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Der „reiche“ Vatikan

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Wir haben in der „Furche“ Nummer 18 1966 einen Artikel, „Die Finanzen des Vatikan“, veröffentlicht, der sich mit dem Problem des „Reichtums“ der Kirche grundsätzlich auseinandersetzt; im folgenden wird diese Darstellung durch die auszugsweise Wiedergabe eines im „Österreichischen Klerusblatt“ Nummer 3 1966 unter dem Titel „Der fabelhafte Reichtum des Vatikans" erschienenen Artikels ergänzt.

Beim Überblicken verschiedener

Pressemeldungen sieht man sofort, daß manchen Journalisten vor allem die richtige Idee von der funktionellen Natur und der unterschiedlichen Bedeutung der Kirche, des Heiligen Stuhls und des Vatikans abgeht. Es geht dabei doch um Begriffe, die unbedingt auseinander gehalten werden müssen:

• Die Kirche ist in der geläufigen Bedeutung des Wortes die Vereinigung aller Katholiken und umfaßt daher die Bischöfe, die Weltgeistlichen, die Ordensleute, die Gläubigen, alle nach den verschiedenen kirchlichen Territorien (Diözesen, Pfarreien usw.) und nach den verschiedenen religiösen Organisationen (Orden, Kongregationen, Vereine, Bruderschaften usw.) geteilt.

Die Liegenschaften und Vermögen, die den Diözesen, den religiösen Orden, den Pfarreien, den sozialkaritativen Instituten gehören, sind normalerweise außerhalb jeglicher Zuständigkeit des Heiligen Stuhls und unterliegen überdies den jeweiligen staatlichen Gesetzen der ver-

schiedenen Länder, in denen sie sich befinden.

• Der Heilige Stuhl stellt mit dem Papst an der Spitze die zentrale Organisation dar, die vor allem in doktrinärer und disziplinärer Hinsicht die gesamte Tätigkeit der großen Gemeinschaft der Kirche zu fördern und zu lenken hat. Der Heilige Stuhl besteht aus dem jeweils durch den Tod und das darauffolgende Konklave wechselnden Papst und jenen zentralen Stellen, die dem Papst'bei der'Regierung der universellen Kirche helfen und dienen.

• Oft wird mit dem Wort Vatikan der Heilige Stuhl bezeichnet, was ungenau ist. Der Vatikan ist genaugenommen der Ort, wo sich der Gebäudekomplex erhebt, in welchem der Papst und die zentralen Stellen der Kirche residieren. Seit 1929 wird praktisch mit dem Namen Vatikan — ganz genau „Cittä del Vaticano“ — der Kleinstaat bezeichnet, der durch den Lateranvertrag gebildet wurde, um dem Heiligen Stuhl die für die Regierung der Weltkirche notwendige, absolute und sichtbar in Erscheinung tretende Unabhängig

keit zu sichern und ihm eine undiskutierbare Souveränität auf internationaler Ebene zu garantieren.

Der Heilige Stuhl braucht zur Ausübung seiner Tätigkeit selbstverständlich, wie jede öffentliche oder private Institution, aber entsprechend der universellen Mission der Kirche, materielle Mittel, die ihm durch Kauf, Schenkung, Erbschaft und so weiter zukommen können. Diese Güter sind der einen oder anderen Verwaltung des Heiligen

stuhls, je nach dem Zweck, für den sie bestimmt sind, anvertraut.

Diese Verwaltung könnte man als Erbin und Nachfolgerin der Verwaltung des ehemaligen Kirchenstaates bezeichnen. Sie wurde ja geschaffen, um den Rest des Eigentums des Heiligen Stuhls nach dem Untergang des Kirchenstaates zu verwalten. Sie hat hauptsächlich wirtschaftliche Aufgaben, das heißt, sie muß für die Instandhaltung und für das Funktionieren der Struktur des Kleinstaates und für die apostolischen Erfordernisse des Heiligen Stuhls (Zahlung der Gehälter und Pensionen des Personals der verschiedenen Ämter, Beiträge an kulturelle Einrichtungen, an Seminarien und so weiter oder Spenden für sozial-karitative Zwecke, wie auch für die Instandhaltung der Liegenschaften des Heiligen Stuhls) sorgen.

