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Auf Ostkurs

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Es ist noch gar nicht so lange her, da galt es in Bonner Regierungskreisen als sicher, daß jede Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und einem Land des Warschauer Paktes, also das Nebeneinander zweier deutscher Botschafter in einer Hauptstadt, von der Regierung in Ost-Berlin sogleich freudig benutzt würde, um daraus eine Bestätigung der DDR, wenn nicht gar eine De-facto-Anerkennung, zumindest aber das Ende der Hallstein-Doktrin abzulesen. „Aufwertung der DDR“ nannte man die Gefahr, die lange Jahre zur Barriere jedes ostpolitischen Schrittes wurde. Jetzt aber zeigt sich, daß die deutschen Kommunisten, beschränkt und gefangen im Netz ihrer Komplexe, genau umgekehrt reagieren. Die Außenminister des Warschauer Paktes hatten sich jetzt in Warschau bittere Klagen und Warnungen ihres DDR-Verbündeten anzuhören, den die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bukarest und Bonn ganz aus der Fassung gebracht hat. Sie konnten dabei die groteske Feststellung machen, daß die SED-Führung die Lage gegenwärtig genauso beurteilt wie der Fraktionsvorsitzende der CDU in Bonn: daß sich nämlich an der Politik der Bundesrepublik angeblich nicht das geringste geändert habe.

Im slawischen und balkanischen Teil Europas versteht man eher als im preußisch-sächsischen, daß politische Wandlungen, Korrekturen an einer politischen Linie nicht von heute auf morgen plakatiert werden, daß — wie es ein ungarischer Sprecher sagte — die Anpassung an die Realitäten möglichst und am besten ahne Prestigeverluste vor sich geht Auch in Moskau, wo man die Uneinigkeit im eigenen Bündnis mehr fürchtet als die Annäherung an Bonn, gibt man sich uneinsichtiger als man ist. Zwar mißfällt der rumänische Modus, und man hat die Ungarn, Bulgaren und Tschechoslowaken auf einen vorsichtigeren verpflichtet. Fest steht, daß sich Prag, Budapest und Sofia, ganz zu schweigen von Warschau, noch weniger als Bukarest in irgendeiner Form gegen die DDR ausspielen lassen werden.

Eine Schlüsselfunktion besitzt in dieser Frage Jugoslawien. Denn Tito, der auf dem Rückweg von Moskau in Budapest war, hat die Ungarn einerseits ermutigt, mit Bonn anzuknüpfen — so wie er auch den Sowjetführern zugeredet hat, die Neuorientierung der Bonner Politik nicht zu entmutigen. Aber Tito weiß anderseits auch sehr gut, daß erst eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Bonn und Belgrad das Ende der Hallstein-Doktrin beweisen würde. Denn mit Belgrad brach ja Bonn 1957 die BeZi ehuagen ab, als Tito sie mit Ulbricht anknüpfte. Bundeskanzler Kiesinger kündigte an, auch mit Jugoslawien wieder Beziehungen aufnehmen zu wollen. Es wäre auch verhängnisvoll für Bonn, Belgrad auszuklammern. Auf weitere Sicht freilich gilt, was die Londoner „Times“ feststellte: Erst wenn auch Polen und die Tschechoslowakei, die wirklichen Nachbarn Deutschlands im Osten, zum Botschafteraustausch bewogen werden können, Wird Bonns neue Ostpolitik wirklich überzeugend sein.

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