6659288-1959_48_05.jpg
Digital In Arbeit

RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

Werbung
Werbung
Werbung

KLARE BEGRIFFE — GUTE FREUNDE waren es vor allem, die Ignace Lepp, Kominternagent und heute katholischer Priester, in seinem aufsehenerregenden Wiener Vorfrag zu den Fragen von Christentum, christlicher Welt und Sozialismus vermittelte. Den Sozialisten, die ln_ grofjer Zahl in der Versammlung In den Ehrbar- Sälen anwesend waren, gab der Vortragende zu verstehen, dab sie im Christentum keine soziologische Erscheinung sehen dürften, keine Partei, in die man wie in eine andere politische Gruppe „einfreten" könnte. Das Christentum ist eine Sache des ‘Glaubens und des Glauben- dürfens. Keineswegs dürfe man auch das Christentum mit dem, was man „Christliche Welt nennt, verwechseln. Das Christentum ist immer das gleiche. Nicht aber die christliche Welt. Zwischen einem Sozialismus, der Weltanschauung sein will, und dem Christentum kann es keine tiefere Verständigung geben. Dabei soll nicht übersehen werden, dab der Sozialismus in seinen extremen Formen die Zuchtrute des Christentums ist, das Zeugnis für die seitens der Christen nicht erfüllte Pflicht. Anders ist es, wenn der Sozialismus nicht Weltanschauung ¡n dem von Pater Lepp deklarierten Sinn sein, etwa wenn er nur eine bestimmte Form menschlichen Zusammenlebens darsfellen will. Ist er lediglich ein Rezept für ein bestimmtes Miteinander der Menschen, dann stellt er sich als christlichen Ursprunges dar. Daher gibt es auch nur dort Sozialismus, wo eine christliche Substanz vorhanden ist. Der Kommunismus aber Ist für Lepp daher Verrat am Sozialismus.

DIE EUROPÄISCHE KULTURSTIFTUNG. In der

Wiener Hofburg tagte vom 15. bis zum 22. November die Europäische Kulturstiftung. Gegründet von westeuropäischen Industriellen, präsidiert von Prinz Bernhard der Niederlande, hat diese von Jahr zu Jahr wachsende Stiftung sich die Aufgabe gestellt, aus der Privatwirtschaft Mittel aufzubringen für kulturelle Arbeiten in Europa, die seiner Selbstbehauptung zwischen den Weltmächten dienlich sind. Im Vorjahre hatte diese Stiftung den Erasmus-Prels gegründet und ihn erstmalig an Oesterreich in Anerkennung der kulturellen und freiheitlichen Leistung des österreichischen Volkes verliehen. Dieses Jahr erhielten der deutsche Philosoph Karl Jaspers und der französische Staatsmann Robert Schuman den Erasmus-Prels. Dem dritten Kongreß der Europäischen Kulturstiftung ging ein „Seminar für europäische Führungskräfte" voran, an dem neben französischen, Italienischen, schweizerischen und holländischen

Vortragenden der Wiener Dozent Friedrich Heer miiwirkte. Dieses Seminar wurde, unter dem Vorsitz Lord Rennells von dem Rektor des Europokollegs in Brügge, H. Brugmans, vorzüglich geleitet. Der dritte Kongreß hat beschlossen, dieses Seminar zu einer ständigen Einrichtung zu machen. Hauptthema des Kongresses selbst war In diesem Jahr; Die Hilfeleistungen Europas für die Entwicklungsländer, vorzüglich Afrika und Asien. Die Nöte der farbigen Studenten in Europa wurden sehr drastisch von Professor Haberland, dem Vorstandsvorsitzenden der Bayer-Werke, geschildert und durch den Wiener Arabisten Prof. Gottschalk ergänzt, Zur Eröffnung des Europaseminars sprachen die Minister Dr. Kreisky und Dr. Drimmel, am vor-, letzten Tag des Kongresses ergriffen der öster reichische Bundespräsidenf und der Bundes kanzler Raab das Wort. Der Kongrefj des nächsten Jahres, In Lissabon, wird sich mit den Beziehungen zwischen Südamerika und Europa befassen.

BUCK AUF MÜNCHEN. Die grobe Selbstdarstellung der katholischen Kirche: dies wird immer eindeutiger als das eigentliche geistliche Ziel des kommenden Konzils erkannt, Unmifjver- ständiich ist der kommende Eucharistischs K o n g r e (5 von München in diesen Zusammenhang hineingestellt. Ueberwunden sind die Zeiten, da die nachreformatorlsche Frontstellung dazu nötigte, gegenüber dem einseitigen „Mahlverständnis der Eucharistie, deren An-

befurtgscharakter in machtvollen, demonstrativen Prozessionen zu betonen, Die F rogrammankün- digung, die man kürzlich in Wien aus berufenem geistlichem Mund vernahm, gilt nicht mehr einem spektakulären, gegenreformatorischen Aufzug, sie gilt einer groben Einladung zum öffentlichen Hochzeitsmahl unter dem Kreuz. Gewib ist sie der heutigen Zeitlage gemäb vorerst nur an die katholischen Christen gerichtet. Aber kann man nicht vermuten, dab ein neu erwachtes evangelisches Kirchenverständnis an diesen Feiern nicht nur keinen Anstob nehmen, sondern sich fast verwandt angesprochen fühlen wird? Der Schlubgottesdlenst, der dem Urbild des „Groben und Heiligen Sabbat” der Osternacht nachgebildet Ist, wird Im östlichen Ritus der Weltkirche gefeiert werden. Nicht als ein fremdartiges, pittoreskes Schauspiel soll dieser ostkafholische Gottesdienst zelebriert werden. Wer die Anrufungen und Anliegen kennt, die im östlichen Ritus den Opfergang begleiten, der kann sich heute schon vorstellen, wie sehr gerade dieser Gottesdienst die ganze Welt ein- laden, zur ganzen Welt sprechen wird. Wenn nicht alles täuscht, wird dieser bevorstehende euoharistische Kongreb kein „internationales im Sinne pittoresker Trachtenaufmärsche, sondern ein „ökumenischer" im Sinne christlicher Fülle und wesensgemäber Vielfalt sein,

USA-UdSSR-KULTUR. Am 21. November wurde In Moskau das neue zweijährige Kulturabkommen zwischen der USA und der UdSSR unterzeichnet. Auf seinem Programm stehen: Zusammenarbeit bei der Nutzung der Atomenergie für friedliche Zwecke, gemeinsame Bemühungen Im Kampf gegen Krebs und Kinderlähmung, Austausch von Wissenschaftern, Lehrern, Industriellen, Sportlern, Touristen und von unpolitischen Rundfunk- und Fernsehsendungen. Die Vereinbarung über die Zusammenarbeit In der Atomwirtschaft legt nicht nur fest, dab Informationen und Wissenschafter ausgefauschf werden sollen, sondern sieht auch die Verwirklichung gemeinsamer Projekte vor. Aus Erklärungen, die der sowjetische Professor Emeljanow In Washington abgab, geht hervor, dab di0 Sowjetunion dabei an den gemeinsamen Bau kostspieliger Reaktoren denkt. — Weltpolitisch, man möchte sagen menschheitspolltisch, ist an diesem Abkommen eben diese Zusammenarbeit bei technischen Grobprojekten besonders beachtlich: hier kann die allmähliche Umwandlung der militärischen Intelligenz In technische Intelligenz elnsefzen, damit euch die Verlagerung von vorwiegend militärischen Grobplanungen In Projekte des Friedens.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung