auflebte. Dem Nuntius kommt nämlich im Sinne der Wiener Diplomatischen Konvention 1961 nach wie vor das Recht zu, als Doyen das diplomatische Korps zu repräsentieren. Es ist das Verdienst des bekannten Völkerrechtlers Alfred Verdroß-Droßberg, daß dieses Vorrecht der Nuntien erhalten blieb. Genießen sie dieses Vorrecht nicht, wünschen die Staaten dennoch einen Austausch im Botschafterrang, so ernennt in einem solchen Fall der Papst Pronuntien. Früher war nämlich der Titel Pronuntius solchen Nuntien Vorbehalten, die in den Kar- dinalsrang erhoben wurden. Die Delegaten hingegen haben in der Regel keinen diplomatischen Status und vertreten daher den Apostolischen Stuhl in erster Linie gegenüber der Kirche.

Erfüllung und nicht Torpedierung

Es ist vollkommen aus der Luft gegriffen zu behaupten, daß der Papst mit einer undeutlichen Umschreibung der Rechte und Pflichten der Nuntien über die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils hinausgegangen sei. Im Gegenteil! Das apostolische Schreiben beruft sich genau auf die einschlägigen Bestimmungen der Dekrete. Daß der päpstliche Gesandte ein Vertrauensmann des Papstes bei der Landeskirche ist und daß daher ihm überlassen bleibt, wem er Vertrauen schenkt, das ist so selbstverständlich, daß man sich nur wundern kann, daß dies kritisiert wird. Kein verantwortlicher Chefredakteur würde im Ausland einen Korrespondenten bestellen, der nicht sein Vertrauen genießt. Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß die Wiener Diplomaten Konvention 1961 gewisse allgemeine Rechte und Pflichten der Diplomaten schafft, die eben auch auf die Nuntien angewandt werden müssen.

Es ist richtig, daß die Nuntien nicht: Mitglieder der Bischofskönfe- renzen sind. Als Berichterstatter an den Apostolischen Stuhl haben sie jedoch das Recht an der Eröffnungssitzung teflzunehmen und sie sind es auch, die die Protokolle weiterleiten. An den weiteren Sitzungen nehmen sie . nur teil, wenn šie ėingėladen werden.

Durch den Iniormativprozei.1 bei der Auswahl der Bischofskandidaten sind sie genauso wie die Bischöfe des Landes verpflichtet, ihre Meinung zu äußern. Es ist eine völlig irrige Auffassung zu glauben, daß das Votum des Nuntius entscheidet. Wenn map nur etwas hinter den (Gott sei Dank) noch immer sehr dichten Vorhang des Staatssekretariates blicken, kann, wird man wissen, daß es oft genug vorkommt, daß die Meinung des Delegaten oder Nuntius bei der Bi- šėhofsęrnennung viel weniger zählt, als mancher andere Einfluß.

Der Nuntius in Österreich

Es ist auch noch darauf hinzuweisen; daß die Rechtsstellung des Nuntius in Österreich durch das Konkordat von 1933 geregelt ist und daher auch seine Mitwirkung im Informativprozeß. Es heißt entweder die Person des gegenwärtigen Nuntius überhaupt nicht kennen oder bedenkenlos ihm Motive eines persönlichen Machtstrebens zuzuschreiben, die überhaupt nicht zutreffend sind. Gerade wenn man von Salzburg aus schreibt, tut man weder der Frage der Kandidatur für den Erzbischof — auch die Bundesregierung hat hier im Sinne des Konkordates mitzureden — noch in der Frage der Salzburger Diözesangrenzen der Erzdiözese und dem Lande Salzburg etwas Gutes, wenn man den Nuntius verdächtigt. Wenn man solches schreibt, dann sollte man auch die Beweise klar auf den Tisch legen. Es war daher nur zu begreiflich, daß Nuntius Dr. Rossi in der eindeutigsten Weise die Angriffe des Verfassers zurückwies und klarstellte, daß er weder von dem damaligen Erzbischof Rohracher die obgenannte Verzichtserklärung gefordert hat, noch Landeshauptmann Wallnöfer Zusagen, wegen des Tiroler Anteils gemacht habe. Das Gleiche gilt übrigens auch von der Mitwirkung im Informativprozeß für die Salzburger Bischofskandidatur. Wer Erzbischof Dr. Rossi kennt, wird gerade seine absolute Loyalität und Objektivität schätzen.

Auch ich bin. ein Anhänger einer konstruktiven Kritik. Sie muß maßvoll und gerecht sein. Sehr gerne greife ich daher den Gedanken Kardinal Königs auf, daß die Bischöfe selbst es sein müssen, die die Kollegialität zu pflegen haben. Was wäre es, wenn die österreichische Bi- schofskonferenz beispielsweise ein Grundkonzept über die generelle Gestaltung und Neueinteilung der Diözesen entwerfen würde? Vergessen wir nicht, daß die Erzdiözese Wien zu den größten der Welt gehört. Ich persönlich bezweifle ernstlich, daß man mit einem Erzbischof,

einem Generalvikar, einem Koordinator und vier bischöflichen Vikaren, also mit einem siebenköpfigen Ordinarius das Auslangen finden wird. Wenn die Bevölkerung weiterhin so wächst, werden zumindest in Oberösterreich und in der Steiermark zusätzlich zu Wien und Niederösterreich die Diözesen unübersichtlich werden. Ich habe mich immer als ein Anhänger der Salzburger Erzdiözese erwiesen. Die letzten Angriffe auf den Wiener Nuntius sind geeignet, den Anhängern der Tiroler Lösung gewaltigen Auftrieb zu verleihen, und das könnte doch nicht das Ziel sein.

Mag sein, daß die Behauptung des Verfassers richtig ist, daß hinter diesen Angriffen ein bestimmter Personenkreis steht. Darum geht es mir nicht. Mir geht es darum, daß man nicht die Situation in der katholischen Kirche in Österreich durch gezielte Angriffe noch schwerer gestalten soll, als dies schon der Fall ist. Wir brauchen keine Gespenster, wir brauchen Loyalität und Treue, wir brauchen keine geheuchelte Unterwürfigkeit, aber dafür um so mehr Ehrlichkeit, Wahrheit und echte Nächstenliebe.

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