Mit dem „Teufel in Person" würde er verhandeln, um Seelen zu retten, bekannte Papst Pius XI. vor sechs Jahrzehnten. Seitdem hatten die „Teufel", mit denen eine Weltkirche wie die römisch-katholische für sich und ihre Gläubigen diplomatische Überlebenskünste praktizierte, vielerlei Gestalt angenommen. Schon mangels „Divisionen", nach denen Stalin spöttisch fragte, war der Vatikan darauf angewiesen, durch Verhandeln auch mit kirchenfeindlichen Regimen „zu retten, was zu retten ist - mit kluger Vorsicht und ohne Illusionen, klar und grundsatztreu, kompromißlos im Wesentlichen,
Keine sensationelle Mordtheorie, sondern eine ebenso seriöse wie unnachsichtige Darstellung des Vatikans liefertdas bisher mit Abstand beste Buch über den Tod des Luciani-Papstes.
Seine Rolle als „teutonischer Buhmann“ (italienische Presse) vergällt dem deutschen Glaubenshüter zunehmend die Freude am Frommsein. Ein Intellektueller kämpft gegen Intellektualismus.
Im Lebensschicksal einzelne Menschen, dienichtitn Rampenlicht der Ereignisse stehen, spiegelt sich das Klima einer Epoche, das kulturelle wie das politische, oft plastischer als in der Darstellung von Ereignissen. So verdient dieses Buch, das einer scheinbar sehr begrenzten Thematik gewidmet ist, über den Kreis kunsthistorischer Experten hinaus Beachtimg.DieAufzeichnungenLudwigPollaks, des gelehrtenKunstliebhabers, Entdeckers und international angesehenen Händlers antiker Kostbarkeiten, der 1868 in Prag geboren und 1943, nach fünfzig Rom-Jahren, als Jude in den Tod verschleppt wurde, sind
Nicht nur Haß, auch Zorn aus unglücklicher Liebe kann den Blick auf die Wirklichkeit trüben. Doch ein wütend geschriebenes Buch, wissenschaftlich verpackt, findet eben so Massen von Lesern — zumal wenn es um das Aller- welts-Thema Sex und gegen eine Kirche geht, mit der die Autorin gleichwohl verbunden sein will.Die Essener Theologie-Professorin Uta Ranke-Heinemann, die sich von der evangelischen zur katholischen Gottesgelehrtheit bekehrt hatte, ist — im wörtlichen Sinne - Protestantin geblieben; ihr puritanisch anmutender Übereifer, mit dem sie gegen römische Marien-Dogmatik zu
Statistisches - 560.000 Kilometer auf 40 Reisen in 77 Länder - sagt sehr wenig über den Mann aus, der vor zehn Jahren zum Nachfolger des Apostels Petrus gewählt wurde.
Entkrampft präsentiert sich zur Zeit das Klima zwischen dem Vatikan und Moskaus roten Zaren. Die Tausendjahrfeier des orthodoxen Christentums machte es möglich. Eine Sternstunde vatikanischer Ostpolitik: Casarolis Rede im Moskauer Bolschoi-Theater.
Als „Gratwanderung zwischen Bewunderung und Kritik“ kennzeichnet der Autor selbst sein Buch über „Geschichte und Gegenwart der Jesuiten“, das den Vorzug einer langen persönlichen Nähe zum katholisch-römischen Milieu mit der Distanz des klugen, sachkundigen Beobachters verbindet.Die oft dramatische Geschichte des Ordens und dessen religiöser Eifer, ebenso im Widerstand gegen eine sich wandelnde Welt wie in der Anpassung an die Zeitläufe, werden vor dem Hintergrund jener Regeln, Satzungen und geistlichen Übungen dargestellt, die der Ordensgründer Ignatius von Loyola gleichsam als
Johannes Paul II. will nach Moskau. Die 1000-Jahr-Feier der russischen Orthodoxie im heurigen Jahr böte Gelegenheit dazu. Doch vorerst gilt es viel Eis aufzutauen.
„Manche Leute betrachten naturwissenschaftlich-technischen Fortschritt als eine Art Magie, einen Zauber“, sagte mit deutlichem Kummer der britische Physikprofessor Sir Nevill Francis Mott, der vor zehn Jahren den Nobelpreis für die Erforschung magnetischer Systeme erhalten hat. Jetzt saß er mit 14 anderen Nobelpreisträgern für Physik, Medizin und Chemie im Palazzo Chorsini in Rom, um über das Verhältnis der Wissenschaften zum „ganzheitlichen Menschen“ zu diskutieren.Unter dem Vorsitz ihres Präsidenten, Kardinal Franz König, hatte die Stiftung „Nova Spes“zum gemeinsamen
Auf seiner zweiten USA-Reise nahm sich Johannes Paul II. einerseits liebend der Farbigen und Aidskranken, anderseits belehrend der amerikanischen Bischöfe an.
Beim Abschied sprach General Jaruzelski bitter von „fremder Manipulation“. Der Papstbesuch in Polen hat das Land sichtlich wieder in Bewegung - gebracht.
Bleibt Religion auch im Licht von „glasnost“ das große Schreckgespenst für kommunistische Ideologen? Diese Frage begleitet die dritte Polenreise des Papstes.
Buchstäblich in letzter Minute änderte Papst Johannes Paul II. seinen Redetext und erinnerte die Argentinier an ihre schmerzvolle Vergangenheit der Decaperidos.
Vermögen und Einkünfte der katholischen Weltkirche, ihrer zweieinhalbtausend Bistümer, ihrer fast zweitausend Ordensgemeinschaften mit ihren Zentren in Rom, sind keineswegs die „des“ Vatikans, des Papstes. Er kann nicht über sie verfügen, sondern allenfalls mit ihrer — finanziell begrenzten — Solidarität rechnen. Nicht einmal als „Bischof von Rom“ kann ein Papst für die Vatikanbedürfnisse auf Mittel seines Bistums zurückgreifen.
Ein Höhepunkt der jüngsten Papstreise war die Begegnung Johannes Pauls II. mit einem Sprecher der Indios, der recht kritisch gegenüber der Kirche auftrat.
Wie und warum, darüber berichtet nun der ehemalige Geheimdienstchef Am-brogio Viviani. Die Regierung ist jedoch bestrebt, den „Fall“ so rasch wie möglich zu beseitigen.
Der Geist, von dem es heißt, daß er weht, wo er will, erstickt er nicht in unserem von materiellen Sorgen, Wünschen und Ängsten zugedeckten Alltag? Und erst recht der Hl. Geist, wie ihn das Christentum versteht? Und da richtet nun der Papst eine Enzyklika, ein Lehrschreiben, an die Welt über eben diesen Hl. Geist, über seine Bedeutung für Kirche und heutige Welt: eine 150 Druckseiten lange theologisch-philosophische Abhandlung.Keine Dogmenverkündigung, auch kein Richtlinienerlaß, Johannes Paul II. bezeichnet viel-mehr seine fünfte Enzyklika selbst eher bescheiden „als
Schockiert von der Armut, beeindruckt von der Kultur des Landes, so kehrte Papst Johannes Paul II. am 10. Februar von seiner Pastoralreise nach Indien zurück, die ihn - mehr als bisherige Reisen - mit fremdartiger Religiosität und nacktem Elend konfrontierte.
Polens dramatische Zeitgeschichte seit Mitte der 70iger Jahre steht im Mittelpunkt von drei neuen Büchern. Ein Politiker, ein Historiker und eine deutsche Autorin analysieren die Entwicklung.
Auch in Afrika begegnete Johannes Paul II. der Kluft zwischen christlicher Theorie und Praxis. Wie beantwortet er die Frage, ob Afrikas Kirche afrikanischer werden soll?
Was politische Eiferer - antikommunistische im Westen und kommunistische im Osten - erhofft oder befürchtet haben, ist nicht geschehen: Der Papst hat die 1100-Jahr-Feier der Slawenapostel Kyrill und Method nicht zu einer Anklage gegen die Staatsatheisten in Osteuropa benutzt, sondern zum Dialogversuch.Obschon ihm selbst eine Reise zu den Feiern nach Jugoslawien und in die Tschechoslowakei verweigert worden war, konnte er doch durch seinen Abgesandten Kardinal-Staatssekretär Agosti-no Casaroli, den Architekten vatikanischer Ostpolitik, in beiden Ländern den Gläubigen wie Regierenden
Mag sein, daß die Italiener dem mustergültigen Moralisten in der Politik oft die „furbi” vorziehen - die Schlauen und Verschlagenen —, „um sich dann über eben diese zu beklagen”. So meinte einst etwas melancholisch Francesco Cossiga. Aber dieser Christdemokrat, der nun, so schnell und einmütig wie nie zuvor in der italienischen Nachkriegsgeschichte, zum Staatsoberhaupt gewählt wurde, entspricht solcher Volksmeinung so wenig wie der Sozialist Sandro Pertini, den er ablöst.Gewiß, hätten nicht tausend Parlamentarier aller Parteien, sondern deren Wähler abstimmen können, dann
Mehr als fast alle seine vorangegangenen Reisen war der Besuch Johannes Pauls II. in den Benelux-ländern von den Symptomen einer innerkirchlichen Krise überschattet.
Am 13. Mai 1981 um 17.17 Uhr fielen Schüsse auf dem Petersplatz in Rom. Momente später brach Papst Johannes Paul II. schwer verletzt zusammen. Vier Jahre später stehen nun die mutmaßlichen Mitverschwörer des Attentäters Mehmet Ali Agca in Rom vor Gericht.
„Wieviele Divisionen hat der Papst?” fragte einst Stalin. Johannes Paul II., der am 18. Mai - während seiner Reise in die Bene-lux-Länder - 65 wird, hat dagegen eher Visionen.
Der Engländer David A. Yallop versucht in seinem Buch „Im Namen Gottes?” nachzuweisen, daß der „33-Tage-Papst” einigen Mächtigen des Vatikans bei ihren Machenschaften im Wege gewesen ist.
Eine Legende ist zerstört worden — die vom sagenhaft reichen Vatikan. Jedenfalls, wenn man Reichtum mit flüssigem Geld, nicht mit Kunstschätzen gleichsetzt. Die zwölf Kardinäle aus aller Welt, die jüngst vier Tage lang im Auftrag des Papstes die Buchhaltung sowohl des Heiligen Stuhls (also der päpstlichen Kirchenverwaltung) wie auch die des Vatikanstaates überprüften, haben die ernüchternde Bilanz veröffentlicht, auch die roten Zahlen.Daraus ergibt sich, daß die römische Zentralverwaltung der katholischen Weltkirche im vergangenen Jahr Ausgaben von umgerechnet 1.386 Millionen
Polens Primas Jözef Glemp hat viele Kritiker. Hierein Porträt des umstrittenen Kirchenfürsten und ein Interview, das Hansjakob Stehle mit dem Kardinal nach dessen Rückkehr von einer Südamerika-Reise in Rom führte.
Jahrhundertelang nie verlegen um Antworten auch auf Fragen, die ihr niemand stellte, sieht sich heute die Kirche vor ein Problem gestellt, das ihre moralische Zuständigkeit ebenso herausfordert, wie es ihre politische überfordert: die Friedensfrage.Immer wieder ist Johannes Paul II. hin- und hergerissen zwischen seinem prophetischen Radikalismus, der ihn „am Horizont die fatalen apokalyptischen Reiter der atomaren Katastrophe" erkennen läßt (Neujahrspredigt 1984), und seinem politischen „Realismus, der die Beibehaltung des Prinzips der legitimen Verteidigung erfordert" (Weltfriedenstag
Weitgehend verlorengegangen ist weltweit das Bewußtsein persönlicher Schuld. Die Mehrheit der Gläubigen meidet den Beichtstuhl. In Rom suchten die Bischöfe der Welt nach Auswegen.
Niemand hat wie er in diesem Jahrhundert des — meist gelenkten, von Demagogen beherrschten — „Aufstands der Massen” so viele Millionen Menschen in so vielen Erdteilen mobilisiert, inspiriert, ohne ihnen irgendwelche irdischen Paradiese zu versprechen. Johannes Paul II. hat aber nicht nur Begeisterungsstürme, die wieder abebben, ausgelöst; die Funken der Hoffnung, die er entzündet, entfachen nicht nur Strohfeuer, sie haben bei Menschen aller Kontinente irgend etwas, oft schwer Definierbares weiterglimmen lassen — selbst wenn die Institution der lokalen Kirche oft feststellen
Seit Bettino Craxi am 21. Juli von Staatspräsident Sandro Pertini mit der Bildung einer Regierung beauftragt wurde, steht der Chef der italienischen Sozialisten (PSI) vor einer Aufgabe, an die sich vorsichtige Balancekünstler erst gar nicht gewagt hätten: nämlich dem krisengeschüttelten Land gleichzeitig politische Stabilität und wirtschaftliche Sanierung zu bescheren.
Italiens Wählerschaft hat den Christdemokraten einen kräftigen Denkzettel verpaßt. Unter dem Strich allerdings hat sie die alte Fünfer-Koalition nur unwesentlich geschwächt.
Der Papst hat sich in Polen auf dem schmalen Grat zwischen dem Ruf wider die Verzweiflung und der Ermutigung zum Ausbruch aus bitterer Wirklichkeit bewegt. War es die traumwandlerische Sicherheit des nationalen Propheten und Hohepriesters, der sein Volk doch noch trockenen Fußes ins Gelobte Land führen zu können glaubt? Oder war es der halsbrecherische Mut eines charismatischen Volkstribunen, der den Untergang derSeinen in den Wellen des „Roten Meeres“ riskiert — wenn sie schon nicht weichen?Dabei hat nationalreligiöse Romantik während dieses zweiten Heimatbesuchs Johannes Pauls II.
Der Reigen der Parlamentswahlen in den Demokratien Europas geht weiter. Nach Großbritannien ist am 26. Juni unser südliches Nachbarland Italien an der Reihe. Unser Italien-Korrespondent Hansjakob Stehle analysiert die Ausgangslage dieses Urnengangs.
Siebzehn Monate lang hatte Ali Agca, der verhinderte Papst-Mörder, geschwiegen. Das nährte nur den Verdacht, er vertraue ungebrochen auf seine mutmaßlichen Hintermänner. Die Rede von der „internationalen Verschwörung", die in Italien stets umgeht, wenn sich Verbrechen nicht aufklären lassen, hat aber jetzt neuen Auftrieb erhalten.Endlich packte Agca doch noch aus, und seine Redseligkeit hatte Folgen: Vorige Woche wurde der Bulgare Sergej Iva-now Antonow verhaftet.Antonow leugnet beharrlich, .mit Agca irgendetwas zu tun zu haben und wird von seinen Kollegen im Büro der
,.Niemand kann in' dieser Welt leben, ohne sich überhaupt um Geld zu kümmern." Diese banale Wahrheit diente auch dem Bankier des Papstes, Erz-bischof Marcinkus, um sich gegen ein Gerede zu wehren, in das er und die Vatikan-Finanzen jüngst weltweit geraten sind.
Noch vor Wochen erschien all das unvorstellbar: ein Lech Walesa, der ,,nicht auf den Knien" aus der Verbannung nach Danzig zurückkehrte; und ein General Jaruzelski, der mit Hilfe des katholischen Primas den Generalstreik am 10. November nahezu verhindern konnte.
Wie gut sich ein Papst gleichsam als Sündenbock zur Ablenkung von eigenen Gewissensfragen eignet, das kennen wir aus gewissen deutschen Debatten seit den sechziger Jahren: von Rolf Hochhuths „Stellvertreter” bis zum jüngsten Versuch eines ExTheologen und Gestapo-Bonzen, sich als Kronzeuge gegen die römische Kirche aufzuspielen. Sie sind auch heute nicht verstummt, angeregt jetzt wieder durch die verständliche Empörung Israels über den Besuch des Palästinenserführers Yassir Arafat beim Papst.Sechs Jahre lang hat die Kirche zur Judenvernichtung im Hitlerreich geschwiegen, und nun
Aus heiterem Himmel schlug die Regierungskrise-wie ein Blitz in die Südtiroler Urlaubsidylle des italienischen Staatspräsidenten ein. Fürs dazugehörige Donnergrollen sorgte Sandro Pertini selber. Nach seiner überstürzten Rückkehr in den Quirinalspalast rühmte er das Gröd-nertal: „Dort oben gab es reine Luft, doch jetzt muß ich mich wieder an das Klima von Rom gewöhnen." 'Gewittrig und von mancherlei Stunk durchzogen war es schon lange. In Ministerpräsident Spa-dolinis Fünferkoalition schien sich niemand außer ihm selber ganz wohl zu fühlen. Und doch hatte der
Nie wieder eine solche Tragödie”, tönte es aus den autsprechern. Ein Arbeiterveteran des Posener Aufstandes von 1956 entzündete am Denkmal für die Opfer die „heilige Flamme”, ein Militärorchester stimmte die Nationalhymne an, und ein Appell des Gedächtniskomitees verkündete: „Wir rufen zur Uberwindung der Gegensätze, zur nationalen Verständigung... Wir sind überzeugt, daß alles Positive aus der Zeit nach dem August (1980) fortgesetzt wird...”Doch eben daran glauben heute die wenigsten — nicht einmal in Posen, der einzigen Großstadt Polens, wo in den Monaten seit dem
Ob politische Herrschaft durch Philosophen moralisiert werden könnte, wenn nicht gar diesen selbst überlassen werden sollte? Schon im Altertum hat Dionys, der Tyrann, den guten Piaton eines Schlechteren belehrt.Und Immanuel Kant konnte sich — sechs Jahre nach der Französischen Revolution — eher moralische Politiker vorstellen als politische Moralisten, die eine der Staatsraison „zuträgliche" Ethik schmieden. Schließlich hat unser Jahrhundert seine Erfahrungen mit Ideologie (als Uber- und Unterbau) gemacht.Da hat es heute ein Philosoph, der einer gesellschaftspolitischen
In den mehr als drei Monaten Kriegszustand, in dem sich 'Staat und Gesellschaft in Polen immer aussichtsloser gegenseitig „belagern", hat sich untergründig Explosionsstoff gestaut, dem nicht mehr — wie vor dem 13. Dezember 1981 — Ventile geöffnet sind. Unkontrollierbare Ausbrüche mehren sich, doch nicht etwa als Signale einer im Untergrund ausgeheckten „Strategie des Terrorismus", wie die Warschauer Militärzeitung glauben machen will.In den Internierungslagern, wo jetzt selbst radikale politische Denker wie Adam Michnik selbstkritisch Bilanz ziehen, aber auch bei den
Polens ranghöchste Bischöfe und der Papst suchten letzte Woche in Rom nach Auswegen aus der Krise in ihrer Heimat. Ihr Rezept: eine Wiederbelebung der „Solidarität".
Wer Italiens verschlungene innenpolitische Szenerie aus dem Blick verloren hat, mochte sich bei dieser Nachricht erstaunt die Augen reiben: Am 24. November haben sich nach langer Zeit zum erstenmal wieder ein christdemokratischer und ein kommunistischer Parteichef, Fla- minio Piccoli und Enrico Berlin- guer, an den Verhandlungstisch gesetzt.Und dies ausgerechnet am Vortag der „Nationalversammlung“, eines neuartigen Vorparteitages, durch den die Democrazia Chri-stiana in der vergangenen Woche öffentlich Gewissenserforschung betreiben und verlorenes Prestige zurückgewinnen wollte.Ging es
Als das Kind in den Brunnen gefallen war, starrten bangend und mitleidend Millionen Italiener Tag und Nacht auf den Fernsehschirm wie auf ein unheimliches Menetekel.Die Tragödie des kleinen Alfredo und derer, die ihn ebenso mutig wie dilettantisch zu retten versuchten, hat im Unterbewußtsein des Landes fast sym- ,boiträchtig all die Angst und Ohnmacht widergespiegelt, die Italien in den dunklen, verschlammten Schächten seiner Krisen und Skandale bedrängen. Hilft etwa auch da kein Hoffnungsstrahl aus Notaggregaten, kein beherztes Zupacken mehr?In diesen Tagen versucht es ein neuer Mann.
In Italien sind fast tausend Prominente in den Verdacht der Geheimbündelei, verknüpft mit Spionage- und Finanzdelikten, geraten. Die Regierungskoalition unter Führung A maldo Forlanis hat dadurch ein vorschnelles Ende erreicht.Schon vor Monaten hatte der christdemokratische Parteichef Flaminio Piccoli von einer „internationalen Freimaurerverschwörung“ geredet und sich deshalb den Vorwurf des Gespensterglaubens zugezogen.Jetzt versicherte er diplomatisch, dabei nur an eine weltweite „koordinierte Attacke gegen christliche Kulturideale“ gedacht zu haben, nicht jedoch an die legale
Ruhig, mit der Hand des gedrillten Scharfschützen, richtete er inmitten von begeistert winkenden Armen die Browning-Pistole auf sein Ziel. Hätte nicht neben ihm eine Nonne entsetzt aufgeschrien und nach seinem Arm gegriffen, wären wohl die beiden Schüsse sofort tödlich gewesen. Sie trafen dennoch „ins Weiße“ - den Papst. Mehmet Ali Agca, der Mann, der aus der Kälte kam, wo sich Haß rekrutieren läßt, sah sein Opfer zusammensinken.Das erste Geschoß hatte den Zeigefinger der linken Hand zerschmettert und eine amerikanische Pilgerin in die Brust getroffen. Das zweite verletzte eine
Nicht zur politischen Pilgerfahrt, sondern möglichst nur zu einer religiösen soll Mitte Jänner die Romreise Lech Walesas werden: so jedenfalls' möchte der polnische Kardinalprimas Wyszynski den ersten Westbesuch des polnischen Gewerkschaftsführers und Volkstribunen programmieren.Obschon Walesa einer Einladung der italienistnen Gewerkschaften folgt (auch der größten, der kommunistischen CGIL) und dadurch die polnische „Solidarnosé“ politischen Rückhalt gewinnen könnte, will Polens Kirche „ihren“ Walesa auch in Rom nicht von der Hand lassen. Selbst den Flug zahlt ihm der
Mit etwas breiterer Basis versucht Italiens neuer Regierungschef Arnoldo Forlani sein Glück. Zum ersten Mal hat die Democrazia Cristiana ihren Koalitionspartnern genau die Hälfte der 26 Ministersessel zu überlassen.Solche Großzügigkeit ließ sich schwer vermeiden, wenn man der Sozialdemokratischen Partei (die mit knapp fünf Prozent in Italien nur halb so viele Wähler hat wie die Sozialistische Partei) ihre Wiederannäherung an die Sozialisten und damit den Eintritt in die Regierung erleichtern wollte. Zusammen mit dem noch kleineren republikanischen Partner stützen nun also drei
Von über dreißig A bgeordneten der Koalitionsparteien im Stich gelassen, ist die Regierung der Christdemokraten Cossiga gestürzt worden und Italien in seine vierzigste Regierungkrise der Nachkriegszeit geraten. Mühsam versucht seit Anfang dieser Woche der christdemokratische Parteipräsident Arnaldo Forlani das zerbrochene Porzellan zu kitten. Ob ihm eine Regierungsbildung gelingt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob er auch innerhalb seiner eigenen Partei Brücken bauen kann.
Kaum mehr als ein Jahr war vergangen, seit sich Papst Johannes Paul II. auf seinem Triumphzug durch Polen als „slawischer Papst" als Sprecher der „oft vergessenen Völker des Ostens" und der „geistigen Einheit Europas" dem Bewußtsein von Millionen eingeprägt hatte. Und eben daran erinnerte Kardinal-Primas Wyschinski, als er am 15. August vor Hunderttausenden in Tschenstochau predigte:Während sich die Streikwellen schon den Fundamenten des Regimes näherten, forderte der Primas die Gläubigen auf, für die Freiheit und nationale Selbstbestimmung „aller slawischen
Findigen Spezialisten mag es gelingen, die chemische Formel des Sprengstoffs, die Technik, ja die „Ideologie" des Zündmechanismus herauszufinden; vielleicht wird man sogar eines Tages einen Täter ergreifen. Doch wird je faßbar werden, was in der Psyche von Leuten vorgeht, die, wie es in Bologna geschah, mitten unter unbekannten Menschen eine Bombe explodieren lassen?Was im Wartesaal des Bahnhofs von Bologna geschah, läßt auf den ersten Blick jeden politischen Hintergrund sich ins buchstäbliche Nichts auflösen. Terror nicht mehr als gezielte Aktion, sondern - wie Nietzsche, der
So wechselhaft und trügerisch wie Italiens diesjähriger Sommerhimmel hat sich auch der Schein stabilerer politischer Verhältnisse erwiesen, der manche Auguren bereits frohlocken ließ: Nun sei ganz klar, daß sich das Land auch ohne Kommunisten regieren lasse.Aber nach kaum drei Wochen schon mußte der Christdemokrat Cossiga unter kommunistischem Druck sein Anfang Juli verordnetes Anti-Inflationsprogramm revidieren und teilweise vertagen.Seit Mitte letzter Woche mußte er sich selber - als erster Ministerpräsident der italienischen Nachkriegsgeschichte - vor beiden Häusern des Parlaments
