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Zwischen Rom und Warschau

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Bei den Gesprächen, die Papst Paul VI. mit dem sowjetischen Staatspräsidenten Podgorny und vorher schon mit Außenminister Gromyko geführt hatte, spielte auch die Frage eine Rolle, ob es einem in Moskau stationierten Abgesandten des Vatikans möglich sein würde, Bischöfe und Gemeinden im Gebiet der Sowjetunion ohne Schwierigkeiten zu besuchen, also Visitations-reisen zu unternehmen — so wie es gegewärtig der Unterstaatssekretär Caseroli als Ostexperte des Vatikans in Polen tut. Caserolis Polenreise hängt freilich auch eng zusammen mit den spezifischen Verhältnissen von Staat und Kirche in einem so ausgeprägt katholischen Lande, das von Kommunisten regiert wird.

Bisher waren alle Reisen Caserolis, vor allem seine Sondierungen in Ungarn und Jugoslawien, die mit Teilabkommen endeten, vom Mantel strengster Vertraulichkeit umhüllt gewesen. Was hat es zu bedeuten, daß man nun die Stationen der Caseroli-Reise von Warschau über Tschenstochau nach Krakau und allen anderen Diözesen Polens in der Weltpresse verfolgen kann? Warum hat Caseroli, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, die Presseberichterstatter aus aller Welt im Warschauer Gebäude der päpstlichen Nuntiatur empfangen — 27 Jahre nachdem der letzte Nuntius die polnische Hauptstadt verlassen hat?

Msgr. Caseroli hat wohl vor allem die Flucht in die Öffentlichkeit angetreten, um die Woge der Spekulationen zu beruhigen und zugleich die Spuren eines Weges zu verwischen, der die vatikanische Ostpolitik gegenwärtig auf einen „modus vivendi“ mit Polen hinführt. Er wolle sich einige Wochen in Polen umsehen, auch in den Oder-Neiße-Gebieten, und zwischendurch ab und zu einmal nach Rom fliegen, um nach laufenden Geschäften zu sehen, sagte Caseroli in Warschau. Nein, Kontakte mit der Regierung seien nicht vorgesehen, höchstens „aus Höflichkeit oder bürokratischer Fomalitäten wegen“. Auch der inzwischen erkrankte Sekretär des polnischen Episkopats, Bischof Choromans/ci, warnte vor Gerüchten und voreiligen Erwartungen, alles sei „langwierig und kompliziert“.

Tatsächlich ist eine Lösung der aktuellen Streitfragen noch nicht in Sicht. Nachdem sich die „Gemischte Kommission“ von Staat und Episkopat am 30. Jänner (dem Tag des Podgorny-Besuchs beim Papst!) auf den Grundsatz geeinigt hatte, daß die nichtreligiösen Unterrichtsfächer in den Priesterseminaren der staatlichen Schulaufsicht unterliegen können, bildete man eine Unterkommission zur Klärung von Detailfragen. Als diese jedoch zusammentrat, legte die kirchliche Seite Detailvorschläge auf den Tisch, die das grundsätzliche Übereinkommen der Hauptkommission von neuem in Frage stellte. So ist in diesem aktuellen Streitpunkt augenblicklich alles in der Schwebe.

Dennoch — oder: gerade deshalb — hat sich bei Staat und Kirche in den letzten Wochen die Erkenntnis gefestigt, daß eine ,große Lösung“ anzustreben sei. Es ist dies ein Wunsch und eine Forderung, wie sie der Führer der katholischen Abgeordnetengruppe „Znak“ in einem Interview in der „Furche“ (2. Juli 1966)

äußerte. Diese „große Lösung“ ist allerdings ohne den Vatikan nicht mehr denkbar, aber auch nicht ohne Mitwirkung des polnischen Episkopats und seines Primas, Kardinal Wyszynski. Die päpstliche Diplomatie steht vor einer schweren Aufgabe: Sie muß dem Kardinal das Gefühl vermitteln, nicht übergangen zu werden, und zugleich der Warschauer Regierung deutlich machen, daß sie es mit Rom zu tun hat, auch wenn sie mit dem Episkopat verhandelt — mit einer Bischofskonferenz, die nach dem Konzilsdekret vom 25. Oktober 1965 mit Zweidrittelmehrheit Beschlüsse fassen kann, die dann dem Heiligen Stuhl zur BiUigung vorzulegen sind. Als Kardinal Wyszynski der Be-

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