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Fast ein Konklave

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Die Villa Tuseolana in Frascati ist ein Landschloß des 17. Jahrhunderts, das dem Jjalesianerorden heute als Tagungsstätte dient. Hier fand vor kurzem erstmals eine vatikanische Diplomatenkonferenz statt, an der 33 Apostolische Nuntien und Delegaten, etwas mehr als ein Drittel aller Missionschefs, teilnahmen. Uber diese Tagung, die nicht nur in diplomatischen Kreisen großes Interesse erregte, ist nur sehr wenig an die Öffentlichkeit gedrungen. Die Abschirmungsmaßnahmen waren fast so streng wie bei einem Konklave. Lediglich von der Ansprache, die Papst Paul VI. an seine diplomatischen Repräsentanten richtete, wurden einige Sätze bekannt. Er bezeichnete sie als Vertreter seiner Person, „insoweit sie mit der Mission des Nachfolgers Petri ausgestattet ist“, wies aber auch darauf hin, daß sie ebenfalls im Dienst der Episko-'pate ihres Wirkungsbereichs stünden. Vor allem aber unterstrich der Papst die „Notwendigkeit“ der Nuntien und des diplomatischen Dienstes des Heiligen Stuhls.

Gegen die Einrichtung der Nuntiaturen polemisieren seit dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils Kreise des sogenannten fortschrittlichen Katholizismus. Besonders die „Rebellen“ der unruhigen holländischen Kirchenprovinz sehen in der Gestalt des Nuntius einen römischen Kontrolleur, dessen Interventionen als unbequem empfunden werden. Lautstark fordern daher extreme Neuerer die Abschaffung der Nuntiaturen.

Diplomatischer Dienst von Format

Trotz solch kritischer Stimmen hat aber der Vatikan während der letzten zwölf Jahre seine Außenvertretungen von 56 auf 104 erhöht, also nahezu verdoppelt. Die Zahl der in den Nuntiaturen tätigen Diplomaten ist mit 175 Beamten aller Grade, verglichen mit dem ungeheuren Apparat weltlicher Außenministerien,

ierordentlich gering. Allerdings t es Nuntien, die gleichzeitig hrere Posten wahrnehmen. Mon-fiore Iginio Cardinale in Brüssel

beispielsweise beim König der gier, beim Großherzog von xemburg und bei der Europäi-en Gemeinschaft als Repräsen-t des Papstes akkreditiert. )ie Stellung des Nuntius und des ostolischen Delegaten — letzterer

nur bei den Episkopaten, nicht

jedoch bei den Regierungen akkreditiert — hat sich mit der Kurienreform gewandelt. Auch ist seit dem Konzil die Bedeutung der nationalen und regionalen Bischofskonferenz gewachsen. In der Bischofssynode ist dem Weltepiskopat ein völlig neues ,,Organ. gegeben worden, um sich in Rom Gehör zu verschaffen. Ihr ständiges Sekretariat soll, wenn

man gewissen Indiskretionen trauen darf, sogar nach dem Willen des Papstes zu einer Art Parlament mit vorläufig beschränkter beratender Funktion ausgebaut werden.

Um die Kontakte mit nichtkatholischen Mächten und Bewegungen enger zu gestalten, ist der Vatikan bestrebt, in so vielen internationalen Organisationen wie möglich präsent zu sein. Hier, wie auch in Staaten mit winzigen katholischen Minder-

heiten, verschafft die Figur des Apostolischen Nuntius dem Heiligen Stuhl ein Prestige, welches das eines örtlichen Bischofs übersteigt. Der Umwandlungsprozeß im Auswärtigen Dienst des Vatikans geht offenbar nicht ohne zeitweilige Schwierigkeiten vonstatten, wie man der Tatsache entnehmen darf, daß der Wunsch zur Diplomatenkonfe-

renz von Frascati aus den Kreisen der Nuntien geäußert wurde.

Es ist ferner bemerkenswert, daß diese Tagung wenige Wochen nach einem Diplomatenschub im Nuntia-turdienst stattfand. Erstmals ist den Nuntiaturen eine Art Inspekteur übergeordnet worden, und zwar in der Person des früheren Apostolischen Delegaten in Großbritannien, Domenico Enrici; auffallend ist ferner, daß Monsignore Cheli, einer der bedeutendsten Experten der vatikanischen Ostpolitik und bisher dritthöchster Beamter der außenpolitischen Abteilung des Staatssekretariates, zum Beobachter bei der UNO ernannt worden ist. Dies bedeutet, daß der Papst der Weltorganisation verstärkte Aufmerksamkeit schenkt. Man darf annehmen, daß Monsignore Cheli vor allem die Beziehun-

gen zur dritten Welt pflegen und ganz besonders aber sich um Kontakt zur rotchinesischen UNO-Delegation bemühen soll. Monsignore Cheli wird den Vatikan auch bei dem erneuten Zusammentritt der europäischen Sicherheitskonferenz in Genf vertreten. Es ist dies übrigens der erste internationale Kongreß, an dem der Vatikan als

vollberechtigtes Mitglied teilnimmt. Das Interesse des Heiligen Stuhls ist vor allem darauf gerichtet, im Rahmen der west-östlichen Diskussion über den freien Informationsaustausch auch Erleichterungen für die osteuropäischen Katholiken zu erreichen.

Man nimmt an, daß die Verbindung zu den kommunistischen Staaten Osteuropas vor allem von dem neuernannten „Super-Nuntius“ Monsignore Poggi wahrgenommen werden soll. Dieser ist in den letzten Jahren Nuntius in Peru gewesen, wo eine linksgerichtete Militärdiktatur ganz besondere diplomatische Fähigkeiten von dem Repräsentanten des Papstes verlangte. Monsignore Poggi war aber bereits zu Lebzeiten von Pius XII. als Osteuropa- und Deutschlandexperte im vatikanischen Staatssekretariat tätig. Es ist kein Geheimnis, daß Papst Paul VI. gewisse vertragliche Abmachungen mit den osteuropäischen Staaten anstrebt, um den unter den kommunistischen Diktaturen lebenden Katholiken ein „Mindestmaß an Seelsorge“ zu sichern. Wenn man von dem Sonderfall Jugoslawien absieht, so sind allen Bemühungen der päpstlichen Diplomaten, tragbare Kompromisse mit den dortigen Regimen zu erreichen, bisher ständig schwere Rückschläge gefolgt, wie vor allem etwa die Beispiele Ungarn und Tschechoslowakei zeigen, wo der Heilige Stuhl bei der Ernennung der Bischöfe sich weitgehend nach den Wünschen der Regierungen gerichtet hat.

Der Vatikan folgt hiebei jedoch einer altbewährten Regel der internationalen Diplomatie, nach der die diplomatischen Beziehungen zu einer Macht um so besser sein müssen, je schlechter die sonstigen Beziehungen sind. Die „Interventionsund Mittlerpolitik“ des Heiligen Stuhls weist durchaus progressive Charakteristiken auf, doch unterscheidet sie sich etwa vom Weltkirchenrat, der in den radikalen Sog der jungen Kirchen der dritten Welt geraten ist, durch einen gewissen römischen Realismus, der in einer großen Tradition wurzelt. Gleichzeitig mit der Intensivierung der päpstlichen Diplomatie ist in Rom übrigens eine verstärkte Rückbesinnung auf eben diese Tradition zu spüren.

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