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Strategisches Vorfeld an der Oder

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De Gaulle bleibt dabei, daß die Oder-Neiße-Linie die Grenze eines wiedervereinigten Deutschlands sein sollte. Er ist auch dagegen, daß den Deutschen Atomwaffen in die Hand gedrückt werden. Anderseits setzt er sich für die Wiedervereinigung der Bundesrepublik mit der Zone ein, um das strategische Vorfeld Frankreichs von der Elbe an die Oder vorzjuverlegen. Die sowjetische Zwei- beziehungsweise Dreistaatentheorie lehnt er ab. Allerdings gibt es in Bonn heutzutage niemanden, der an- ‘ nimmt, de Gaulle könnte die Sowjets zu irgendeinem Entgegenkommen in der deutschen Frage bewegen. Das Problem der Wiedervereinigung bewegt die deutschen Politiker unentwegt, aber es ist noch keine Lösung vorgeschlagen worden, die Allgemeingut geworden wäre. So herrschen Lähmung und Resignation vor.

Gleichwohl reden einflußreiche politische Kreise einer koordinierten deutsch-französischen Politik gegenüber den kommunistischen Staaten das Wort. Sie verweisen darauf, daß die Bundesrepublik sich zurzeit in diesen Ländern sozusagen allein auf die eigenen Beine gestellt habe, dabei jedoch nicht wesentlich vorangekommen sei. Die deutsche Handelsmission in Warschau wird beispielsweise von den Polen, fraglos planmäßig, von allem femgehalten, was einen Schimmer von Politik an sich hat. Man glaubt deshalb, daß eine aktive französische Unterstützung der deutschen Position in diesen Ländern zwar nicht heute und morgen, jedoch auf lange Sicht ebenso von Nutzen sein könnte wie im Nahen Osten. Diese außerhalb EWG und NATO in die Weltpolitik ausgreifenden Perspektiven sind in der Vergangenheit in Bonn vielfach kaum (gesehen worden, rücken jetzt alber mehr und mehr ins Blickfeld.

Blick nach London und Washington

Enge Anlehnung an Frankreich wird hier und da auch empfohlen im Hinblick auf die Politik der USA und Großbritanniens. In Bonn werden die derzeitigen Genfer Vorgänge nicht ohne Sorge verfolgt, insbesondere das sowjetrussische Angebot, im Ernstfall nicht die erste Bombe auf ein atomwaffenfreies Land zu werfen. Vorschläge wie diese werden nach wie vor mit einer beträchtlichen Zurückhaltung aüfgenommen. Man stellt sofort die Frage, was sie für die Sicherheit der Bundesrepublik bedeuten.

Das amerikanische und das britische Echo auf die sowjetischen Vorschläge hat außerdem die Frage laut werden lassen, wie sie mit den NATO-Verpftichtungen beider Länder vereinbar wäre. Auch die amerikanische Versicherung, daß die USA ihre NATO-Verpflichtungen nicht preisgeben würden, hat die Kreise, in denen diese Sorge umgeht, nicht voll befriedigt. Die Schlußfolgerung aus ihrer Fragestellung bietet sich von selber an: Im Fall eines Angriffes aus dem Osten gerät Frankreich selbst in solche unmittelbare Gefahr, daß es — was hinsichtlich der USA und Englands nicht ganz sicher ist — gemäß den Lehren seiner Strategen unverzüglich alle Waffen einsetzen wird, um den Angriff zurückzuschlagen, zumal Frankreich ein sofortiges amerikanisches Eingreifen in Europa für wirklichkeitsfremd hält.

Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß diese Gedankengänge in Paris noch nicht zur Sprache gebracht worden sind. Sie entsprechen vor allem nicht der Konzeption Schröders, der beinahe einschränkungslas auf die amerikanische Karte setzt. Vor allem setzen sie voraus, daß sich zwischen Bonn und Paris auf Grund fruchtbaren Miteinanderwirkens in den „technischen” Fragen ein zunehmend besseres Arbeitsklima ergibt, das es eines Tages gestattet, sich ohne Haß und Leidenschaft auch über die großen Fragen auszusprechen, in denen sich beide Länder heute noch nicht einig sind. Erst dann wird sich auch zeigen, ob der neue Anlauf zur Zusammenarbeit zu einem umfassenden Erfolg geführt hat.

Die Meinung, daß nach einem Rückzug aus Vietnam die Asiaten sich nicht mehr auf den Schutz der Vereinigten Staaten verließen, hält Wilson für falsch. Die Vermeidung einer Konfrontation mit dem Kommunismus am falschen Ort und zum falschen Zeitpunkt bedeute nicht, daß sie überall und immerzu vermieden würde. Auch das in den Vereinigten Staaten häufig vorgebrachte

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