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Ein Dokument der Freundschaft

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Dokument der Freundschaft. 56 Briefe haben die polnischen Bischöfe vor ihrem Abschied in Rom geschrieben. In jedem von ihnen wurde der Episkopat eingeladen, an der Tausendjahrfeier der Christianisierung Polens in Tschenstochau teilziunehmen. Darüber hinaus wurden sehr individuelle Botschaften von Volk zu Volk ausgetauscht. Der Brief an den deutschen Episkopat hat internationale Schlagzeilen gemacht (vgl. Hansjakob Stehle: Dialog mit Mißverständnissen, S. 6). Das ist bei den besonderen, historisch schwer belasteten Verhältnissen zwischen dem polnischen und dem deutschen Volk verständlich. Das Interesse der österreichischen Katholiken verdient aber vor allem das dem österreichischen Episkopat übergebene Schreiben. Es ist mehr als ein Brief zwischen dem Episkopat beider Länder, es ist das Dokument alter und neuer Freundschaft zwischen dem polnischen und dem österreichischen Volk. Wir bringen deshalb die Kemsätze des umfangreichen Briefes der polnischen Bischöfe:

„Mit den österreichischen Ländern war Polen immer oder fast immer durch freundliche nachbarliche Beziehungen verbunden, sowohl in der Politik als auch in der Kultur. Zeugen davon sind unter anderen die königlichen Familiengräber auf der Königsburg in Krakau mit zahlreichen Grüften von Nachkommen des österreichischen Kaiserhauses.

Der kaiserliche, österreichische Barock drang, aus österreichischen Landen kommend, tief nach Polen hinein bis in seine Ostgebiete weit über Lwow (Lemberg) hinaus. Er feierte wohl seinen höchsten Triumph in Schlesien… Weder in Schlesien noch irgendwo anders wurde im alten österreichischen Kaiserreich dem polnischen Volke eine fremde Kultur aufgezwungen oder das kostbare Erbgut der Muttersprache verfemt noch verfolgt. Schlesien ist Beweis dafür. Die sogenannte Germanisationspolitik begann erst mit dem Preußenkönig Friedrich II., der die schöne Provinz an sich riß. Dann kam für uns der traurige Abschnitt unserer Geschichte, die Teilungen Polens, an denen leider auch Österreich teilnahm; eine Tatsache, welche die gegenseitigen Beziehungen schwer belastete.

Aber auch während der für uns unglückseligen Zeit der Teilung Polens war gerade im österreichischen Anteil die Behandlung des besiegten und gedemütigten polnischen Volkes weit besser als in Preußen oder im russischen Zarenreich. Man ließ der alten Krakauer Universität ihre fast volle Unabhängigkeit und die polnische Muttersprache. Desgleichen in Lwow (Lemberg) und überall im früheren Galizien. Krakau blieb selbst unter österreichischer Herrschaft das Symbol des früheren polnischen Königglanzes und der Hoffnung einer besseren Zukunft und auch Asyl für zahlreiche Flüchtlinge aus aller Herren Ländern. Leider blieb der österreichische Teilungsanteil, damals Galizien genannt, beim allgemeinen wirtschaftlichen Fortschritt Europas in ökonomischer Hinsicht ziemlich rückständig.

Es sei auch daran erinnert, daß, als im Jahre 1683 Papst und Kaiser den König von Polen Jan Sobieski in höchster Not um Hilfe riefen, da die Türken bereits vor den Toren Wiens standen, man in Polen nicht einen Augenblick zögerte und mit einem großen Entsatzheer au Hilfe eilte. Bereits nach wenigen Wochen war Wien von den Türken befreit, die dann nach dem Süden zurückfluteten. Diese heldische und brüderliche Geste hat uns die kaiserliche Hauptstadt Wien niemals vergessen. Zeugnis davon ist die polnische Kirche auf dem Kahlenberge, ein Wahrzeichen guter Freundschaft zwischen den beiden Nationen, wenn auch das politische Geschehen so manches Mal seine eigenen Wege ging.

Die geistige und kulturelle Freundschaft zwischen Österreich und Polen war wohl eine reife und gute Frucht der christlichen, aber auch der katholischen Kultur, die beide Völker miteinander verband. Eine echte Frucht wahrhaft katholischer Kultur war auch die sehr weitgehende tolerante Einstellung i gegenüber Andersdenkenden. Verfol- gungsgeist und Intoleranz waren i beiden Völkern innerlich immer . fremd. Das christliche Element war bei beiden Völkern so sehr kültur-verbunden, und so anziehend, daß sowohl in Österreich wie in Polen religiöse und nationalistische Fehden keine Grundlage darstellten.

Österreich versuchte so gut es konnte, den slawischen Völkern in Osteuropa und auf dem Balkan gerecht zu werden und hat sie nie mit Stiel und Stumpf ausrotten wollen…

Diese tolerante Grundeinstellung ist unseren beiden katholischen Völkern bis auf den heutigen Tag geblieben, sowohl dem polnischen, das heute zwischen Bug und Oder auf einen ziemlich engen Raum zusammengedrängt wurde, als auch dem österreichischen, das nach seiner

Katastrophe von 1918 als das heutige Österreich hervorging.

Aber dieses neue Österreich erfüllt, wir sehen es sehr wohl, die christliche Kulturmission des alten Kaiserreiches mit mehr geistigen Mitteln, als dies früher der Fall war, und bildet auch in unseren Zeiten einen spektakulären Brückenpunkt zwischen Ost und West in Europa, zwischen Slawen, Deutschen und anderen Völkern. In dieser Hinsicht ist die Stellung der alten — und heute wieder erneuerten — Kaiserstadt Wien nicht nur Symbol, sondern auch modernes Kulturwirken.

Polen empfängt mit Begeisterung den Kardinal König aus Wien, den es seit Jahren schon als besten Freund betrachtet und die polnischen Bischöfe mit Kardinal Wyszynski an der Spitze werden jedesmal, wenn sie nach Rom fahren, von den österreichischen Nachbarn aufs herzlichste begrüßt und genießen stets beste Wiener Gastfreundschaft. Möge es immer so bleiben “ Diese Hoffnung der polnischen Bischöfe ist auch der Herzenswunsch der österreichischen Katholiken.

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