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Scharlatan als Racheengei
Von einem Bubenstück ist zu berichten, von einem politischen in literarischer Verkleidung. Die Zeitungsreportagen, die der Schriftsteller Andrzej Brycht in der Warschauer „Kultura“ veröffentlichte, hätten keine Erwähnung oder gar Auseinandersetzung verdient, wenn sie nicht jetzt auch noch in 40.000 Exemplaren als Buch im Pax-Ver-lag erschienen und von höchsten Staatsfunktionären Polens als journalistisches Muster und politisches Dokument gerühmt worden wären. Dieser Fall hätte ignoriert werden können, wenn sich der Autor nicht durch einen Trick gegen bloße Lächerlichkeit versichert hätte: Sein Machwerk, mit dem er seine Leser bis hinauf zur kommunistischen Führungsspitze zum Narren halten wollte, ist einem todernsten Thema gewidmet — dem Verhältnis der Polen und der Deutschen. Es ist der ebenso virtuose wie skrupellose Versuch, dieses tief verwundete Verhältnis vollends zu vergiften — ein Attentat auf den guten Willen aller Deutschen, die bereit sind, die bittere Bilanz deutscher Schuld zu ziehen, ein Anschlag auf die Gefühle aller Polen, die den Haß überwunden haben, nicht zuletzt eine Versöhnung jener Kommunisten, die zwischen
lautstarker Propaganda, echtem Mißtrauen und „nationalistischer Abweichung“ wissentlich zu unterscheiden wissen...
Citroen und Mercedes
Freilich, Andrzej Brycht ist kein Kommunist, kein Marxist, auch kein
Katholik. Sein Credo hat der 32jäh-rige im März der Zeitschrift „Ty i Ja“ verraten: „Ich möchte, daß man über mich schreibt, ich möchte viel Geld haben... Ich fuhr Mercedes, aber ich möchte einen Citroen.“ Mit Bildung hat der junge Mann, der nach eigener Auskunft in sechs Jahren drei Klassen absolvierte, im Bergwerk arbeitete und 29 Boxkämpfe bestand, keine Zeit verloren: „Wenn jemand mit Zähnen aufwächst, lernt er von selbst beißen.“ Beim Militär, wo er 1953 aus der Offiziersschule wegen „Insubordination“ herausflog, fühlte er sich „nicht besonders“, gestand er — der Soldatenzeitung „Zolhierz Wolnosci“ Und noch mehr: „Ich bin unpünktlich, ich gehorche keinen Befehlen — nur mir selber.“ Auf die Frage nach dem politischen Engagement des Schriftstellers: „Politik ist heute für den erwachsenen Mann das einzige ernsthafte Spiel.“
Und Brycht spielte. Plötzlicher literarischer Ruhm — 1966 fand sein Buch „Tanz im Hitlerhauptquartier“ in acht Ländern Verleger — trug ihm eine Einladung von Hanser in München ein. Vierzehn Tage lang versuchte ihm sein Gastgeber an der Isar das idealisierte, allzu positive Bild vom Westen und von den Deut-
sehen auszureden, das er mitgebracht hatte. Selbst Herren vom Sender „Free Europe“, die Brycht zu schröpfen verstand, war es zuviel. Doch Brycht spielte. „Auf dem luxuriösen, ausgewaschenen, dollarvergoldeten Boden Westdeutschlands fiel die Erinnerung wie eine schwere, lähmende
Krankheit auf mich; ich begriff, daß nicht Regierungen und Politiker alles für uns erledigen können. Ich bin kein Politiker... Außer dem ehrlichen Bericht einer kurzen Reise kann ich nichts machen. Eigentlich halte ich nur meine eigene intime Abrechnung mit den Deutschen ...“ So versucht sich Brycht jetzt im Vorwort des Buches zu rechtfertigen — wobei er auch die offizielle Unterscheidung zwischen West- und Ostdeutschen beiseiteschiebt.
Rache- und Haßgefühle
Ob es nun wirklich die Erinnerung an seine ermordeten Verwandten war, verstärkt durch den Komplex seiner eigenen Abstammung („Ich könnte ein Deutscher sein“), oder ob es — wovon manche seiner Bekannten wissen — die aus Münchner Alkoholdünsten destillierte Idee war, als politischer „Felix Knill“ die Alpträume seiner Landsleute auszunützen, um auf der Welle der offiziellen Anti-Bonn-Propaganda „nach oben“ zu schwimmen? Was immer Brycht die Feder führte — vielleicht eine Mischung von beiden — sein „Rapport aus München“, 130 Seiten angeblicher Eindrücke, stützt sich — „auf die niedrigsten Instinkte der menschlichen Natur: Rache-, Haß-und Neidgefühle“. So charakterisierte Krystyna Zgorzelska, selbst ehemaliger KZ-Häftling, in der Warschauer katholischen Monatsschrift „Wiez“ den Bericht Brychts.
Die „Deutsche Welle“ in Köln, die dem Ausland umgekehrt nur das rosigste Bild der Bundesrepublik auszumalen sucht, hat sich in einer ganzen Sendereihe abgemüht, Brychts Unwahrheiten, Fälschungen, Irrtümer und Entstellungen säuberlich nachzuweisen — als ob es Brycht auf das Detail, überhaupt auf “die Wirklichkeit angekommen wäre! Daß er, der kaum deutsch spricht, in unzähligen Dialogen nur fast faschistoiden Polenhassern und „gefährlich üblen“ Deutsahen begegnete, daß er etwa ein Buch eines „Professor Dr. Carl Dietrich“ zitiert, das so wenig existiert wie sein Verfasser — was tut's? Brycht ging es ja um eine „elastische Verbindung zwischen Fakten und ihrer literarischen Transposition“, wie es der Pax-Verlag jetzt im Klappentext mit keuscher Miene umschreibt. Und solche „elastische“ Methode hat bei Brycht schon Tradition: seit 1966 schwebt vor dem Kreisgericht in Bedzin (Oberschlesien) gegen ihm ein Zivilprozeß, weil er zum Gegenstand einer Erzählung lebende Personen mit vollem Namen machte. Es gebe aber eine Grenze dichterischer Freiheit, schrieb dazu am 15. August die Kattowitzer Zeitschrift „Po-glady“, und dies „um so mehr, wenn man diesen Personen Dinge zuschreibt, die sie nicht taten — und zwar schändliche Dinge“. So hält es Bryoht auch mit seinen deutschen Gastgebern und Gesprächs-
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