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Zurück aus Warschau

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Sechs Tage lang war Kardinal König als Gast des Kardinals Wyszyn-ski in Polen. Diese Reise war weniger geheimnisumwittert als der Blitzbesuch Kardinal Königs in Budapest. Aber da sie kurz nach diesem erfolgte und da hier wieder ein Land unter kommunistischer Herrschaft Ziel der Reise war, schienen Kombinationen, Vermutungen, ja auch Phantasien unvermeidlich zu sein.

Nun, diese Reise war tatsächlich ein privater Besuch. Die polnischen Bischöfe, wenn sie nach Rom fahren — und sie fahren in den letzten Jahren öfter nach Rom — kommen alle über Wien. Übrigens nicht nur sie allein. Was liegt näher, als den Bischof, dessen Gast sie hier, wenn oft auch nur für wenige Stunden, sind, einzuladen, sie einmal in ihrem Land zu besuchen. Nun kann man nach Ungarn oder auch nach Polen nicht so einfach reisen wie nach Frankreich oder in die Schweiz; man braucht ein Visum. Dieses Visum ließ bei der Einladung des Kardinals zuerst auf sich warten. Dann aber war das amtliche Visum da und damit auch das amtliche Interesse an dieser Reise des Kardinals nach Polen. Nicht, daß es in Polen, wie manche spekulierten, zu Besprechungen oder Verhandlungen des Wiener Gastes mit polnischen Regierungsstellen gekommen wäre; die Kontakte waren auf jenes Maß beschränkt, das die Höflichkeit gebietet: eine Begrüßung durch den stellvertretenden Präsidenten von Krakau und ein Besuch des Kardinals beim stellvertretenden Vorsitzenden des polnischen Staatsrates.

Nicht in irgendwelchen Kontakten mit polnischen offiziellen Stellen liegt die Bedeutung des Besuches Kardinal Königs in Polen. Wohl aber könnte man sagen, daß schon seine Anwesenheit in diesem Lande wie eine Art Katalysator wirkte und daß schon diese Anwesenheit manche neue Aspekte eröffnen könnte für die Katholiken in Polen, für den polnischen Staat, für die sehr komplexen Beziehungen zwischen Staat und Kirche, nicht zuletzt aber auch für Österreich und für die österreichischen Katholiken. Man weiß, daß die Polen immer ein gastfreundliches Volk waren, aber die Freude, die Herzlichkeit, die Begeisterung, mit der sie den Wiener Kardinal und seine Begleiter empfangen haben, dürfte tatsächlich kaum zu überbieten sein. Wo immer er in der Öffentlichkeit auftrat, scharten sich Hunderte um ihn, oft Tausende, die ihn begeistert begrüßten. Und immer wieder wurde auch in privaten Gesprächen gesagt, die Österreicher könnten ja nicht ahnen, was der Be-

such des Kardinals für die polnischen Katholiken bedeutet.

Das festzustellen ist deswegen wichtig, weil auch hierzulande früher gelegentlich die Meinung zu hören war. Besuche in östlichen Ländern würden von den dort lebenden Katholiken all eine Mißachtung ihrer schwierigen Lage, als eine Art Dolchstoß betrachtet. Ganz im Gegenteil. Allerdings muß man hier wohl hinzufügen, daß Polen ein einzig dastehender Fall ist. Kardinal König hat es bei seiner letzten Station in Kattowitz gesagt, er sei viel in der Welt herumgekommen, aber eine so vitale, so kraftvolle, so mit dem Volk verbundene Kirche wie in Polen habe er nirgends gefunden.

Diese polnische Kirche aber lebt heute in einem kommunistischen Staat, dessen offizielle Staatsmaxime der Atheismus ist. Die politischen Umwälzungen im Gefolge des zweiten Weltkrieges haben diese Situation geschaffen. Dies ist eine Realität, die von allen, auch von den polnischen Katho- ' liken, respektiert wird, eine Situation, die keine Alternative zuläßt. Beide nun, der kommunistische Staat und die katholische Kirche, die nahezu vollkommen mit dem polnischen Volk identisch ist, müssen miteinander auskommen. Mit dem Wort „Koexistenz“ sind die polnischen Katholiken etwas vorsichtig. Sie wollen nicht einseitig für diese Koexistenz bezahlen müssen. Und sie haben eine Menge Klagen. Von dem Modus vivendi, der seinerzeit beschlossen wurde, hat der Staat Stück für Stück herausgebrochen.

Nun scheint es gewisse Anzeichen zu geben, daß die polnische Regierung die Politik der Nadelstiche und kleinen Schikanen nicht zu einem neuen massiven Druck auf die Kirche ausweiten will. Auf Versprechungen allein allerdings werden sich die polnischen Katholiken nicht verlassen. Sie sind der Meinung, daß ihnen schon vieles versprochen wurde, das in der Praxis dann meist anders aussah.

Kardinal Wyszynski ist, wenige Tage nachdem er die österreichischen Gäste verabschiedet hatte, nach Rom abgereist. Er wird dort gewiß auch Besprechungen führen, die das Verhältnis von Staat und Kirche in Polen betreffen. Wenn diese Besprechungen zu dem Erfolg führen, daß sie der Kirche gewisse vertragliche Zusicherungen bringen, ohne sie dabei in ihrer Vitalität zu lähmen, so kann das gerade von Österreich nur begrüßt werden.

Die „Furche“ hat sich hierzulande wohl als erste bemüht, die besondere Lage Polens, der polnischen Kirche, der polnischen Katholiken den Österreichern — und nicht nur ihnen — verständlich zu machen. Gerade die polnischen Katholiken haben dieses Bemühen, wie man wiederholt erfahren konnte, dankbar anerkannt. Das polnische Volk hat durch den Krieg so entsetzliche Opfer erlitten wie kaum ein zweites. Es hat durch seine Energien und durch seine ungebrochene Volkskraft, nicht zuletzt durch seinen Glauben, Leistungen des Aufbaues vollbracht, die wir österreichischen Besucher in den kurzen Tagen unseres Polenbesuches mit ehrlicher Bewunderung feststellen konnten.

Der Besuch des Wiener Kardinals in Polen hat alte Bande der Freundschaft von Volk zu Volk nicht nur erneuert und gefestigt, sondern auch manche Perspektiven für die Zukunft eröffnet, die dem Gang Österreichs durch die Geschichte entsprechen.

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