6735633-1966_19_01.jpg
Digital In Arbeit

Gruß nach Polen

Werbung
Werbung
Werbung

Mit dem groflen Zug zum Jasna Gora in Tschenstochau am 3. Mai sind die Milleniumsfeiern des polni- schen Katholizismus in ihr letztes Stadium getreten. Sie fanden gleich- sam hinter geschlossenen Tiiren statt. Den osterreichischen Katholiken — alien voran den Erzbischd- fen Osterreichs — war es verwehrt, sich an diesem Festtag ihren polnischen Glaubensbriidern in Tschenstochau zu vereinen.

In diesen Tagen feiert das pol- nische Volk den grbBten Tag seiner Geschichte: den Tag seiner Volks- und Staatswerdung durch die An- nahme des Christentums vor ein- tausend Jahren. Es feiert damit gleichzeitig auch seine tausendjah- rige Geschichte als christliches, als katholisches Volk. Mit dec Taufe seines Fursten und der anschlieBen- den Bekehrung der polnischen Stamme ist Polen als Volk und als Staat in den Kreis der christlichen Kulturvolker Europas eingetreten, wurde der polnische Staat Schild und Schutzwehr eines christlichen Europas. Stolze Tage, aber auch un- endliches Leid hat Polen in seiner tausendjahrigen Geschichte erlebt. Vona Westen und vom Osten wurde es bedrangt, bekampft, sein Name ausradiert, sein Land aufgeteilt, sein Volk auszulbschen und zu vernichten versucht. Gerade wahrend des zwei- ten Weltkrieges hat Polen unermeB- liche Opfer gebracht, wie kaum ein zweites Volk Europas. In der Zeit seiner bittersten Not, unter fremder Herrschaft, ohne eigenes Staats- wesen, hat das polnische Volk Trost und Zuflucht, Kraft und Heimat in seinem katholischen Glauben und in seiner katholischen Kirche gefunden. Diese unlbsbare Verbundenheit von Volk und Glauben, von Polentum und Kirche, hat sich in der Geschichte immer wieder als die Grundlage der polnischen Existenz erwiesen. Diese unlbsbare Einheit hat auch schwerste Belastungen er- tragen und fiberstanden. Sie wird auch in Zukunft der Garant des polnischen Volkes sein.

Das katholische Polen wollte den Tag seines Milleniums festlich be- gehen und hat durch den Mund seiner Bischbfe die Katholiken Europas eingeladen, diesen Tag mit ihm zu begehen und mit ihm zu feiern. Auch aus Osterreich wollten viele Bischbfe und tausende bster- chische Katholiken das Haupt- fest der Milleniumsfeierlichkeiten am Gnadenort der Muttergottes von Tschenstochau mitfeiern. DaB es nicht dazu gekommen ist, daB den osterreichischen Bischbfen und den osterreichischen Pilgern die Einreise verweigert wurde, ist nicht die Schuld des polnischen Volkes, diese Unfreundlichkeit kann die herzliche Freundschaft zwischen dem polnischen und dem osterreichischen Volk nicht stbren. Die bsterreichi- schen Katholiken werden diesen Tag dadurch festlich begehen, daB sie sich im Gebet mit den polnischen Katholiken vereinen — in einem Gebet, das die Freiheit der Kirche, den Frieden in Europa und in der Welt und die Versbhnung aller Gegensatze miteinschlieBt. Die Be- ziehungen zwischen unseren beiden Vblkern waren immer gut, oft auch herzlich und eng. Niemals wird Osterreich vergessen, daB es ein polnisches Heer unter Kbnig Sobieski war, das entscheidend zur Befreiung Wiens von der Tiirken- belagerung beitrug; auch die jiingste Vergangenheit beider Volker hat viel Gemeinsames. Beide, Osterreich und Polen, waren die ersten Opfer der Aggression in Europa, beide Staaten wurden ihrer Freiheit beraubt und von der Landkarte ge- tilgt. Beide aber erstanden nach furchtbaren Kampfen wieder aufs neue. So verbdndet auch in der Gegenwart das osterreichische mit dem polnischen Volk nicht nur die Tradition einer stellenweise gemein- samen Geschichte, nicht nur ein gemeinsames Schicksal in jiingster Vergangenheit, sondern vor allem die Gemednsamkeit des Glaubens und die gemeinsame Zugehbrigkeit zu der einen Kirche.

In dem Briefwechsel zwischen den polnischen und osterreichischen Bischbfen fand diese gemeinsame Verbundenheit herzlichen Ausdruck. Die polnischen Bischbfe haben zu den Tausendjahrfeiern in mehr als 50 Briefen die Bischbfe zahlreicher Lander eingeladen. In dem Brief an den deutschen Episkopat haben sie den ersten Schritt zur Versbhnung gemacht. So herzlich und so un- belastet die Beziehungen zwischen dem osterreichischen und dem polnischen Volk sind, so schwer und belastet sind die Beziehungen zwischen dem polnischen und dem deutschen Volk, gerade durch die jiingste Vergangenheit. Es war daher ein mutiger Schritt, als die polnischen Bischbfe, als geistige Hirten eines Volkes, das viel zu erdulden und viel zu vergeben hatte, als erste die Hand zur Versbhnung aus- sitreckten, Vergebung anboten und Vergebung erbaten. Man hat diese wahrhaft christliche Tat der polnischen Bischbfe manchmal miBver- standen, mehr aber noch miBver- stehen wollen. Um so mehr wollen gerade wir Osterreicher, dem deutschen und dem polnischen Volk ver- bunden, den polnischen Bischbfen und mit ihnen dem polnischen Volk danken fur diese Tat der Versbhnung, fur dfesen ersten Schritt zum Frieden unter den Vblkern Europas.

So, wie das polnische Volk in diesen Tagen in Tschenstochau, in den anderen groBen Marienheiligtiimern und in alien Kirchen des Landes, Gott und der allerseligsten Gottes- mutter dankt fur die immer- wahrende Hilfe, die es, das polnische Volk, in den tausend Jahren seiner Geschichte auch in dunkelsten Zei- ten erfahren hat, so wollen wir osterreichischen Katholiken Gott bitten, daB Er dem glaubigen polnischen Volk weiterhin Seinen Schutz gewahre, daB Er ihm auch in seiner gegenwartigen Bedrangnis beistehe, daB Er Versbhnung stiffen mbge zwischen den Vblkern Europas und daB Er der Welt den dauernden Frieden schenken mbge.

Die Erzbischofe und Bischbfe Osterreichs

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung