Päpstlicher Besuch mit STRAHLKRAFT

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Franziskus liegt mit Ortskirche und der Regierung in Polen kaum auf einer Linie -doch seine Visite nahm viele Gläubige an der Weichsel für sich ein.

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Franziskus liegt mit Ortskirche und der Regierung in Polen kaum auf einer Linie -doch seine Visite nahm viele Gläubige an der Weichsel für sich ein.

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Als Papst Franziskus am Mittwoch vergangener Woche beim Weltjugendtag in Krakau landete, bot der Himmel über der smoggeplagten Stadt einen grandiosen Anblick. Das Wolkenbild wirkte, als sei es vom Schöpfer höchstpersönlich entworfen. Nicht wenige Polinnen und Polen mochten denken, da habe Johannes Paul II. seine Hände im Spiel gehabt. Denn für viele im Land ist der polnische Papst wie eine Inkarnation Gottes auf Erden. Auf JPII, wie er hier verkürzt genannt wird, beruft man sich an der Weichsel viel und gerne.

Wenn die als klerikal und sehr konservativ geltenden polnischen Kirchenhierarchien nun seinen Nachfolger Franziskus in aller öffentlichen Wärme in Krakau empfingen, so überspielten sie damit dennoch die Dissonanzen, die es zwischen ihnen und dem Pontifex gibt. Denn während der Papst offensiv Flüchtlinge und ihre Aufnahme propagiert, sind Polens Bischöfe trotz Papst-Loyalität in diesen Fragen restriktiv. Während Franziskus für eine Öffnung der Kirche gegenüber geschiedenen Eheleuten plädiert, gehören die polnischen Bischöfe zu den Bewahrern. Und während Franziskus undogmatisch von Homosexuellen und Nichtgläubigen spricht, verlieren die polnischen Bischöfe über diese Menschen lieber kein Wort.

Entsprechend war bereits im Vorfeld der Weltjugendtage in polnischen Medien eine Debatte entbrannt. Die Leitfrage dabei: "Ist die polnische Kirche auch jene des Franziskus?" Geht es nach Dominika Kozłowska, Chefredakteurin der progressiven katholischen Zeitschrift Znak, ist dies nur eingeschränkt der Fall. "Die polnisch-katholische Version unserer Identität hat nichts mit Papst Franziskus zu tun", so Kozłowska in einem Interview. Multikulturalität oder Multireligiosität würde von Regierenden und Kirche in Polen als "nicht anzustrebender Zustand" erachtet. Daher würde "die Papstvisite in dem Sinn umgemodelt werden, dass wir an dem Stereotyp 'Pole-Katholik' nichts zu ändern hätten".

Tatsächlich feierte Franziskus im Wallfahrtsort Tschenstochau eine Messe anlässlich des 1050. Jahrestags der Taufe Polens - für Polens Amtskirche und die Regierung ist das Jahr 966 ein Symboldatum für die Einheit von Staat und Kirche. Franziskus wandte sich mit warmen Worten an die Bürger: "Euer Volk hat bereits viele schwierige Momente in Einheit bezwungen - möge Maria in euch den Wunsch einpflanzen, über Leid und Wunden der Vergangenheit hinauszugehen." Dass der Papst im gleichen Atemzug die Regierenden dezent mahnte, hörten diese sicherlich weniger gern: "Der Wunsch nach Macht, Größe und Ruhm ist eine tragische menschliche Sache", sagte er.

Weltjugendtag im Mittelpunkt

Diese Messe stand im Schatten der anderen Programmpunkte Franziskus'. Am Donnerstag appellierte er bei der Eröffnung an die Jugend der Welt, nicht wie "23 oder 25 Jahre alte, gelangweilte und langweilige Vorruheständler" zu leben. Am gleichen Tag fuhr per Straßenbahn durch Krakau, mit dabei waren Menschen mit Behinderung. Bei seinem beachteten Besuch von Auschwitz am Freitag schwieg er die gesamte Zeit, um beim Kreuzweg am gleichen Tag vor 800.000 Teilnehmern zu sagen: "Wir sind berufen, dem gekreuzigten Jesus in jeder Person zu dienen, die an den Rand gedrängt ist: dem Ausgestoßenen, Hungrigen, Durstigen, Nackten, Eingesperrten, Kranken, Arbeitslosen, Verfolgten, dem Flüchtling und Migranten." Am Wochenende widmete er sich ganz den Jugendlichen - bei einer Vesper am Samstag und der Abschlussmesse am Sonntag mit fast zwei Millionen Pilgern: "Wir Erwachsenen brauchen euch, damit ihr uns lehrt, gemeinsam in Vielfalt, im Dialog, im Teilen von Multikulturalität zu leben, die nicht Bedrohung, sondern Chance ist."

Oppositionelle Medien frohlocken bereits und appellieren symbolisch: "Franziskus, bleib bei uns!", titelte die Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Gemeint ist der Geist von Person und Visite, der bleiben und die Dominanz von nationalreligiöser Lesart in Kirche und Politik brechen soll. Wie diese bei einem Großteil der Hierarchen aussieht, machte Bischof Stanisław Stefanek deutlich. "Wir leben in einer Zeit des Kampfes zwischen Gut und Böse, man hat eine grausame Attacke begonnen auf alles, was Wahrheit und Ehrlichkeit ist. Ich denke daher, dass der Weltjugendtag, den wir erlebt haben, von der göttlichen Vorsehung als bedeutendes Signal gedacht war dafür, an welchem Ort wir stehen und der Welt dienen sollen", so Stefanek in einem Interview.

Im Klartext: Polen soll (wieder) Schutzwall des katholischen Christentums sein. Diese Perspektive ist vor dem Hintergrund der Historie durchaus verständlich. Die regierenden Nationalkonservativen sehen den Schutzwall-Gedanken ganz ähnlich. Franziskus' Multikulti ist ihnen ebenso ein Gräuel wie die ihm auch in Polen angemahnte Aufnahme von Flüchtlingen, insbesondere von Muslimen. Doch nicht nur die Opposition kritisiert die Anti-Franziskus-Haltung der Regierung. "Die Rechte in Polen versteht das Phänomen Franziskus einfach nicht", schreibt der unter PiS-Anhängern einflussreiche Publizist Piotr Zaremba im Magazin wSieci: "Die Obsession des ständigen Stichelns gegen faktische und angebliche Fehler des Vatikans festigt ganz sicher nicht die Autorität des Katholizismus in Polen."

Kein Rückenwind für PiS-Regierung

Erst recht nicht, so könnte man meinen, nach Franziskus' Visite. Denn der Papst kam im Land überaus gut an -und Johannes Paul II. nahe: "Diesem Papst ist auch etwas gelungen, was vor zehn Jahren Benedikt XVI. nicht gelang: Über Franziskus fangen die Polen an zu reden -'unser Papst'", schreibt Tomasz Krzyzak im konservativen Tagblatt Rzeczpospolita. Dazu all die Menschen aus aller Herren Länder, die beteten, feierten, redeten - und einander zuhörten. "Ich habe auf meiner Reise von jemanden aus Deutschland erfahren, dass er friedliche Muslime persönlich kennt", sagt die zweifache Mutter Patrycja, die mit ihren über 50 Jahren Teilnehmerin des Weltjugendtags war. "Wir redeten lange und ich habe jetzt irgendwie weniger Angst vor diesen Menschen", so die Lehrerin.

Die Atmosphäre des Weltjugendtags und die fünf Tage von Franziskus' triumphaler Visite haben bei nicht wenigen Polinnen und Polen großen Eindruck hinterlassen. Doch wie weit er das Gros der polnischen Hierarchen und der sehr konservativen Gläubigenbeeinflussen kann, ist fraglich. Für die umstrittene PiS-Regierung indes könnte sich der kurzweilige päpstliche Glanz, in dem sie sich sonnte, zu einem Schatten wandeln. Beim Rückflug sagte Franziskus auf die Frage eines Journalisten nach Islam und Terror: "Ich halte es nicht für richtig, den Islam mit Gewalt gleichzusetzen. Und wenn ich über islamische Gewalt spreche, dann muss ich auch über christliche Gewalt sprechen." Solche Worte sind aus Sicht von Polens Amtskirche und Regierung ein Schlag ins Gesicht - doch sie werden in ihrem Land von nun an stärker wahrgenommen werden.

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