Die Furcht hatte allen großen Parteien Italiens im Nacken gesessen. Wenn man dem fahnenschwenkenden Jubel vor den römischen Parteizentralen trauen durfte, dann hat es freilich bei diesen Regional-, Provinz- und Kommunalwahlen keine Verlierer, nur Gewinner, wenn nicht gar Sieger gegeben. Die Schönheitsfehler aller Resultate verblassen in der Tat neben den Hauptergebnissen:Aus dem christdemokratisch-kommunistischen Frontalzusammenstoß, den im Wahlkampf vor allem der kommunistische Parteichef Berlinguer mit dem Ziel betrieben hatte, die Regierung in Rom zu Fall zu bringen, geht
Nichts ist furchterregender als gezielte Gewalt, die gleichwohl wie blinder Zufall zuzuschlagen scheint: In einem Streifenwagen werden mitten in Mailand drei Polizisten erschossen; in Palermo treffen den Parteivorsitzenden der sizilianischen Democrazia Cristiana auf dem Heimweg vom Kirchgang tödliche Kugeln; ein betriebswirtschaftliches Institut in Turin wird plötzlich überfallen, zehn Studenten und Dozenten liegen mit zerschossenen Beinen in ihrem Blut.Drei besonders erschreckende Fälle der letzten Wochen - drei von über 2150 Terroranschlägen und Attentaten in Italien, bei denen
Eine Woche vorher hatte Berlinguer im Straßburger Parlament noch das 50jährige Parteijubiläum Giorgios Amendo- las, des Fraktionsvorsitzenden der „Eurokommunisten“, mit rühmenden Reden gefeiert. Jetzt mußte der Parteichef diesem großen „Alten“ des italienischen KP-Vorstands vor versammeltem Zentralkomitee die Leviten lesen:
Sie sei eine „wichtige Etappe auf der Straße der Kollegialität“ betonte der Papst in seinen Schlußbemerkungen vor der Versammlung, die zum erstenmal seit vier Jahrhunderten nicht als Wahlgremium, sondern als Beratungsorgan zusammentrat. Das Kardinalskollegium wollte letzte Woche in nur fünf Tagen versuchen, sich selbst und dem Papst Rechenschaft abzulegen über den Zustand von Kirche und Kurie im ideellen und materiellen Sinne.Ausdrücklich entschuldigte sich Johannes Paul II. bei den Kardinalen für das Mißverhältnis zwischen der gestellten Aufgabe und der zur Verfügung stehenden
„Wir sind nur wir selbst - wir weisen die absurde Unterteilung der Christdemokraten in .Sozialisten- freunde und ,Kommunistenfreunde’ zurück”, so sprach Benigno Zacca- gnini letzte Woche vor dem „Nationalrat”, dem Parteiparlament der italienischen Democrazia Cristiana.Doch genau diese Bewußtseinsspaltung, die er so beschwörend leugnete, hat den Parteichef veranlaßt, auf die Rolle des väterlichen Vermittlers, die er vor vier Jahren übernommen hatte, zu verzichten und anzukündigen, er werde beim kommenden Parteikongreß im Dezember sein Amt niederlegen. Nur das Wort
Mit der Ruhe und dem risikobewußten Eifer eines Wunderarztes versucht Giulio Andreotti seit Mitte letzter Woche die scheinbar tödlich verletzte Partnerschaft von Christdemokraten und Kommunisten Italiens wiederzubeleben. Hat er dabei Chancen?
Italiens Kommunisten haben der Regierung Andreotti die parlamentarische Unterstützung entzogen. Andreotti mußte die Konsequenzen ziehen und trat zurück.
Schon manche Kurve hatten sie genommen, ohne ins Schleudern zu geraten — die über tausend Delegierten der rumänischen Kommunistischen Partei, die sich letzte Woche Im hochmodernen, samtverkleideten, ans einstige königliche Palais ange-bauten Kongreßsaal von Bukarest versammelt hatten. Man sah förmlich, wie diese Landesparteikonferenz den Atem anhielt und auf den kählhäup-tigen, fast 60jährigen Chivu Stoica starrte, einen der ältesten Kämpfer der Partei und engsten Freund des verstorbenen Parteichefs Gheorghiu Dej, der nun — ohne auch nur die Stimme zu heben — resignierte: Sein
Noch bescheidener, als ohnehin zu erwarten war, ist die Frucht ausgefallen, die aus den Moskauer Jubiläumsgesprächen der kommunistischen Parteien — mit dreiwöchiger Verspätung — nun hervorgegangen ist: 18 von ihnen haben am 24. November die Bruderparteien aller Welt für den Februar 1968 nach Budapest eingeladen — nicht etwa zur vielberedeten großen Weltkonferenz, ja nicht einmal zu deren unmittelbarer Vorbereitung, sondern zu einer noch unverbindlicheren Begegnung: einem „Konsultativtref-fen zum kollektiven Meinungsaustausch über die Einberufung einer internationalen
Von einem Bubenstück ist zu berichten, von einem politischen in literarischer Verkleidung. Die Zeitungsreportagen, die der Schriftsteller Andrzej Brycht in der Warschauer „Kultura“ veröffentlichte, hätten keine Erwähnung oder gar Auseinandersetzung verdient, wenn sie nicht jetzt auch noch in 40.000 Exemplaren als Buch im Pax-Ver-lag erschienen und von höchsten Staatsfunktionären Polens als journalistisches Muster und politisches Dokument gerühmt worden wären. Dieser Fall hätte ignoriert werden können, wenn sich der Autor nicht durch einen Trick gegen bloße Lächerlichkeit
Gespräch mit dem Budapester Ökonomen BoqnarMauern können schützen oder sperren — meistens beides, gleich ob sie aus Steinen, aus Vorurteilen oder aus Zöllen errichtet sind. Für eine Welt wie die kommunistische, die den „Internationalismus“ auf ihre Fahne geschrieben hat und seit 50 Jahren mit dem „Kapitalismus“ konkurrieren muß, bedeutet die wirtschaftliche Trennung von der anderen Welt immer mehr ein Hindernis. Denn diese übrige Welt ist der — Weltmarkt. An seinem Preisgefüge orientieren sich sogar die sozialistischen Planer, und mancher von ihnen wird vom Alptraum
Was hat de Gaulle in Polen erreicht? Wahrscheinlich weniger als er sich selbst wünschen mochte, aber mehr als er vielleicht selbst weiß. Sein Versuch, die festgefahrene polnische Westpolitik aufzulockern, sie in Bewegung zu setzen, mußte schon deshalb auf Barrieren stoßen, weil die deutsche Bundesrepublik, deren Haltung den Polen am wichtigsten in Westeuropa ist, dem General nichts auf die Reise mitgegeben hatte, was das polnische Mißtrauen besänftigen konnte. Noch am 3; September, drei Tage vor de Gaulles Reise, wiederholte der Bonner Ver-triebenen^Minister von Hassel die ebenso
