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Neue Chancen in Ost und West
FURCHE: Das FURCHE-Team freut sich mit Ihnen, Herr Professor, und begrüßt Sie, der seit 1962 dieser Zeitung ideell und als Mitarbeiter verbunden ist, als neuen Botschafter Polens in Österreich.
WLADYSLAW BARTOSZEW-SKI: Ich muß Ihnen gleich sagen, daß das alles noch inoffiziell ist und meine Nominierung zum Botschafter in Österreich durch eine Indiskretion der Solidarnos'c-Zeitung „Gazeta Wyborcza" am 7. Juni, die dann von österreichischen Medien und danach von bundesdeutschen Zeitungen übernommen wurde, publiziert wurde. Mir ist noch nichts darüber bekannt, ob die österreichische Bundesregierung Warschau in dieser Angelegenheit schon eine Antwort gegeben hat. Die Solidar-nosc-Zeitung hat von meiner Anhörung im außenpolitischen Ausschuß des polnischen Sejm als Kandidaten für den Botschafterposten in Wien berichtet und davon, daß dieser Ausschuß mich einstimmig für diese Aufgabe bestätigt hat. Wir rnüssen das Interview also in der Wenn-Form führen.
FURCHE: Wenn Sie den Posten in Wien übernehmen, sehen Sie sich dann als Vertreter einer neuen Botschaftergeneration aus den ehemaligen kommunistischen Staaten? Die Tschechoslowakei hat mit Magda Vasaryova eine bekannte Schauspielerin nach Wien geschickt. Sie sind ein arrivierter Historiker.
BARTOSZEWSKI: Falls ich diese Aufgabe endgültig übertragen bekomme, dann verstehe ich das als Versuch, Leute, die nicht mit der alten politischen Nomenklatura in Verbindung gebracht werden können, für das eigene Land auszunützen; das heißt, ihre Autorität, ihren Bekanntheitsgrad als Intellektuelle oder als Teilnehmer von verschiedenen Veranstaltungen und Symposien der vergangenen Jahre zu nützen, ebenso das Vertrauen, das sie sich in der Vergangenheit erworben haben.
Sie müssen bedenken, daß der neue polnische Botschafter in Wien der erste seit 52 Jahren ist, der das freie Polen in der freien Republik Österreich vertritt. Man muß sich das vergegenwärtigen: Als Österreich dem Deutschen Reich eingegliedert war, gab es keinen polnischen Botschafter in Wien, nach dem Zweiten ^Weltkrieg wurde Österreich zwar frei, aber Polen war nicht souverän. Jetzt geht es um eine neue psychologische und moralische Qualität - wie dies auch die CSFR mit ihrer Botschafterin zum Ausdruck gebracht hat - in den Beziehungen zwischen Österreich und Polen.
FURCHE: Welche Ziele muß ein neuer Botschafter Polens in Österreich vor Augen haben?
BARTOSZEWSKI: Wäre ich Botschafter in Wien, würde ich auf allen bisher vorhandenen verbindenden Faktoren aufbauen. Österreich ist als friedliebendes Land bekannt und hat sich als neutraler Staat, der offen ist nach allen Richtungen, einen Namen gemacht. Österreich hat seine Fähigkeit unter Beweis gestellt, mit dem Osten und dem Westen zusammenarbeiten zu können. Es ist so, daß sich die osteuropäischen Völker nach langer, rund 45 Jahre dauernder bedrohlicher Krankheit erholen. Jetzt muß man die Perspektive der offenen Gespräche sehen, so wie dies Österreich seit Jahrzehnten mit seinen westlichen Nachbarn gelungen ist. Das heißt, wir müssen auch die geopolitische Lage anerkennen, Österreich in dieser Perspektive betrachten und die neuen Chancen in allen Richtungen nutzen.
Bisher wurde auch noch nicht ausprobiert, wieweit ein neutraler westeuropäischer Staat wie Österreich wichtig für andere - osteuropäische - Staaten sein kann. Diese Funktion Österreichs wird für die Zukunft noch wichtiger werden.
FURCHE: Sie kommen aber in eine nicht ganz unkomplizierte Situation in Wien: Österreich hat Probleme mit den polnischen Schwarzarbeitern und illegalen Händlern. Man überlegt die Einführung der Visapflicht für Polen.
BARTOSZEWSKI: Ich hoffe, daß das im Endeffekt nicht kommen wird. Das wäre psychologisch und politisch ganz schlecht. Natürlich handelt es sich dabei für Österreich um ein Problem, das man nicht verharmlosen sollte. Österreich muß illegale Aktionen unterbinden. Wir wissen aber, daß das nirgendwo auf der Welt hundertprozentig gelingt. Illegale Geschäfte gab es immer in Situationen, in denen unterschiedliche Lebensstandards aufeinanderprallten. Ich habe volles Verständnis für die psychologischen Auswirkungen dieses Phänomens in Österreich. Ich habe aber in den letzten Wochen auch festgestellt, daß die polnischen Behörden gewillt sind, von sich aus diese negativen Auswirkungen der neuen Freiheit zu bekämpfen und zu begrenzen.
FURCHE: Polen wird derzeit von der deutschen Frage und dem Problem seiner Westgrenze in Atem gehalten. Richtet sich das Interesse der Polen jetzt mehr auf West- als auf Mitteleuropa?
BARTOSZEWSKI: Die Grenzen in Europa sind heute nicht von Gewalt bedroht. Das wissen die Polen auch. Es geht jetzt darum, aus Gründen der Staatsräson gewisse Unklarheiten auszuräumen. Das bedeutet nicht, daß die Polen nun weniger Interesse dem Zusammenleben mit anderen Völkern entgegenbringen. Dem Problem eines vereinigten Deutschland widmet Polen nicht weniger Aufmerksamkeit als Frankreich, Italien oder den USA. Die Polen gelten als relativ beweglich - auch in Richtung Nachbarvölker hin.
Aufgeklärte Leute in Polen haben Wien immer als einen besonders interessanten Ort für Kontakte und Ansprechmöglichkeiten gehalten. Österreich ist besonders als Land der Kultur und der Wissenschaft anerkannt. Gerade in der jüngsten Zeit haben sich die Besuche von polnischen Politikern, Sejm-Abgeordneten auf höchster Ebene in Österreich vervielfacht. Das konnte ich selbst als Privatbeobachter feststellen.
" Mit dem polnischen Historiker und Autor, der zur Zeit in der Bundesrepublik Deutschland lehrt, sprach Franz Gansrigier.
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