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Bonn und das Atom

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In Bonn ist man mit dem bisherigen Verlauf der Genfer Verhandlungen über einen Atomwaffensperrvertrag ganz zufrieden. Das Urteil in der Bundesrepublik über den ganzen Vorgang hat sich nach und nach gewandelt. Anfänglich waren Ressentiments und Emotionen stark im Spiel. Jetzt macht sich die nüchterne Prüfung des Sachverhaltes Platz. Auch die taktische Lage der Bundesrepublik wird realistischer eingeschätzt.

Die ursprüngliche heftige Reaktion einzelner deutscher Stellen wäre wahrscheinlich gar nicht zustande gekommen, wenn man nicht zu diskutieren angefangen hätte, ohne den Wortlaut des Vertrages zu kennen.

Nach und nach sickerten einige Einzelheiten durch. Aber niemand wußte etwas Genaues. Das nährte den Verdacht, zwischen den USA und den Sowjets werde ein Spiel getrieben, welches das Licht des Tages, lies: den Blick der Verbündeten zu' scheuen habe. Die Deutschen sahen daraufhin mit noch mehr Argwohn auf ihr Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. Das Barometer zwischen Washington und Bonn hat infolgedessen einen ziemlichen Tiefstand erreicht. Einige ändere Ungeschicklichkeiten auf beiden Seiten haben dazu beigetragen. Aufs ganze gesehen, fehlen einfach die Offenheit und das Vertrauen, mit denen die Amerikaner und die Deutschen zu den Zeiten Adenauers und Dulles' miteinander umgegangen sind.

Auf beiden Seiten hat man dies in der letzten Zeit erkannt. Auf amerikanischer Seite scheint deshalb ein Nachdenken darüber eingesetzt zu haben, ob man die Deutschen in den letzten Jahren immer psychologisch wirklich richtig behandelt habe. Auf deutscher Seite besteht ebenfalls das Bedürfnis, das Verhältnis wieder in gängigere Bahnen zu lenken. Bundeskanzler Kiesinger und Außenminister Brandt haben dies deutlich erkennen lassen. Dabei ist freilich anzumerken, daß auch Brandt in der letzten Zeit seiner Berliner Tätigkeit einige Male mit der Haltung seiner amerikanischen Freunde gleichfalls nicht vollauf zufrieden war. Deshalb hat der amerikanische Botschafter in Bonn, McGhee, die Initiative ergriffen und durch einige deutsche Journalisten den Gedanken lanciert, Johnson und Kiesinger sollten sich möglichst bald treffen, um eine Generalbereinigung zu versuchen.

Ähnliches wie für die deutsch-amerikanischen Beziehungen gilt für das Verhältnis zwischen London und Bonn. Wilsons kürzlicher Auftritt' in der Bundeshauptstadt hat keine neuen Impulse mit sich gebracht, sondern eher einigen Sand ins Getriefte gestreut. Dazu haben mehrere englische Zeitungen alles getan, um die Abneigung gegen die Deutschen wieder anzuschüren. Um so mehr wird in Bonn mit Genugtuung vermerkt, daß inzwischen andere einflußreiche englische Blätter dazu übergehen, einer vernünftigen, besonnenen Beurteilung der Deutschen das Wort zu reden und das Problem des deutschen Devaisenaulsgüedohes für die britischen Truppen in Deutschland nicht zu einer NATO-Krise emporzuspielen.

Nur vor diesen Hintergründen läßt sich die erste deutsche Reaktion erklären, als durch eine gezielte Indiskretion der Wortlaut des Entwurfes bekannt wurde, den die Amerikaner für einen Sperrvertrag ausgearbeitet hatten. Auch dabei schlich sich indessen wieder ein Mißverständnis ein. Man glaubte auf deutscher Seite, die Amerikaner und die Sowjets seien sich über den Inhalt dieses Vertrages — ausgenommen den Artikel 3 über die Kontrolle — bereits handelseinig, nur werde der Text planmäßig geheimgehalten. Nachträglich stellte sich indessen heraus, daß die Amerikaner auf Grund ihrer Gespräche mit den Sowjets lediglich einen Entwurf ausgearbeitet hatten, der noch der Zustimmung des Kremls bedarf.

Schon dies wandelte das Bild, das man sich in Bonn von der Gesamtlage gemacht hatte. Es ließ sich nicht mehr die These aufrechterhalten, die Amerikaner (und auch die Engländer) seien dabei, die Deutschen zu „verraten und verkaufen“ und sie einem neuen Morgenthau-Plan oder einem neuen Versailles auszuliefern. Man erkannte jetzt die Möglichkeit, auf den Vertragsentwurf noch Einfluß zu nehmen.

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