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Zusammenstoß Kiesinger — Schröder

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Nach diesem Zwischenspiel war ein Zusammenstoß zwischen Kiesinger und Schröder im Kabinett unvermeidlich. Auch diese zwei sind Politiker verschiedenen Typs. Keiner hat für den anderen eine besonders gute Empfangsstation. Schröder ripostierte und nahm nichts zurück. Die Amerikaner erschienen natürlich ebenfalls sofort auf dem Plan und fragten, ob sie richtig gehört hätten, ausgerechnet die deutsche Truppenstärke solle vermindert werden. Damit war die Auseinandersetzung über die Zukunft der deutschen Verteidigungspolitik aber auf ein völlig falsches Geleis geraten.

Schröder hatte, als er von der Truppenverringerung sprach, beiseite gelassen, daß man sich in seinem Ministerium — wie hätte e: anders sein können — schon sei' geraumer Zeit Gedanken über eir neues Verteidigungskonzept gemach hatte. Was würde werden, was könnte getan werden, wenn die angelsächsische Truppenverdünnunj immer weiter ging? Bei den Überlegungen war eine klare Alternativ« herausgekommen: Entweder weniger, aber höchst moderne Divisioner oder Beibehaltung des bisheriger Rahmens mit zum Teil verdünnter Divisionen, die in einer Spannungszeit sofort aufgefüllt werden würden. Am ehesten zu verringern: die Landstreitkräfte. De Gaulle und sein Verteidigungsminister Mesmer hatten bei ihrem letzten Bonner Besuch das Problem ähnlich gesehen: Entweder modernisieren oder die Mannschaftsstärke halten. Der General, der schon in den dreißiger Jahren die starke Panzerwaffe für Frankreich gefordert und nach dem Krieg die Force de frappe geschaffen hatte, kannte natürlich nur eine Antwort: die moderne, aber kleinere Truppe ist das kleinere Übel.

Unentschiedene Regierung

Die Bundesregierung hat sich noch nicht entschieden, welcher Lösung sie zuneigen soll. Im Grunde kann sie auch gar nicht allein entscheiden, sondern muß die Ansicht ihrer NATO-Verbündeten einholen. Beim Vortrag ihrer fatalen Lage im NATO-Rat wird sie freilich auf keine allzu freundliche Stimmung treffen. Dort wird man ihr vorhalten, daß sie Beschlüsse gefaßt haben, ohne vorher zu konsultieren, daß sie also sich genau des Fehlers schuldig gemacht habe, den sie den Amerikanern bei jeder Gelegenheit angekreidet hatte. Außerdem wird man sie daran erinnern, daß Verteidigungsminister Schröder im NATO-Rat schon im Frühjahr dem Prinzip der flexible response zugestimmt hat.

Im Grunde löst die Frage, ob die Bundeswehr um einige zehntausend Mann verringert werden soll oder nicht, in keiner Weise das Problem der Sicherheit der Bundesrepublik in den nächsten zehn Jahren. Die lange Demarkationslinie zwischen West-und Ostdeutschland läßt sich schon nicht mehr voll besetzen, wenn die Amerikaner und die Engländer Truppen abziehen. Schon dies erfordert eine Änderung des Vertei-digung.5dispositivs. Eine deutsche Truppenverdünnung schafft infolgedessen kein grundsätzlich neues Problem. Darüber hinaus bestand unter den Sachverständigen ohnehin stets Übereinstimmung darüber, daß die konventionelle Verteidigung der Bundesrepublik nicht die letzte Sicherheit biete. Diese Sicherheit ist nur zu erreichen, wenn ein möglicher Angreifer aus dem Osten weiß, daß atomare Waffen in Tätigkeit treten, sobald er den erst““

auf den Boden der Bundesrepublik setzt.

Nun ist gewiß ein Angriff Sowjet-rußiands in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten. In diesem Punkt sind sich die deutschen und die angelsächsischen Sachverständigen einig. Aber in Bonn hat man noch einen entscheidenden Punkt mehr zu bedenken. Die Sicherheit der Bundesrepublik ist unter den gegebenen Verhältnissen nur gewährleistet, wenn sie durch ein mächtiges und einsatzbereites Bündnis abgeschirmt ist. Damit stehen und fallen alle strategischen Überlegungen. Es hat denn auch den Anschein, daß sich in Bonn mehr und mehr diese Einsicht durchsetzt und die Ausarbeitung der künftigen deutschen Verteidigungskonzeption in diesem Zeichen erfolgen wird. Die Bundesrepublik wird auch künftig alles aufbieten müssen, um glaubhaft den größtmöglichen Beitrag im Rahmen des Atlantischen Bündnisses zu leisten. Die Schlagkraft der Bundeswehr wird man, wentn es nicht unvorhergesehene Wendungen gibt, als da» entscheidende Kriterium herausstellen.

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