Die Sonderverwaltung des Heiligen Stuhls wurde von Papst Pius XI. 1929 mit der besonderen Aufgabe gegründet, die von der italienischen Regierung an den Heiligen Stuhl zu leistende, im Lateranvertrag festgesetzte Entschädigung zu verwalten.

Das von dieser Sonderadministration verwaltete Vermögen wurde — wie bekannt — im Jahre 1929 aus der Summe von 750,000.000 Lit. in bar und 1.000,000.000 Lit. in staatlichen Wertpapieren, die am 9. Juni 1929 an der italienischen Börse zu 78,5 Prozent notiert waren, gebildet. Man kann daher sagen, daß das ursprüngliche Vermögen des Heiligen Stuhls insgesamt 1.535,000.000 Lit. betrug.

Die Sonderverwaltung hat die

Aufgabe, dieses Vermögen zu verwalten und den Nutzen desselben dem Papst für die Obliegenheiten und die Unterhaltung der Zentralorgane des Heiligen Stuhls zur Verfügung zu stellen.

Die Kongregation der Glaubensverbreitung hat bekanntlich die Aufgabe, die Missionstätigkeit der Kirche zu organisieren, zu leiten und zu subventionieren. Sie hat ein eigenes Vermögen von nicht sehr großem und’ keinesfalls dem Bedarf entsprechendem Ausmaß, das im Interesse der Mission gewissenhaft verwaltet wird. Es wurde interessanterweise auch von den umstürzlerischen Gesetzen in der Geschichte Italiens im letzten Jahrhundert immer respektiert. Zu diesem Vermögen kommen die Beiträge der verschiedenen päpstlichen Missionswerke (der Glaubensverbrėitung, der Heiligen Kindheit, des Apostel-Petrus-Wer- kes für den eingeborenen Klerus und so weiter), die gerade dazu entstanden sind, um das Werk der Verkündigung des Evangeliums in aller Welt zu fördern und die Mittel zu sammeln, um den Missionaren und

den immer mehr zunehmenden Bedürfnissen der verschiedenen Missionswerke besser helfen zu können.

Der Peterspfennig ist eine Institution, von der man sagen kann, daß sie eigentlich in die ersten Zeiten der Kirche zurückgeht, als die ersten Christen Sammlungen veranstalteten, um den Aposteln für die notleidenden christlichen Gemeinden brüderlich helfen zu können. Die indessen amtlich gewordene Einrichtung des Peterspfennigs geht auf das 19. Jahrhundert zurück, als die Katholiken dem bedrängten Papst Pius IX. zu Hilfe kamen, der seiner zeitlichen Herrschaft und der dazu

gehörigen wirtschaftlichen Ein- nahmsquellen beraubt worden war, die für die Instandhaltung der Zentralstellen des Heiligen Stuhls und für seine karitative Hilfstätigkeit dienten.

Die Beiträge, die im jährlichen Peterspfennig als freiwillige Beiträge aus der ganzen Welt beim Stellvertreter Christi eingehen, sind sehr verschieden, sie werden gewiß großmütig gegeben, sind aber nicht übermäßig groß und werden zum Teil für . die notwendige Verwaltung der Institutionen des Heiligen. Stuhls, größtenteils aber für die immer wieder beanspruchte päpstliche Caritas und ihre Hilfswerke und für die persönliche Wohltätigkeit des Papstes verwendet.

Das Institut für die Religionswerke wurde 1942 von Pius XII. hauptsächlich dazu ins Leben gerufen, um die für die religiösen Werke und die Caritas bestimmten Fonds zu verwalten und zu schützen. Es sind Kapitalien und Liegenschaften, die den Diözesen, den religiösen Orden oder kirchlichen Stiftungen usw. gehören. Diese Kirchengüter werden von der genannten Institution nur verwaltet, sie beziehungsweise der Heilige Stuhl kann darüber nicht verfügen.

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