Zwischen dem königlichen Schloß von Wilanow, dem Todesblock von Auschwitz und dem von Polen wiedererbauten Danzig liegen die Stationen der zweiten Reise de Gaulles nach Osteuropa, die er jetzt in Warschau begonnen hat. „Die Zukunft währt lange“, philosophiert der General in seinen Memoiren, als er von seiner Weigerung berichtet, 1944 das Lubliner Komitee der polnischen Kommunisten anzuerkennen, wie ihm damals Stalin empfahl. Jene Zukunft hatte begonnen, als Oharies de Gaulle 1920 in der Uniform eines polnischen Majors an der Weichsel die Rote Armee zurückschlagen half, aber sie währte
Allem Anschein nach stand die Reise des jugoslawischen Präsidenten Tito in die arabischen Länder unter keinem sehr glücklichen Stern. Nicht bei seinem Freund Nasser in Kairo und schon gar nicht in Damaskus und in Bagdad fand Tito jenes Echo, das irgendwelche Hoffnungen auf baldige Beilegung des Nahositkonfliktes rechtfertigenwürde. Ja, die Kompromißvorschläge, die Tito — wahrscheinlich auch im stillen Einvernehmen mit Moskau und mit Washington — sondieren wollte, hat er — wie man hört — nicht einmal ganz aus der Tasche ziehen können. Das liegt nicht nur an der verfahrenen Lage
Unter den mißtrauischen Blicken ier osteuropäischen Kommunisten, Munal der sowjetischen, hat der ieutsche Außenminister Brandt Ru-nänien einen Besuch abgestattet. Es geht um die erste und bislang »inzige Frucht der „neuen Ostpolitik“ — eine Frucht, von der manche neinen, daß sie im falschen Garten jepflückt worden sei, zu spät — »der zu früh. Doch gab es Ende Jän-ier wohl gar keine andere Wahl, ils 'die eigenwilligen Rumänen dem Austausch von Botschaftern mit Bonn zustimmten. Allerdings haben die übrigen Ostblockstaaten inzwischen eine Barriere gegen die neue
Rumänien, das seit Jahren seinen eigenen außenpolitischen Kurs steuert, wird künftig auch innenpolitisch den Spuren Titos folgen. Allerdings wollen die Partei- und Staatsführer in Bukarest dabei jene innen-und außenpolitische Risken vermeiden, die den Jugoslawen heute als unvermeidlicher Preis ihres Fortschritts erscheinen.Der neue Kurs wurde erkennbar in einem vier Seiten langen Aufsatz des Parteichefs Ceausescu, den dieser vor einiger Zeit auf rumänisch in „Scinteia“ und zwei Tage später auf deutsch im „Neuen Weg“ publizieren ließ, freilich in die allerdürrste Parteisprache
Fünf Tage lang hatte Moskau zugesehen, wie der israelische Schlag seine tatendurstig aufmarschierten arabischen Schützlinge traf, bis es sich mit seinen Verbündeten wenigstens zu einer Demonstration starker Worte aufraffte. Mehr als dies und der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Israel wird kaum von der Moskauer Erklärung übrigbleiben, die als Ergebnis einer späten Gipfelkonferenz osteuropäischer Staatsführer versprochen hat, „alles Erforderliche zu tun, um den Völkern der arabischen Länder zu helfen, dem Aggressor eine entscheidende Abfuhr zu erteilen...“Fünf Tage lang
Die Tinte unter dem Text des Freundschafts- und Beistandsvertrages war gerade trocken und Pal Losonczi, Ungarns neuer bäuerlicher Staatspräsident, hatte seine protokollarisch-trockene Ansprache verlesen, da setzte Walter Ulbricht zu einer doppelt so langen Rede an. Es war eine Art Nachhilfeunterricht in politischem „Deutsch“, den sich nun die Regierungs- und Politbüromitglieder Ungarns im Budapester Parlamentsgebäude stehend anzuhören hatten: Nach einer unmißverständlichen Erinnerung, daß die DDR der zweitgrößte Handelspartner des Landes ist, Ungarn jedoch nur der viertgrößte
Unausweichlich sei die Wirtschaftsreform von einer „gewissen Verlagerung der Schwerpunkte der Macht“ begleitet, hatte vor vier Wochen der ungarische Wirtschaftsexperte Professor Bognär vor Journalisten jn Wien erklärt. Was daran sybillinisch klang, hat nun Ungarns Parteichef Kädär deutlich gemacht, indem er an Stelle seines engsten Mitarbeiters Kallai den führenden Mann des „neuen ökonomischen Mechanismus“, Jenö Fock, zum Ministerpräsidenten des Landes machte. Kallai, der Ideologe und etwas doktrinäre Polit-Funktionär, tritt ins zweite Glied zurück — mit einer nicht
In der Belgrader Palmoticeva-Strafje bewohnt er mit Frau und Sohn eine Mierwohnung; auf dem Briefkasten steht in lateinischer, an der Tür in cyrillischer Schrift: Milovan Djilas. Vor 14 Jahren war er noch einer der vier mächtigsten Männer Jugoslawiens, Vizepräsident, Minister, Politbüromitglied. Zum 1. Jänner dieses Jahres war er nach fünfjähriger Haft begnadigt worden. Unbehelligt empfängt er Besucher in seiner Belgrader Wohnung. Die Jahre der Haff haben ihn alfern lassen; als er vor mir auf dem Sofa seines Wohnzimmers sah — über sich eine Reproduktion der Mona Lisa —, sprach er
„Ein wunderbares kirchliches Leben in allen sozialen Schichten und Altersstufen, bei Kindern wie bei Studenten, bei Arbeitern wie bei Angestellten!“ Das war das Fazit, das der päpstliche Unterstaatssekretär Agostino Casaroli nach der ersten Etappe seiner Polenrundreise zog. Sie hatte sieben der 25 polnischen Diözesen gegolten, vor allem im Süden des Lande^Näch einem Zwischenbericht in Rom setzt der Diplomat des Vatikans nun seine Rekognoszierung dn Westpolen fort, besonders in den Oder-Neisse-Gebieten: in Breslau, Oppeln und Landsberg an der Warthe (Gorzöw) prüft er die
