6750074-1967_24_06.jpg
Digital In Arbeit

Ostpolitik mit Hindernissen

Werbung
Werbung
Werbung

Bonn hat zwar eine neue Ostpolitik in Bewegung gesetzt, doch tritt es in vieler Hinsicht noch auf der Stelle. Das gilt insbesondere hinsichtlich der direkten Beziehungen zu Pankow. Natürlich war auch beim Amtsantritt der Regierung Kiesinger keine Rede davon, daß sie Pankow anerkennen werde. Im Gegenteil, sie versicherte, wie ihre Vorgängerinnen, daß sie von bestimmten unabdingbaren Rechtsstandpunkten nie abgehen könne und werde. Dabei ist es bis heute geblieben. Kiesinger hat das in einer der letzten Kabinettssitzungen ausdrücklich unterstrichen.

Diese unausweichliche Festlegung auf gewisse Grundsätze engt zwangsläufig die Handlungsfreiheit der Bundesregierung ein. Schon anfangs der fünfziger Jahre war die dadurch bedingte Bewegungslosigkeit lebhaft umstritten gewesen. Später war es dann freilich mehr und mehr Allgemeingut geworden, daß auch eine Politik der Bewegung zu Adenauers Zeiten in Sachen Wiedervereinigung nicht vorangebracht hätte, es sei denn, man wäre willens gewesen, die Bedingungen Pankows im großen und ganzen zu erfüllen. Die damalige Starre der Bonner Politik hing freilich auch damit zusammen, daß die Westmächte, voran die Vereinigten Staaten, sich in einer deutlichen Frontstellung gegen Moskau befanden und Bonn als guten Schüler ansahen, weil es sich ihrer Politik nahtlos einfügte.

Jedermann in Bonn ist sich seit langem bewußt, daß sich diese Verhältnisse grundlegend gewandelt haben. Der erste große Entschluß der Regierung Kiesinger bestand deshalb darin, daß sie ihre Segel entschlossen vor den Wind der allgemeinen Entspannungspolitik setzte. Im Lauf der Zeit wurde dabei immer deutlicher, daß ihr im Grunde die französische Ostpolitik mehr zusagt als die amerikanische. Die Begleitumstände um den Atomteststopvertrag und erst recht um den Non-proliferationsvertrag gefallen ihr gar nicht. Die französische Ostpolitik scheint hingegen Bonn ein Vorgehen in den anderen kommunistischen Staaten zu erleichtern. Fragt man in Bonn, wieweit die westlichen Verbündeten in jenen Ländern der deutschen Politik Hilfesteilung -geben, so wird stets Frankreich an erster Stelle genannt.

Bonn wird sich deshalb auch nicht entmutigen lassen, weil der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Rumänien inzwischen kein gleicher Vorgang gefolgt ist. Es besteht der Eindruck, daß Budapest und Prag hierzu bereit wären, jedoch zur Zeit unter Moskaus Einfluß davon Abstand nahmen, während augenscheinlich in Sofia ein merkwürdig scharfer Wind gegen die Bundesrepublik weht. Was Belgrad anlangt,so gibt es ebenfalls Anzeichen dafür, daß man sich dort zu einer Wiederaufnahme der Beziehungen zur Bundesrepublik bereit erkennt. Doch tut sich Bonn in dieser Hinsicht besonders schwer. Jugoslawien hat seinerzeit aus freien Stücken Pankow anerkannt und damit die Anwendung der Hallstein-Doktrin herausgefordert, die einen solchen Schritt als einen unfreundlichen Vorgang ansieht, weshalb Bonn damals die Beziehungen zu Tito abbrach. Die Hallstein-Doktrin ist in Bonn aber noch keineswegs zum alten Eisen gelegt, obgleich dies von manchen Seiten gefordert wird.

In den osteuropäischen Hauptstädten will daher die Bundesregierung, alles in allem, ihre bisherige Politik unverdrossen fortsetzen. In bezug auf Moskau steht sie indes ebenso vor der Mauer wie in bezug auf Pankow. Die letzte sowjetische Note vom Jänner war so randgefüllt mit allen Elementen des intensivsten kalten Krieges. Sie ist deshalb bis heute unbeantwortet geblieben, und wenn nicht alles täuscht, wird auch keine Antwort mehr zustande kommen. Die Beziehungen zwischen Bundesrepublik und Sowjetrußland gehen infolgedessen schwerfällig und mit ständigem Ach und Krach weiter. Das Bolschoi-Ballett tanzt zwar zur Zeit in der Bundesrepublik, aber sonst schleifen die kulturellen Beziehungen arg am Boden. Was die politischen Beziehungen anlangt, so wäre wohl die Lage am besten getroffen, wenn man sagte, daß sie gar nicht existieren. Wenn der neue sowjetische Botschafter in Bonn, Zarapkin, tatsächlich ein ausgezeichneter Diplomat ist, dann hat er offenbar aus Moskau die Richtlinie mitbekommen, diese Fähigkeit im verborgenen zu halten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung