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Weg zur Erneuerung noch nicht betreten

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Sie sei eine „wichtige Etappe auf der Straße der Kollegialität“ betonte der Papst in seinen Schlußbemerkungen vor der Versammlung, die zum erstenmal seit vier Jahrhunderten nicht als Wahlgremium, sondern als Beratungsorgan zusammentrat. Das Kardinalskollegium wollte letzte Woche in nur fünf Tagen versuchen, sich selbst und dem Papst Rechenschaft abzulegen über den Zustand von Kirche und Kurie im ideellen und materiellen Sinne.

Ausdrücklich entschuldigte sich Johannes Paul II. bei den Kardinalen für das Mißverhältnis zwischen der gestellten Aufgabe und der zur Verfügung stehenden Zeit, was ihn nicht hinderte, während diesen knapp bemessenen Tagen eine mehrstündige Massenaudienz auf dem Petersplatz zu geben und einen Eisenbahnausflug zum römischen Verschiebebahnhof zu unternehmen, um dort für die Eisenbahner eine Messe zu lesen.

Deutlicher hätte der Papst nicht demonstrieren können, daß für ihn das unmittelbare pastorale Engagement absoluten Vorrang besitzt vor den Regierungsaufgaben der Weltkirche, ja vor der theologischen Problematik der Gegenwart. Er wollte sich nach dem ersten Jahr seines Pontifikats mit seinen Wählern beraten, er war ihr aufmerksamer Zuhörer und versprach am Ende, man werde sich „die Anregungen, Ratschläge und Vorschläge vergegenwärtigen“. Doch schloß er sich nicht einmal der sehr allgemein gehaltenen Feststellung des Schlußdokuments der Kardinale an, die von „wünschenswerten Verbesserungen in der Ordnung und Funktion der Kurienorgane“ sprachen.

Die katholische Kirche ist keine parlamentarische Demokratie, sondern monarchisch verfaßt. Bei aller Kollegialität muß der Papst letztlich allein entscheiden. So hatte er auch gleich zu Beginn der Versammlung das Fazit" der innerkirchlichen Lage vorweggenommen: Der „gerade Weg“ der inneren Erneuerung, den das Konzil einschlug, ist noch gar nicht wirklich betreten worden. Er wird durch „entgegengesetzte Vorschläge“ eines rückwärts oder vorwärts gerichteten Eifers verstellt, es hapert mit der innerkirchlichen Freiheit, die oft mit Beliebigkeit, mit Entlassung aus Pflicht und Normen verwechselt wird.

Der Papst sieht zwar Zeichen neuer religiöser Dynamik und Erweckung, doch hinter dem Jubel der Millionen,

der ihn zumal auf seinen Reisen umgibt, sieht er, daß bei den Katholiken die Solidarität nachgelassen hat - nicht nur die mit allen Menschen „gleich welcher Konfession und Überzeugung“, auch die materielle Hilfsbereitschaft der „reichen und freien Kirche“ für die „arme und unterdrückte Kirche“.

In diesem Punkt wirkt sich der Mangel auch ganz unmittelbar bei der Zentralregierung der Kirche aus. Den Kardinalen ist deshalb zum erstenmal das Wirtschaftsbudget des Heiligen Stuhls vorgelegt worden,

und sie selbst haben „die Möglichkeit diskutiert, zu gegebener Zeit positiv zu erwägen, in dieser Materie eine öffentliche Information zu geben“.

Das ist äußerst vorsichtig formuliert - auch gemessen an der Schlußansprache des Papstes, die in diesem Punkt deutlicher war: „Jenes verbreitete Märchen über die Finanzen des Heiligen Stuhls hat nicht geringen Schaden angerichtet. Wie in alten Zeiten entstehen auch in unseren Tagen Mythen. Das einzige Mittel ist da, die Sache selbst objektiv zu betrachten.“

So kamen die Kardinale zu der Feststellung, daß die Einnahmen des Heiligen Stuhls aus seinem beweglichen und unbeweglichen Vermögen sowie aus allen sonstigen Quellen (wie Briefmarken, Münzen, Eintrittskarten) „absolut unzureichend sind“, um die Ausgaben zu decken. Das jährlich wachsende Defizit, das 1979 17 Milliarden Lire (270 Millionen Schilling) betrage, habe bisher überhaupt nur gedeckt werden können durch Zuwendungen von „der katholischen Welt, besonders durch den Peterspfennig“.

Zum erstenmal wurde also eine präzise Zahl genannt - wenn auch noch immer nicht die der tatsächlichen Einnahmen oder des Vermögenswertes. Unter den Kardinalen ist, wie man hört, in diesem Punkt Kritik laut geworden, doch der Papst fand es notwendig, nur einem einzigen Bedenken entgegenzutreten. Die Erhaltung der Kunstschätze des Vatikans sei „unsere Pflicht vor der Geschichte“, gab er zu bedenken, und argumentierte dann: Insgesamt seien die Finanzmittel des Heiligen Stuhls ohnehin „erzbescheiden“, verglichen mit dem, was die heutige Welt ausgebe- „zum Beispiel für Rüstungen“.

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