Bei den Gesprächen, die Papst Paul VI. mit dem sowjetischen Staatspräsidenten Podgorny und vorher schon mit Außenminister Gromyko geführt hatte, spielte auch die Frage eine Rolle, ob es einem in Moskau stationierten Abgesandten des Vatikans möglich sein würde, Bischöfe und Gemeinden im Gebiet der Sowjetunion ohne Schwierigkeiten zu besuchen, also Visitations-reisen zu unternehmen — so wie es gegewärtig der Unterstaatssekretär Caseroli als Ostexperte des Vatikans in Polen tut. Caserolis Polenreise hängt freilich auch eng zusammen mit den spezifischen Verhältnissen von Staat und
Es ist noch gar nicht so lange her, da galt es in Bonner Regierungskreisen als sicher, daß jede Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und einem Land des Warschauer Paktes, also das Nebeneinander zweier deutscher Botschafter in einer Hauptstadt, von der Regierung in Ost-Berlin sogleich freudig benutzt würde, um daraus eine Bestätigung der DDR, wenn nicht gar eine De-facto-Anerkennung, zumindest aber das Ende der Hallstein-Doktrin abzulesen. „Aufwertung der DDR“ nannte man die Gefahr, die lange Jahre zur Barriere jedes ostpolitischen Schrittes wurde. Jetzt aber
Vor zwei Jahren noch war Nicolae Ceausescu im Westen kaum dem Namen nach bekannt. Als junger Mann des großen Potentaten Gheor-ghiu-Dejs hatte er ein schwieriges Erbe anzutreten. Doch in den eineinhalb Jahren seiner Herrschaft ist es dem rumänischen Parteichef gelungen, aus dem Schattenkreis seines toten Vorgängers und Protektors herauszutreten. Mehr noch, er hat sogar den Glorienschein Dejs verblassen lassen: Der „Kult“ des Mannes, der sich in seinem letzten Lebensjahr legendäre Popularität sicherte, weil er Moskau die Stirn bot, ist in Rumänien nahezu verschwunden.Ceausescu ist ein
Tito zog es vor, auf der Insel Brioni zu bleiben. Zum erstenmal ließ er das Zentralkomitee der jugoslawischen Kommunisten letzte Woche wichtige Beschlüsse fassen, ohne selbst aufzutreten. Mag er „im Urlaub“ gewesen sein, wie es offiziell hieß, oder seine Gesundheit schonen müssen — Tito hat auch politische Gründe, vor seinen Reisen nach Wien und Moskau mit eigenen Äußerungen vorsichtig zu sein. DieReise nach Moskau ist ohnedies noch in Schwebe; eine Verstimmung in der sowjetischen Führung, aber auch bei manchen Parteispitzen Osteuropas, ist unverkennbar, wenn sie auch noch nicht
Die kommunistische Partei braucht Intellektuelle — nicht etwa, damit diese sich für die Klugheit der Parteibeschlüsse begeisterten, sondern damit jene Beschlüsse klug würden ... So schrieb 1956 der heute 39jährige Philosoph Leszek Kilokow-ski. Er blieb bei dieser Meinung, die in Funktionärskreisen — und nicht nur in polnisch-kommunistischen — meistens als freundlicher Irrtum behandelt wird, zehn Jahre lang. Auch dann noch, als ihn die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei im vergangenen November aus ihren Reihen verstieß.. In einem Vortrag zum zehnten Jubiläum des polnischen
Die politische Ketzerei des Montenegriners Milovan Djilas hat sich nie hinter Gefängnismauern verbannen lassen. Sie war vom ersten Augenblick an stärker, bedeutender als der Mann, der sie vertrat und der vielleicht auch deshalb nun — wieder einmal — freigelassen wurde. „Menschen leben in Träumen und Realitäten“, schloß er ein Kapitel seiner Gespräche mit Stalin, deren Publikation ihm vor fünf Jahren eine achtjährige Strafe eingetragen hatte. Djilas, einmal engster Mitkämpfer Titos und Mitgestalter des jugoslawischen kommunistischen Modells, war mit seinen Träumen der
Polens Haltung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland hat sich in den letzten Jahren verhärtet, nachdem es lange Zeit die Normalisierung der Beziehungen ohne Vorbedingungen angestrebt hatte. Von der Bundesregierung lange ohne Antwort gelassen — auch auf notifizierte Sicherheitsvorschläge wie diejenigen Rapackis —, versteifte sich Warschau auf einen immer größeren Katalog von Bedingungen,zu denen nicht nur die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, sondern schließlich auch noch die der DDR gehörte. In Bonn neigt man deshalb zu der Annahme, mit den Polen sei einstweilen nichts zu
Um übertriebene Erwartungen, die manche an Rumäniens eigenwilligen Kurs knüpfen, die Spitze abzubrechen, hätte es nicht erst eines Dementis in Bukarest und einer zweiten Rede Ceausescus in Jassy bedurft. Für Rumänen wie auch für Franzosen galt stets die Binsenweisheit: Wer Bündnisse reformieren, umbauen, ja lockern will, kehrt ihnen nicht den Rücken. Schon deshalb gab es außer der Rede Ceausescus vom 7. Mai — die kühn genug war — kein spektakuläres „Memorandum“ der Rumänen, das etwa an den Warschauer Pakt als solchen gerührt hätte. Schließlich hat ja auch de Gaulle —
Um eine Hoffnung ärmer und um eine Erkenntnis reicher ist der sowjetische Parteichef Breschnew aus Bukarest nach Moskau zurückgekehrt. Sein sorgsam eingefädelter Versuch, das beschädigte Führungsprestige Moskaus wenigstens im europäischen Kommunismus wieder zu reparieren, ist schon im Vorstadium gescheitert. Es war der Plan, die gemeinsame Abneigung gegen die chinesische Ketzerei zum Bindemittel einer neuen Kommunistischen Internationale zu machen und diese organisatorisch aus dem Warschauer Militärpaktsystem entstehen zu lassen. In Bukarest, wo dieses Unternehmen anläßlich einer
Wird sich der europäische Osten wieder zum „Block” verhärten? Wird dieses Gefüge kommunistischer Staaten im Spannungsfeld zwischen chinesischer „Militanz” und westlicher „Aufweichung” erstarren? Und wenn Osteuropa sich nicht mehr in stalinistische Selbstrsolierung zurück- zdehen kann, wird es der doppelten Gefährdung nicht dadurch zu entkommen suchen, daß es sich an alte Zwangsmethoden klammert, bewährte Tabus festigt und sich auf Reaktion im wörtlichen Sinn versteift?Nicht wenige Anzeichen der letzten Zeit scheinen solche Tendenzen zu bestätigen; in den Wochen vor dem 23.
„Einmischung der Kirche in die Politik” — ein Vorwurf, der allenthalben, im Osten wie im Westen, gerne erhoben wird. Allerdings, wenn die Kirchen den Politikern nach dem Munde reden, sind sie gerne gehört und benutzt, beziehen sie jedoch eine andere oder eine unabhängige Position, dann trifft die Kirche der Vorwurf „klerikaler Einmischung”, totaler Inkompetenz und Schlimmeres. Dieses Schicksal erfährt gegenwärtig in der Bundesrepublik die evangelische Kirche Deutschlands mit ihrer Denkschrift zum Oder-Neiße-Problem. Und die gleiche Erfahrung macht die polnische katholische
Stämmige Turnerinnen im Rhythmus getragener Musik, dann eine Jazzband auf der Freilichtbühne, ein Spaßmacher mit harmlosen politischen Zweideutigkeiten, Lotterie, Luftballons und allerlei Lustbarkeit, dazu heiße Würstchen mit Pilsner aus Fässern, die sich zwischen Eisblöcken zu Pyramiden stapelten — das war das Sommerfest im Stadtpark von Brandys, fünfundzwanzig Kilometer nördlich von Prag. Plötzlich stand ein alter, bürgerlich-behäbig wirkender Herr vor dem Mikrophon, redete von Sozialismus und sowjetischer Freundschaft. Die Leute fächelten sich Luft zu und drückten die
„Diese Stadt ist wie ein Seismograph“, sagte mir ein ungarischer Funktionär in Budapest. „Weit entfernte Beben werden hier verzeichnet, als seien es lokale Erschütterungen.“ Kaum irgendwo löste Chruschtschows Sturz einen so starken Schock aus wie bei den Ungarn; der Schreck scheint ihnen noch heute ein wenig in den Gliedern zu sitzen, selbst den Jüngeren, die in den neunJahren seit dem Revolutionsjahr 1956 von Kindern zu Erwachsenen wurden ...Die Empfindlichkeit der Ungarn wurzelt in dem Gefühl, mehr verlieren zu können als ein paar Freiheiten. Was in Bulgarien gerade
Herzlicher als irgendwo sonst in Osteuropa können sich heute sowjetische Staatsführer dort umarmt fühlen, wo man sie vor achteinhalb Jahren fast nicht landen ließ: in Warschau. Und doch ist der Empfang, den die polnischen Kommunisten Breschnew und Kossygin vor kurzem bereiteten, alles andere als das Ergebnis sentimentaler Empfindungen; es ist Ausdruck einer nicht ganz widerspruchslosen, doch auch von den meisten polnischen Nicht-kommunisten so verstandenen Staatsräson — und zugleich einer Räson der Partei, die sich glücklich schätzt, nicht nur das Land, sondern auch ihre eigene,
Etwas früher als seinen geistigen Urenkeln war es Karl Marx aufgegangen: Der Reichtum der kapitalistischen Gesellschaften erscheint als eine „ungeheure Warenfülle“. Mit diesen Worten begann Marx vor hundert Jahren sein „Kapital“. Er nannte das Verhältnis der Menschen zu den Waren, die sie erzeugen, „gaukelspielerisch“ und schrieb den Waren etwas Geheimnisvolles, einen Fetischcharakter zu. An solchen marxistischen Vorstellungen gemessen, scheint nun seit einiger Zeit im Osten der waht-e „Fetischismus“ ausgebrochen zu sein.Der Anstoß zum wirtschaftlichen Umdenken kam vor
Hat der kreißende Berg nur di< sprichwörtliche Maus geboren? Fas' scheint es so, wenn man das Kommunique betrachtet, das di< kommunistischen Partei- unc Staatsführer am Ende ihrer Warschauer Beratungen feierlich unterzeichneten. Ein „Prawda“-Leitartike: hätte gewiß auch ohne solche Gipfelkonferenz diese Liste bekannter Vorschläge, Wünsche und Warnunger zusammenstellen können. Das wesentliche Ergebnis dieser Zusammenkunft ist deshalb fast nur derr zu entnehmen, was zwischen der Zeilen des Kommuniques steht — oder was es überhaupt verschweigtDer Vorrang der Sowjetführung im
„Freiheit, nur in Teelöffeln gereicht, schafft keine wirksame Lösung ... Wir sprechen von Dezentralisierung oder Zentralisierung, das heißt, um es etwas vereinfacht zu sagen: Soll ich allein die Macht haben — oder wir fünf...“ Solche Sätze, voll herber Ironie, standen zwei Monate vor dem jüngsten Parteikongreß der jugolawischen Kommunisten in der Belgrader „Eko-nomska Politifca“. Sie stammen nicht etwa von einem politischen Außenseiter, sondern vom Parteichef des zweitgrößten Bundeslandes der Föderativen Republik, von dem Kroaten Vladimir Bakarii.Mit ebenso klugen wie
Der hagere Mann mit dem rötlichen Schopf über der breiten Stirn ließ seine großen Augen beifallheischend in die Runde schweifen. Laut, so daß es niemand in dem Krakauer Kaffeehaus überhören konnte, hatte er die stalinistische Regierung des Landes beschuldigt, daß sie an der Misere Polens die Schuld trage. Die Leute schauten scheinbar gleichgültig in ihre Kaffeetassen. Es war einige Wochen vor dem Oktober 1956, vor Gomulkas Rückkehr zur Macht. Noch war nichts entschieden, die Furcht war noch gegenwärtig. Der Mann, der so gar^ij^B^ay“,yflr„ den Mund genommen hatte, lachte, als wir
Bestellt noch eine Aussicht, daß die Oder-Neiße-Linie nicht Deutschlands Ostgrenze bleiben wird? Begünstigt heute irgend jemand die Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937? Wollten die Siegermächte 1945 ein Deutschland mit jenen alten Grenzen? — Die offizielle Politik der Bundesrepublik, der Regierung und der Opposition, nährt seit fünfzehn Jahren derartige Vorstellungen und Hoffnungen in einem großen Bevölkerungsteil. Auf seiner letzten Pressekonferenz am 25. September wiederholte Bundeskanzler Erhard „unseren alten Rechtsstandpunkt, und der ist ja doch in dem